Tag 4 – Fast wie im Aarebad

Ein Morgen in Gais

Das kleine Örtchen, in dem wir untergebracht sind, trägt den schönen Namen Gais und ist auf einer Höhe von ungefähr 860 Meter – das ist in etwa so hoch die höheren Berge im Harz.

Nach unserer montäglichen Wanderung schlief Frank am Dienstag etwas länger. Lange schlafen und Urlaub sind für mich jedoch eher unverträglich und um kurz vor Acht hielt ich es nicht mehr im Bett aus. Mit dem Ziel, den Bäcker des Dorfes zu besuchen, machte ich mich auf Erkundungstour durch den Ort.

Bei meiner Erkundungstour stellte ich fest, dass Gais einen sehr eigenwilligen Charme hat. Das ganze Dorf ist penibel sauber und alles ist vergleichsweise neu. Und was nicht neu ist, ist frisch restauriert und an jeder Ecke gibt es einen Spielplatz. Auf meiner Tour zählte ich nicht weniger als 7 Spielplätze (und dabei lief ich kaum mehr als 1600 Meter durch das Dorf). Es gibt kein Graffiti, dafür aber zahlreiche kleine Kinder und Leute mit Hunden (wobei morgens um Acht wohl auch die Hauptstoßzeit für Leute mit Hunden ist – wegen Gassi gehen und so). Die Leute, die mir begegneten grüßten alle ganz achtsam oder nickten mir zu. „Wo die Welt noch in Ordnung ist“ scheint mir die Phrase zu sein, mit der man so einen Ort beschreiben würde. Die Fassade hier ist auf jeden Fall gefällig.

Ich entdeckte in Gais den lokalen Metzger, mehrere kleine Bekleidungsgeschäfte (Läden, die in deutschen Kleinstädten längst pleite oder einem Kik gewichen wären), den örtlichen Badeteich und den lokalen Tennisplatz – alles furchtbar aufgeräumt und fast schon zu perfekt.

Dorfstraße mit Heimtextilien
Dorfkirche in Gais
Baggeloch – der lokale Badesee
Tennisplätze vor Ort – mit Licht

Den Bäcker entdeckte ich schließlich auch noch und dort orderte ich ein paar Brötchen. Ich bat die Verkäuferin, mir einfach vier verschiedene Brötchen zu geben und nachdem sie drei unterschiedliche Brötchen in die Tüte getan hatte und unschlüssig war, was als viertes zu wählen sei, fragte ich, ob sie auch ein Brötchen mit Kümmel habe. Sie blickte mich fast schon etwas entgeistert, griff dann zu einem Brötchen und erklärte, dies habe besonders viel Kümmel. Beim Frühstück später begriff ich ihren Blick – hier haben einfach alle Brötchen ein wenig Kümmel. Essen ohne Kümmel scheint in Südtirol fast schon unmöglich zu sein.

Nach der Entdeckungstour zu Hause angekommen kam Frank eine gute Stunde nach mir irgendwann auch aus dem Bett und wir konnten uns dem Kümmelfrühstück zuwenden. Frank kombinierte eines der Kümmelbrötchen mit Nutella – eine auf jeden Fall eigensinnige Mischung.

Zu viel Stau

Etwas unschlüssig über das Ziel des Tages ließen wir die Verkehrsmeldungen den Ausschlag über die Reiserichtung geben. Option 1 war Richtung Cortina d’Ampezzo, dem Winterferienzentrum von Südtirol. Option 2 war Richtung Meran, der zweitgrößten Stadt von Südtirol. Die Verkehrslage sah so aus, dass Option 1 über 90 Minuten, Option 2 gleich über 2 Stunden Fahrt gekostet hätte.

Hier ist devinitiv zu viel Verkehr

Flugs kam ich auf Option 3 – wir blieben praktisch im Orte. Keine Viertelstunde von unserer Unterkunft entfernt gab es vor den Toren Brunecks ein Völkerkundemuseum, von dem die Bewertenden auf Google ganz angetan waren. Das Museum war teilweise unter freiem Himmel, das Wetter war großartig, also ging es dorthin.

Volkskunde

Gut anderthalb Stunden verweilten wir in dem Museum, das früher ein Gutshof und zwischendrin eine Dorfschule war. Dort konnte man sehen, wie sich das Leben auf dem Lande in Südtirol in den letzten 300 Jahren angefühlt haben muss – ein wenig beschaulich, reichlich religiös (hier hatten die Adelshäuser eigene direkt integrierte Sakralräume) und vor allem anstrengend. Zum Glück müssen wir heute Felder nicht mehr selbst pflügen, Korn nicht mehr selbst dreschen und Mehl nicht mehr selbst mahlen.

Küche im Museum – Links neuer Sparherd, rechts alte Feuerstelle
Rosengarten des Museums
400 Jahre altes Lagerhaus
Das Museum stellte auch Arztzimmer aus den 50er Jahren aus
Die zwei ganz niedlichen Eselchen des Museums
Blick auf den Garten des Museums mit Bruneck im Hintergrund

Verschätzt!

Das nächste Ziel meiner Option 3 war etwas problematisch. Silke hatte uns die Tesselberger Alm empfohlen. Diese Hütte war von unserer Unterkunft Luftlinie keine fünf Kilometer entfernt und Google erklärte uns, man könnte da irgendwie fast hinfahren und müsste dann nur noch „ein Stück“ laufen und schon könnte man dort den besten Zirbenschnaps (so die Einschätzung von Silkes Vater) trinken. Gerne hätte ich diesen Schnaps noch einmal probiert, aber als wir am Parkplatz für die Alm ankamen, lernten wir, dass der Weg dorthin mehrere hundert Höhenmeter durch den Wald führt und mindestens zwei Stunden dauert. Nun waren wir für diesen Tag gar nicht auf Wandern vorbereitet. Wir trugen Barfußschuhen und in diesen läuft es sich dann doch ein wenig zu beschwerlich über Wurzeln, Stöcke, rollende Steine und Geäst. Also verschoben wir die Tesselberger Alm und den Zirbenschnaps auf ein anderes Mal und fuhren die Straße ein paar Meter weiter zu den Erdpyramiden.

Steine auf Lehm

Erdpyramiden sind eine wunderbar originelle Erfindung der Natur. Steht man davor, sieht man Steine, die auf einem Stalagmit aus Lehm liegen – fast wie in einer Tropfsteinhöhle, nur sieht es hier so als wären die Steine von unten nach oben getropft.

Die Seite suedtirols-sueden.info erklärt dazu ganz anschaulich: Diese Erdpyramiden entstehen dort, wo in Tälern eiszeitliche Gletscher Moränenlehm abgelagert haben. Das Material ist in trockenem Zustand steinhart. Kommt es mit Wasser in Verbindung, wird es zu einem lehmigen Brei, der zu Tal fließt. Doch unter großen Steinen bleibt der Lehm vom Regen geschützt und somit trocken und hart – nur das Material um den Stein herum wird ausgewaschen. So bilden sich Erdsäulen, die bei jedem Niederschlag höher werden.

So sehen die Erdpyramiden aus
Die zwei Pyramidenkundler vor den Steinen
So entstehen Erdpyramiden

Auf dem halbstündigen Weg zu den Erdpyramiden hatten wir einen wunderbaren Blick auf die Dolomiten:

Blick auf die Dolomiten
Blick über die Alm Richtung Dolomiten

Pommes und Bauchklatscher

Nachdem wir am Montag schon nicht in das beheizte Olanger Schwimmbad gehen konnten (weil Frank Badehose und Handtuch fehlten), holten wir dies nun einfach nach. Von den Erdpyramiden war es eine kurze Fahrt nach Olang und ein wenig im warmen Wasser zu planschen, schien uns ein guter Nachmittagsausklang zu sein.

Das Wetter war nur noch spätsommerlich und wahrscheinlich deswegen war das Freibad auch nicht sonderlich voll. Frank schwamm ein paar Bahnen, ich versuchte, nicht unterzugehen und zwischendurch aßen wir Pommes mit Mayo und tranken ein Bier. Pommes und Bier im Freibad erinnerten uns sehr an Bern, wo wir diese Kombi letztes Jahr mehrfach in den Aarebädern hatten.

Nach den Pommes und dem Bier versuchten wir uns noch ein wenig an den Sprungbrettern, wobei ich in erster Linie Arschbomben und Bauchklatscher beim Versuch von Kopfsprüngen zu Stande brachte. Frank stellte sich ein gutes Stück geschickter an und schaffte es immerhin, grazil mit dem Kopf zuerst einzutauchen, ohne viele Spritzer zu machen. Bei mir platschte es vor allem mächtig gewaltig.

Olanger Freibad vor den Bergen
Hmmm Pommes
Fraktion Pommes und Bauchklatscher lümmelt im Freibad
Nach dem Schwimmen

Nachdem ich genug geplatscht hatte, fuhren wir zu unserer Unterkunft, wo ich mich ein wenig in die Hängematte in die Spätnachmittagssonne legte und mir den Bauch bescheinen ließ.

Pizza auf dem Tennisplatz

Nun war ja Dienstag und Dienstag ist immer unser Tennistag. Jeden Dienstag sind Frank und ich mit unserer Mitspielerrasselbande auf dem Tennisplatz in Treptow und spielen mit einem kleinen gelben Ball auf rotem Sand. Gut, ich spiele zur Zeit nicht, weil meine Hand kaputt ist, aber auf den Tennisplatz gehe ich trotzdem, denn dort angeschlossen ist unsere Vereinsgastronomie bei der wir immer fantastische Pizza und Raki bekommen.

Was ein Glück war es, dass Gais auch einen solchen Tennisplatz mit angeschlossener Gastronomie hatte. So konnten Frank und ich zumindest der Pizza-Tradition am Dienstag treu bleiben. So liefen wir am Abend zu dem Lokal, beschauten den (leeren) Tennisplatz und orderten Pizza und Calzone. Dazu gab es eine Menge lokalen Wein und am Ende des Abends auch noch ein wenig Hochprozentiges – Heuschnaps (der wird hier im Ahrntal aus Wodka und 40 bis 50 verschiedenen Kräutern gebrannt) und Grappa. Etwas erstaunt waren wir über den Preis – unter 40 Euro für 1 Bier, 3 Wein, 2 Pizzen und 2 Schnaps. Das war billiger als in unserer Kneipe bei Atci.

Calzone mit der Soße außen
Franks Pizza mit Schinken und Ei

Vollgefuttert und beseelt liefen wir die kurze Strecke nach Hause und ließen bei ein wenig Tee und Schokobons den Abend ausklingen.

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Karla
Karla
25. August 2021 13:34

Eine sehr schöne Reisebeschreibung, die mich an vielen Stellen, z. B. bei den Erdpyramiden, an meine Reise durch Südtirol 2018 erinnerte. Aber getoppt wurde das Ganze für mich durch das Foto des Frauenarztstuhls aus den 50er Jahren, wovon ihr Jungs aber nun mal keine Ahnung habt.