Die Aare-Crew vor dem Einstieg ins Wasser

Schweiz und Frankreich 2020

Tag 1: Vorfreude auf Pommes und pappige Fritten

Trotz Corona. Wegen Corona! Ach, eigentlich völlig unabhängig von Corona, auch 2020 wird Urlaub gemacht. Wir hatten den Urlaub schon vor über einem Jahr geplant und nun sprach einfach gar nichts dagegen, ihn auch anzutreten. Schweiz hieß das Ziel in diesem Jahr. Genauer: Bern. Noch genauer: Aare.

Die Aare ist der wasserreichste Nebenfluss des Rheins und wurde jüngst von CNN zu einem der 20 schönsten Orte zum Schwimmen gekürt. Ob nun alles, was CNN schreibt und sendet, immer stimmt, sei dahingestellt, aber in diesem konkreten Fall kann ich bestätigen, dass die Aare ein ganz fantastisches Flussbad ist. Denn wir waren bereits hier. Schon 2018 besuchten wir Andreas und Moritz und Bern und die Aare, schwammen durch eben diese, wanderten von der Schynigen Platte nach First, inspizierten die Reichenbachfälle (wo Sherlock Holmes vorgeblich sein Ende fand), feierten den Schweizer Nationalfeiertag in einem Schlauchboot und verdrückten ganz viele Pommes im Lorrainebad.

Schwimmen in der Aare (das war 2018)

Unsere Wanderung vor zwei Jahren

Impression unseres Schlauchboottrips vor zwei Jahren

Andreas und Moritz sind zwei liebe Freunde von Frank und mir. Während ich Andreas schon aus Rostock-Zeiten vor der Jahrtausendwende kenne, lebt dieser inzwischen (meistens) in der Schweiz und war uns vor zwei Jahren ein herausragender Fremdenführer. Deswegen kamen wir dieses Jahr gleich wieder – um zu wandern, Schlauchboot zu fahren, Pommes zu essen und um uns durch die Aare treiben zu lassen.

Ein kleiner Nachteil von Bern ist, dass es von Berlin ganz schön weit weg ist. Im konkreten Fall war Bern über 11 Stunden weg. Und diese 11 Stunden verbrachten wir zu viert im Auto. In Berlin wurde der Wagen bis fast unter das Dach mit Koffern, Wanderrucksäcken, Betten, Hüten und allerlei Brimborium vollgepackt. Schließlich sollten vier Leute mit Reisegepäck für zwei Wochen transportiert werden.

Nachdem das Auto fast bis zum Anschlag gefüllt war, musste nur noch unsere völlig überdimensionierte Tennis-Tasche eingeladen werden. Denn nach einer Woche Schweiz sollte es weiter nach Frankreich gehen und dort gibt es in quasi jedem Dorf einen eigenen Tennis-Club und da Frank und ich inzwischen meistens den Ball über und nicht in das Netz bugsieren können (das ist schon fast Spiel auf Weltniveau!), war natürlich geplant, diese französischen Tennis-Clubs unsicher zu machen. Zum Glück hatte Frank einen VW Passat Kombi mit fast so viel Platz im Kofferraum wie in einem Leichenwagen. Mit etwas gutem Willen passte so auch die Tennistasche noch zwischen uns auf den Rücksitz.

Einmal unter's Dach gepackt
Einmal unter’s Dach gepackt

Voll beladen und minimal übernächtigt (an dem vorigen Abend wurde noch ausgiebig Christians Geburtstag gefeiert) fuhren wir gegen 10 Uhr morgens in Berlin los und besichtigten die zahlreichen Baustellen der Autobahnen in Sachsen-Anhalt, Hessen (führt kein Weg vorbei) und anderen obskuren westdeutschen Bundesländern. Den Höhepunkt der Reise bildete unsere Abfahrt kurz hinter Bad Hersfeld als wir aus Gründen, die uns inzwischen völlig schleierhaft sind, den örtlichen McDonald’s besuchten, um dort pappige Fritten und billige Burger zu essen. Die Pommes im Lorrainebad sind viel besser!

Fröhliche Menschen, fragwürdiges Essen
Fröhliche Menschen, fragwürdiges Essen

Am Abend erreichten wir die Schweiz und nach anderthalb Stunden Fahrt mit beeindruckender Sicht auf die Alpen, passierten wir das Wankdorf-Stadion und waren in Bern. Dort steuerten wir einen kleinen lokalen Supermarkt an, deckten uns mit dem nötigsten für ein kleines Abendbrot ein und luden das ins Auto gestopfte Gepäck in Andreas Wohnung aus. Im Supermarkt erinnerte ich mich wieder an das der Schweiz eigene Preissystem. Dieses System ist ganz einfach: Fast egal was man kauft, alles ist so teuer, dass man sich beim Bezahlen die Augen reibt und fragt, wie sich die Schweizer das leisten können. Ich vermute, die sind hier alle Millionäre und es ist unhöflich zu fragen, woher dieser Reichtum kommt.

Bei Andreas verdrückten wir ein wenig Brot, tranken frisches Quöllfrisch (ein ganz famoses Appenzeller Helles), aßen Käse und pusteten unsere Luftbetten auf und bereiteten alsbald unser Nachtlager verteilt auf alle Zimmer von Andreas Wohnung.

Quöllfrisch am Abend
Quöllfrisch am Abend

Zur luftigen Nacht
Zur luftigen Nacht

Tag 2: In den hydrologischen Hauptfluss gehüpft

In Bern gibt es zwei große Flussbäder: Das Lorrainebad und das Marzilibad. Diese Bäder funktionieren ganz einfach: Man geht an eine Stelle am Fluss, stopft all seine Habseligkeiten und den Großteil seiner Kleidung in einen wasserdichten Sack (einen sogenannten Aaresack) und steigt in den Fluss ein. Alternativ kann man auch samt Sack von einer Brücke in den Fluss springen.

Dann lässt man sich durch die Strömung treiben, kann sich ein wenig auf seinen Auftrieb spendenden Sack stützen oder nach Belieben den Fluss paddelnd kreuzen. So treibt man zehn bis fünfzehn Minuten und kommt – je nachdem, wo man in die Aare sprang – in einem der beiden Bäder an. Dort kann man am Rande des Flusses aussteigen. Man kann entweder gleich zurücklaufen, um die Strecke erneut zu schwimmen oder sich auf die Wiese legen oder Pommes und Quöllfrisch erwerben und sich mitsamt diesen Grundnahrungsmitteln auf die Wiese legen.

Das Ganze sieht in etwa so aus:

Ein Sprung in die Aare (Archivbild von 2018)
Ein Sprung in die Aare (Archivbild von 2018)

Schwimmen in der Aare (auch Archiv, 2018)
Schwimmen in der Aare (auch Archiv, 2018)

Dieser Montag war unser erster ganzer Reisetag in Bern, das Wetter war mit fast 30 Grad und wolkenlosem Himmel ganz großartig und da die Aare ein so zentraler Reiseanlass für uns war, widmeten wir diesen Tag mehr oder weniger ganz dem Fluss.

Morgens brachte uns Andreas erst einmal vier Gipfeli vom Bäcker und wir frühstückten diese mit etwas Kaffee. Gipfeli sind Schweizer Croissants, die man keineswegs „Croissant“ nennen darf, da sie etwas völlig anderes sind. Da sich meine Küchenkünste vor allem auf simple Kuchen und Kekse beschränken und ich von den Feinheiten des Blätterteigbackens keine Ahnung habe, merkte ich von diesem Anderssein aber überhaupt nichts. Schmackhaft waren die Gipfeli auf jeden Fall.

Während des Frühstücks erörterten wir, dass die Aare im eigentlichen Sinne gar kein Nebenfluss des Rheins ist. Die Aare ist nämlich an der Stelle, an der sie den Rhein trifft, der wasserreichere der beiden Flüsse. Deswegen müsste der gesamte Rhein eigentlich Aare heißen, da der Rhein nur der tributäre Fluss ist. Dies sei ein kontroverses Thema in Bern, merkte Andreas an. Etwas später relativierte er, dass es den Bernern einfach so gut gehe, dass man sich seine Kontroversen eben suchen müsse. Und der Streit, dass ein nomineller Nebenfluss der hydrologische Hauptfluss ist, sei eine Kontroverse, auf die sich jeder einigen kann und die keinem weh tut.

Die Aare von oben
Die Aare von oben

Andreas erklärt, welche Berge wir am Horizont sehen (unter anderem Eiger Nordwand und Jungfrau)
Andreas erklärt, welche Berge wir am Horizont sehen (unter anderem Eiger Nordwand und Jungfrau)

Der Aare selbst ist es zum Glück völlig schnuppe, wie sie heißt und sie empfing uns gegen Mittag bei strahlendem Sonnenschein und wohlig warmen Temperaturen. Wir stiefelten von Andreas Wohnung gen Marzilibad, welches von den beiden Berner Flussbädern das deutlich größere ist. Nachdem wir unsere Decken ausgebreitet hatten, liefen wir gleich gut 10 Minuten in Richtung Einstieg, schnürten unsere Aaresäcke und betraten über ein paar Stufen den Fluss. Der hatte etwas über 19 Grad, was sich gerade so hinreichend warm anfühlte und wir paddelten auf den Säcken liegend den Fluss hinab. Nach weiteren 10 Minuten waren wir wieder am Bad, gut abgekühlt und legten uns faul in die Sonne.

So sieht ein Aaresack aus
So sieht ein Aaresack aus

Einstieg in die Aare über Stufen
Einstieg in die Aare über Stufen

Oder einfach springen
Oder einfach springen

Moritz, Frank und ich vor der Aare
Moritz, Frank und ich vor der Aare

Frank, Moritz und Andreas vor der selben Aare
Frank, Moritz und Andreas vor der selben Aare

Es schien, als wäre das Treiben im Fluss und das faule Rumliegen energiezehrend und wir erinnerten uns an die Pommes. Die wirklich richtig guten Pommes – so Moritz – sind die Lorrainepommes im Lorrainebad. Die sollte es einen anderen Tag geben und die Marzilipommes seien auch nicht zu verachten. Wir holten uns ein paar riesige Pommestüten (die auch gleich 7 Franken pro Tüte kosteten) und vertilgten diese auf der Wiese.

Marzilipommes (mit Rinderfett)
Marzilipommes (wahrscheinlich mit Rinderfett)

Pommes, Quöllfrisch und alles ist gut
Pommes, Quöllfrisch und alles ist gut

In Bern sind selbst die Hunde auf der Aare
In Bern sind selbst die Hunde auf der Aare

Es schlossen sich ein paar weitere Besuche der Aare an (Moritz und ich hüpften sogar von einer Brücke über eine Distanz von bestimmt mindestens 3 Metern), wir dösten in der Sonne und schauten uns die im Fluss treibenden Menschen an. Ich las in einem in Andreas Bibliothek entdeckten Buch namens „On Writing Well“ – ein Ratgeber zum guten Schreiben. Dabei lernte ich, dass fast alles, was ich in diesem Blog mache, falsch ist. Vorsorglich bitte ich um Nachsicht!

Wie vier im Selfie-Versuch vor den Bergen
Wie vier im Selfie-Versuch vor den Bergen (die man hier einfach mal gar nicht sieht!)

Als uns Wasser, Wärme und das Wuhling im Bad zu viel wurden, machten wir uns ein paar Stunden später auf den Heimweg. Bei Andreas angelangt, bereitere Frank uns ein einfaches, nichtsdestominder köstliches Mahl bestehend aus Stampfkartoffeln, Gurkensalat und Rührei. Die Gurken kamen sogar aus dem heimischen Forster Garten. Bei mehr Quöllfrisch, Wein und Gin-Elfe ließen wir hernach den Abend ausklingen.

Frank wirkt in der Küche
Frank wirkt in der Küche

Gurkensalat mit Forster Gurken

Tag 3: Lebensfroh und feine Speisen (kein Kielholen)

Eigentlich sollte Tag 3 unser Wandertag werden, aber ein mit zu großer Wahrscheinlichkeit drohendes Gewitter über unserem Wanderweg zwang uns, die Pläne ein wenig zu ändern. Aber was sind wir, wenn nicht flexibel! Also keine Wanderung, sondern spontane Stadtbesichtigung. Tatsächlich gab es einen Ort in der Schweiz, den Frank und ich besser kennen als Moritz und Andreas, trotzdem letzterer seit einigen Jahren hier lebt.

Basel. Die entspannende Rhein-Stadt im Norden der Schweiz war den Beiden fast unbekannt, wir jedoch waren schon mehrmals da, unter anderem mit Franks Eltern drei Jahre zuvor. Nach einem üppigen Frühstück fuhr uns Frank die gut einstündige Strecke, Andreas brachte uns im Auto Childish Gambino musikalisch näher und gegen Mittag lenkten wir unser Automobil in ein Parkhaus in der Baseler Innenstadt.

Frank und ich kennen in Basel mehr oder weniger drei Sehenswürdigkeiten, die wir auch schon Franks Eltern nahegebracht haben. Tinguely-Brunnen, Münster und Rheinterrassen. Diese Dinge zeigten wir auch Andreas und Moritz.

Der Tinguely-Brunnen, auch Fasnachts-Brunnen, ist ein bewegter Brunnen der Lebensfreude mit lauter kleinen Elementen, die sich mit Motorenantrieb drehen, heben oder umstülpen. Der Brunnen wabert ganz entspannt vor sich hin und um ihn herum fanden wir praktisch ausschließlich Einheimische, die dort ihr Mittagbrot verspeisten. Das alles wirkte spielerisch und beruhigend.

Tinguely-Brunnen

Nachdem wir genug von dem bewegten Brunnen hatten, führte uns Frank durch ein paar Altstadtgässchen gen Baseler Münster, einem ab 1019 gebauten Gotteshaus. Das innere des protestantischen (und entsprechend wenig lebensfrohen) Kirchenschiffs ist zu langweilig, um hier näher beschrieben zu werden, aber die Türme des Münsters sind ganz vorzüglich. Diese kann man nämlich besteigen und von oben fast ganz Basel, den Rhein und das Baseler Land sehen. Der Aufstieg ist ein kleines Erlebnis für sich, läuft man doch durch ein bestenfalls mannsbreites, gewundenes Treppenhaus, das eigentlich schon für den Verkehr in eine Richtung zu eng ist. Hier gibt es sogar noch die erweiterte Schwierigkeit, dass es Gegenverkehr geben kann und man in kleinsten Nischen des Treppenhauses Zuflucht suchen muss, so dass man sich gegenseitig passieren kann. Als wir vor drei Jahren mit Franks Eltern hier hinaufkletterten, hatten wir mehrere dieser bemerkenswerten Passiersituationen, doch da wegen Corona weit weniger Touristen in Basel weilten, waren wir diesmal die einzigen Gäste auf dem Turm und hatten freie Passage.

Klettern auf das Münster
Klettern auf das Münster

Enge Außengänge
Enge Außengänge

Blick auf den Rhein
Blick auf den Rhein

200 Stufen waren es bis auf die Spitze des Münsters und nach dem Abstieg hatten wir das Gefühl, uns im Grunde schon hinreichend viel für die erste Hälfte des Tages betätigt zu haben. Also suchten wir im hippen Studentenviertel von Basel ein vegetarisches Kichererbsen-Lokal auf, vertilgten dort ganz viel Moussaka, Hummus, Falafelbällchen und Club Mate. Ich genehmigte mir ein Guinness. Es war schließlich Urlaub!

Bis auf einen kleinen Rest Guinness war alles vertilgt
Bis auf einen kleinen Rest Guinness war alles vertilgt

Auf dem Rückweg in die Baseler Innenstadt standen wir vor den Rheinterrassen, an denen es auch möglich ist, sich durch das Wasser treiben zu lassen. Auch hier machen die Leute das mit einem wasserdichten Sack – der hier wahrscheinlich Rheinsack und nicht Aaresack heißt. Im Gegensatz zur entspannten Berner Aare ist der Rhein beschifft, mit richtig großen Kähnen. Das heißt, hier hat man – wenn man des Schwimmens nicht so mächtig ist – die Möglichkeit, Kielholen einmal ganz direkt erleben. Moritz wollte das Rheinschwimmen gerne ausprobieren, aber so recht konnte er keinen von uns von dieser Idee begeistern.

Eher ließen wir uns dazu hinreißen, eine der Rheinfähren auszuprobieren. Die Rheinfähren sind ganz wunderbare Einrichtungen, die Menschen und Fahrräder über den Rhein transportieren. Die Fähren funktionieren ausschließlich über die Kraft der Strömung des Rheins, ohne Motor und Antrieb.

Zugfähre über den Rhein ("Fääri" heißt das hier)
Zugfähre über den Rhein (“Fääri” heißt das hier)

Es gibt ein schönes, englischsprachiges Video von Tom Scott, welches das Prinzip dieser Fähren anschaulich erklärt:

Im strahlenden Sonnenschein schlenderten wir durch die Baseler Innenstand hernach zum Wagen zurück und fuhren zurück gen Bern. Da wir Moritz schon den Rhein verweigerten, machten wir zumindest einen kleinen Abstecher zu der Aare, genauer gesagte zum Lorrainebad. Dort sprangen wir einmal in die selbige, die diesen Tag schon 22 Grad hatte und freuten uns im Wasser des Lebens.

Da wir mit dem „des Lebens freuen“ noch nicht so ganz fertig waren, gingen wir zum Abend noch fein essen. Andreas hatte uns das Restaurant Lorenzini ausgesucht, einen eigensinnigen (aber guten) Italiener in der Berner Innenstadt. Dort verspeisten wir Büffelmozzarella, Vitello Tonnato, Cappelletti (quasi vegetarische Tortellini), Saltimbocca, Rissotto und eine fantastische Zitronentarte. Andreas meinte, der Schweizer würde eine so gute Tarte eine „feine Speise“ nennen – wahrscheinlich eine der höheren Auszeichnungen dieses Sprachraums. Auf jeden Fall war das Essen und der Kuchen ganz famos und beglückend. Wein, Bier und Aperol taten ihr übriges und gut beseelt machten wir uns am späten Abend auf den Heimweg zur Unterkunft, um dort die Weinreise für den nächsten Tag zu planen.

Die Rasselbande wartet auf die feinen Speisen

Vitello Tonnato

Büffelmozzarella mit Tomaten
Büffelmozzarella mit Tomaten

Saltimbocca (oder auf deutsch: Spring in den Mund)
Saltimbocca (oder auf deutsch: Spring in den Mund)

Risotto mit Waldbeeren
Risotto mit Waldbeeren

Eine Zitronentarte, die so gut war, dass wir fast vergessen hätten, sie zu fotografieren
Eine Zitronentarte, die so gut war, dass wir fast vergessen hätten, sie zu fotografieren

Blick auf Bern und Aare im späten Abendlicht
Blick auf Bern und Aare im späten Abendlicht

Tag 4: Angehende Weinconnoisseure am See Großes Wasser

Seit 1964 findet in Montreux am Genfer See alljährlich ein Jazzfestival statt, welches viele Jahre eines der wichtigsten Jazz-Events weltweit war. Chuck Berry, B.B. King, Sten Getz und Count Basie kamen nach Montreux und Miles Davis spielte hier zwei Monate vor seinem Tod im Jahre 1991.

Nun schauten wir auch einmal vorbei. Schon vor zwei Jahren erwägten wir einen Abstecher an den poschen Urlaubsort an der Westseite des Genfer Sees, aber uns fehlte die Zeit. Diesmal nicht. Diesmal waren Montreux, Genfer See und Weinverkostung eingeplante Ordnungspunkte unseres vierten Reisetags und um für alles genug Zeit zu haben, fuhren wir geschwind nach dem Frühstück los.

Frank steuerte uns sicher zur Promenade von Montreux und nachdem wir dort aus dem Parkhaus stiegen, erörterte Andreas (der vor drei Jahren mit Moritz bereits einmal da war): „So, hier ist es schön!“.

Gründerzeitbau an der Promenade von Montreux
Gründerzeitbau an der Promenade von Montreux

Genfer See vor Montreux

Frank vor der Freddy-Mercury-Statue
Frank vor der Freddy-Mercury-Statue

Montreux Musique & Convention Centre

Promenade, Dreierbande, Genfer See und Alpenpanoramo

Recht hatte er. Die Promenade von Montreux ist ziemlich genau so, wie man sich „Schweiz“ vorstellt: sauber, ein klein wenig kitschig, ein blauer See mit klarem Wasser und am Horizont ganz viele Alpen. Nur sprachen die Leute hier plötzlich Französisch. Aber das sollte man im französischsprachigen Teil der Schweiz vielleicht auch erwarten.

Wir liefen die Promenade einmal hinauf, einmal hinab, besichtigten (von außen) das Montreux Musique & Convention Centre, das Gebäude in dem die meisten der Konzerte des Jazz-Festivals stattfinden. Zwischendurch genehmigten wir uns noch ein Eis, wobei vor allem ich mit einem dunklen Schokoladensorbet einen absoluten Volltreffer gelandet hatte. Schokoladig, vollmundig, prickelnd und ganz ohne Milch und deswegen immer noch erfrischen – ein ganz famoses Sommereis.

Viermal Eis!
Viermal Eis!

Nach einer Stunde an der Promenade von Montreux stellte ich fest, dass es jetzt auch schön genug war und auch Andreas und Moritz, die weitere Teile der Stadt kannten, versicherten uns, dass der Rest von Montreux nicht zu sehenswert sei und wir fuhren zum nächsten Ausflugsziel, zum Wein.

Den Wein fanden wir in der Domaine Neyroud-Fonjallaz in dem kleinen Örtchen Vigneron-Encaveur, ein paar Straßenschlaufen oberhalb von Montreux. Als wir gegen 13.30 Uhr dort anlangten, teilte uns ein netter Herr auf französisch mit, wir mögen bitte später wiederkommen. Wahrscheinlich waren wir schon südlich genug, dass „Siesta“ ein relevantes Konzept der Lebensführung ist. Zu Recht, denn in der Mittagsstunde war es drückend heiß. Wir vertrieben uns die Zeit und fuhren einen Ort weiter, wo Frank eine Self-Service-Station zur Weinverkostung fand. Die bestand aus einem Kühlschrank mit lauter Weinflaschen, Preisangaben und einer Station mit Kartenzahlung. Die Idee war, dass man den Kühlschrank öffnet, trinkt und kauft und dann nach Vertrauensprinzip zahlt. Verrückt! Sympathisch! Aber ich merkte an, dass essentieller Bestandteil einer guten Weinverkostung immer eine nette – meistens ältere – Dame ist, die einem die Weine serviert und erklärt, was man da grade trinkt. Also keine Self-Service-Verkostung.

Self-Service Weinverkostung
Self-Service Weinverkostung

Wir fuhren wieder zur Neyroud-Fonjallaz Domaine et voilà, diesmal wurden wir empfangen und wie von den Weinverkostungen in Frankreich gewohnt, war es tatsächlich eine Dame mittleren Alters, die uns zunächst kurz die Geschichte des Gutes erklärte (seit 1906 in Familienbesitz und offenbar geschickt durch Eheschließungen familiär vergrößert), den Weinkeller zeigte und hernach insgesamt sieben oder acht Weine darbot. Den ersten fand ich ganz scheußlich bitter und grießgrimmig, wohingegen Frank ganz angetan von dem Weißwein ohne Restsüße war. Danach gab es buttrig schmeckende Weißweine, fruchtig-saure Rotweine und einen Rotwein, der einem so voll im Mund klebte, dass man ihn eigentlich nur zu Blauschimmelkäse trinken kann.

Besichtigung des Weinkellers
Besichtigung des Weinkellers

Innenraum der Domaine
Innenraum der Domaine

Auf dieser Terrasse verkosteten wir (nach dem Schaukeln) den Wein
Auf dieser Terrasse verkosteten wir (nach dem Schaukeln) den Wein

Die Funktionsweise dieser Verkostungen ist übrigens ganz einfach. Man gibt den potentiellen Kunden so viel zu trinken, dass sie ganz selig werden und dann kaufen sie von ganz alleine zahlreiche Flaschen. Das hat bei uns auch gut funktioniert, wobei die Weine tatsächlich einen sehr einzigartigen Charakter haben und uns sicherlich noch lange gefallen werden. Auch Andreas und Moritz – die nach meiner Einschätzung noch keine erklärten Weinconnoisseure sind – konnten dem Zinnober genug abgewinnen, um selbst ein paar Flaschen für den noch anzulegenden Weinkeller zu erwerben. Mit etwas Glück können wir sie das nächste mal mit nach Frankreich nehmen, um dort dann in Krankenhausmengen Weine zu kaufen.

Gruppenbild mit Wein
Gruppenbild mit Wein

Andreas und Moritz planen Erwerbungen für den zukünftigen Weinkeller
Andreas und Moritz planen Erwerbungen für den zukünftigen Weinkeller

Weinterrassen am Lac Léman
Weinterrassen am Lac Léman

Weintraube mit Aussicht
Weintraube mit Aussicht

Ich war nach dem vielen Wein zwar minimal angetüddelt, aber sicherlich noch unter dem erlaubten Alkohollimit und wir fuhren zur Abkühlung nach Bourg-en-Lavaux, an den Plage de Cully. Dort sprangen wir in den Genfer See, der im Original gar nicht so heißt, sondern den Namen „Lac Léman“ trägt. Der Name ist tausende Jahre alt und ein doppelt gemoppelter Pleonasmus. „Lacus“ kommt aus dem Lateinischen und heißt See. „Leman“ kommt aus dem Keltischen und heißt soviel wie „großes Wasser“. Unabhängig des Namens fühlten wir uns im und am See großes Wasser sehr wohl und vor allem Frank drehte ein paar Runden im Nass, während ich vor allen das Panorama genoss und ein paar Minuten auf der Kaimauer ruhte.

Ich plansche im großen Wasser
Ich plansche im großen Wasser

Frank schwimmt weiter hinaus
Frank schwimmt weiter hinaus

Nach dem Bad stellten wir fest, dass wir alle Punkte des Tages abgearbeitet hatten und ich fuhr das Automobil wieder gen Bern, wo uns Frank einen Tomatensalat (mit Forster Tomaten) bastelte und wir diesen mit etwas Brot verdrückten. Lang wurde der Abend nicht, denn der Folgetag sollte unser großer Wandertag werden.

Tag 5: Wandertag

Regelmäßig wird auf Reddit oder anderen Internetforen gefragt, was ein günstiges Hobby ist, das ohne viel Geld viel Spaß macht. Fast immer wird Wandern an einer der ersten Stellen genannt. Es ist offensichtlich, dass diese Antwort nur von Menschen außerhalb der Schweiz oder von Menschen, die ganz spezielle Vorstellungen von „ohne viel Geld“ haben, gegeben werden kann. Denn das Wandern ist hier erstaunlich teuer. Wir haben für unseren Wandertag 190 Schweizer Franken bezahlt. Das meiste davon für Transport von und zur Wanderung.

Trotz des Preises ist das Wandern hier natürlich herausragend schön, wie uns Andreas schon 2018 aufzeigte, als er uns von der Schynigen Platte über das Faulhorn nach First leitete. Die Wanderung war optisch bombastisch – Berge, Kühe, Auen, Seen, Schnee und durchgehend lief man an Postkartenmotiven vorbei. Aber die damalige Wanderung war gleichzeitig recht einfach, nur ein paar lumpige hundert Höhenmeter und kaum anstrengende Passagen. Diesmal sollte uns in dieser Hinsicht ein etwas anderes Programm geboten werden.

Aber der Reihe nach. Denn im Hause Klöhn gibt es keinen Wandertag ohne belegte Brote. Diese wurden schon am Abend zuvor vorbereitet und mit reichlich Mayonnaise, Salat, Käse und diversen Aufschnitten belegt. Nachdem ich mir die abgeschlossene Produktion am Abend anschaute, kam ich ins Grübeln, ob ich den Leuten weiterhin sagen sollte, dass ich „eigentlich“ vegetarisch esse. Die Brote waren in etwa so vegetarisch wie die Wiener Würstchen, die Micha uns im Tennisclub serviert. Also gar nicht.

Wurstbrote belegen am Abend
Wurstbrote belegen am Abend

Die Nacht vor der Wanderung war kurz, denn in der Schweiz wird früh losgewandert. Tatsächlich hieß dies in meinem Falle, Aufstehen um kurz nach sechs Uhr morgens. Moritz stand schon eine halbe Stunde vorher auf und verbrachte eine Viertelstunde unter der Dusche. Kurz nach halb Sieben fuhren wir los zum Ausgangspunkt der Wanderung, dem Örtchen Kandersteg, einem verschlafenen Dorf an der Kander und dem Öschibach.

In Kandersteg wurde aber nicht gleich gewandert, sondern wir mussten erst zur Wanderung gefahren werden. Diese Fahrt fand in einem Bus statt. Der „Bus“ war in diesem Fall ein oller Kastenwagen mit ein paar Sitzplätzen hinten drin und die Fahrt muss – in Ermangelung eines besseren mir parat liegenden Wortes – als „durchrüttelnd“ bezeichnet werden. Unser Fahrer, ein älterer Herr mit imposantem Vollbart, fuhr eine Gasse, die kaum breiter als das Gefährt war und die sich durch Wälder, entlang gewundener Gebirgspässe und durch Tunnel bei denen man links und rechts das Gestein berühren konnte. Dabei fuhr unser Fahrer allerdings mit Bundesstraßentempo. Ich vermutete, dass bei solchen Routen eine einfache Regel gilt: Der Fahrer ist gut. Denn alle schlechten Fahrer sind irgendwann links oder rechts runtergefallen und fahren nicht mehr.

Bild aus dem "Bus"
Bild aus dem “Bus”

Unser Fahrer war auf jeden Fall gut genug und nach rund 25 Minuten Fahrt wurden wir beim Berghotel Gasterntal in Selden abgesetzt. Dort zuppelten wir unser Gepäck zurecht, schauten uns einmal in die Augen und stiefelten knapp 1.300 Meter nach oben zur Lötschepasshütte.

Die Jungs richten ihr Gepäck
Die Jungs richten ihr Gepäck

Am Anfang dachte ich mir noch, wie anstrengend kann das schon sein, ein bisschen über einen Kilometer nach oben laufen? Ich staunte nicht schlecht, dass mein Körper zwischendurch deutlich anmerkte: Ganz schön anstrengend! Der Weg war absolut keine gemütliche Wanderung durch Schweizer Wälder und über Wiesen, sondern ging einfach mehr oder weniger 5 Kilometer steil bergauf.

Erstes Ziel war die Gfelalp, bis zu der wir gute 300 Höhenmeter im Wald zurücklegten. Dort schmierten wir uns mit Sonnencreme ein und machten viel zu viele Selfies, bevor wir weiterstiegen. Entlang des Schönbüel ging es zur Balme, wobei wir irgendwann die Baumgrenze hinter uns ließen, aber immer noch hier und da eine Kuh neben uns fanden.

Die Kühe wandern hier quasi mit
Die Kühe wandern hier quasi mit

Erste Station Gfelalp
Erste Station Gfelalp

Blick beim Abstieg
Blick vor der Gfelalp

Gar kein so einfacher Aufstieg
Gar kein so einfacher Aufstieg

Wasserfall! Ein Urlaub ist kein richtiger Urlaub ohne Wasserfälle!
Wasserfall! Ein Urlaub ist kein richtiger Urlaub ohne Wasserfälle!

Dieses Postkartenmotiv begleitete uns während des Aufstiegs (zumindest, wenn wir genug Luft zum Umdrehen und nach hinten Sehen hatten)
Dieses Postkartenmotiv begleitete uns während des Aufstiegs (zumindest, wenn wir genug Luft zum Umdrehen und nach hinten Sehen hatten)

Nach gut zwei Stunden hatten wir rund 800 Höhenmeter zurückgelegt und standen kurz vor dem Lötschegletscher. Diesen hatten wir zu queren, aber davor gab es erst einmal ein wenig Stärkung. Es gab die erste (von drei) Runden belegter Brote und ein paar Müsliriegel.

Wurstbrotpause am Berg
Wurstbrotpause am Berg

Danach querten wir den Gletscher, wobei wir tatsächlich ein paar Gletscherspalten entdeckten, die uns aber nicht gefährlich werden konnten. Andreas erklärte, dass dies früher eine anspruchsvollere Querung gewesen sei, weswegen die Wanderung in alten Reiseführern noch als weiß-blau-weiße Alpinwanderung geführt wurde (das muss soviel wie „ganz schön anspruchsvoll“ heißen). Dank des Klimawandels ist der Gletscher nicht mehr so gefährlich, eigentlich sogar gar nicht mehr und die Wanderung wurde auf eine Bergwanderung (T3) zurückgestuft. Ich weiß nicht genau, was T3 heißt, aber vermutlich nur noch „für Rollis nur bedingt geeignet“. Geschnauft haben wir jedoch trotz Rückstufung.

Nach der Querung mussten wir noch die Seitenmoräne des Gletschers erklimmen, wobei wir eine Felsstufe nur über Seile besteigen konnten. Zum Glück hatten wir alle genug Kraft in den Armen.

Gletscher mit Gletscherspalte und Andreas und Moritz
Gletscher mit Gletscherspalte und Andreas und Moritz

Frank macht Selfie am Gletscher
Frank macht Selfie am Gletscher

Irgendwann kurz vor Mittag hatten wir es dann bis zur Lötschepasshütte geschafft. Da haben die Schweizer tatsächlich mitten auf dem Pass eine Gasthütte mit Zimmern, Gastronomie und Klo errichtet. Und da die Hütte nun schon einmal da war, machten wir es uns dort auf der Terrasse erst einmal gemütlich und bestellten Kaffee, Wein, Bier (Gipfelbier, wie Andreas anmerkte) und schauten uns die umliegenden Berge an, die leider ein klein wenig in den Wolken hingen. Wir hätten auch Essen bestellen können, „Rösti“ wie Moritz anmerkte, aber wir verzichteten auf weitere gekaufte kulinarische Genüsse. Wir hatten schließlich Brote im Rucksack und diese wollten später noch gegessen werden.

Bier, Wein und Brause zur Stärkung
Bier, Wein und Brause zur Stärkung

Lötschepass Berghütte
Lötschenpass Berghütte vor dem Balmhorn

Dieser merkwürdig geflochtene Berg heiß übrigens Gitzifurggu
Dieser merkwürdig geflochtene Berg heiß übrigens Gitzifurggu

Nachdem wir genug von dem Bergpanorama hatten, machten wir uns an den Abstieg. Dabei verwanderten wir uns einmal kurz und mussten rund 20 Minuten Abstieg wieder hinaufsteigen, nur weil wir einen völlig unscheinbaren Abzweig verpasst hatten. Während des Rückaufstiegs passierte uns das erste Mal eine Regenwolke und wir wurden erst nass und dann warf die Wolke auch noch Hagelkörner auf uns runter. Wir verbuchten das als „Erlebnis“ und nachdem wir den rechten Weg gefunden hatten und es mit dem Regen aufhörte, machte wir gleich wieder Pause, um erst einmal die zweite Runde Brote zu essen.

Nach den Broten folgte ein vergleichsweiser unspektakulärer Abstieg. Es war nicht zu steil, die Ansicht änderte sich kaum und nur der eine oder andere passierende Regenschauer machte uns ein wenig zu schaffen.

Über ein paar Steine mussten wir beim Abstieg aber schon klettern
Über ein paar Steine mussten wir beim Abstieg aber schon klettern

Regenwolken am Ende der Wanderung
Regenwolken am Ende der Wanderung

Und noch ein paar Kühe
Und noch ein paar Kühe

Selfie am Ende der Reise
Selfie am Ende der Reise

Am mittleren Nachmittag erreichten wir die Lauchernalp, rund 700 Höhenmeter unterhalb des höchsten Punktes unserer Wanderung. Dort angekommen war nach etwas über 7 Stunden die Wanderung erst einmal zu Ende, aber der Heimweg sollte sich über drei öffentliche Verkehrsmittel und eine Autofahrt erstrecken.

Von der Lauchernalp verkehrt eine Seilbahn ins Tal nach Wiler. Die Seilbahn verkehrt nur alle halbe Stunde und just als wir ankamen, fuhr uns eine Bahn davon. Aber das war gar kein Problem, denn so konnten wir die dritte Wurstbrotpause an der Seilbahnstation einlegen und alle abgelaufenen Kalorien gleich wieder aufnehmen. Gemessen an der Menge von Mayonnaise auf den Brötchen haben wir die Wanderung vielleicht sogar mit einem Kalorienüberschuss beendet.

Wanderdatenauswertung
Wanderdatenauswertung

Nach unserer Wurstbrotpause kam die Seilbahn, fuhr uns nach Wiler und dort stiegen wir in den Bus nach Goppenstein und in Goppenstein war der Bahnhof das Ziel. Dort fuhr uns ein Zug zurück nach Kandersteg, wo unser Auto mehr oder weniger direkt am Bahnhof geparkt war. Seilbahn, Bus, Bahn – und alle drei waren pünktlich. Die Schweizer wissen auf jeden Fall, wie man ÖPNV macht.

Den privaten Teil des Nahverkehrs übernahm ich und ich fuhr die drei Jungs und mich sicher nach Bern zurück, wo Frank uns bereits zwei Tage zuvor vorbereitere Bolognese warm machte und wir uns mit Wein und Qöllfrisch (kein Tag ohne Quöllfrisch!) abends entspannten.

Tag 6: Mehr Pommes und die falsche Mayo

Nach dem ganzen Gewandere, den Aufstiegen, Abstiegen und dem Hagel vom Vortag brauchten wir erst einmal einen Tag Urlaub. Zum Glück waren wir in Bern, wo man ganz vorzüglich Urlaub machen kann. Wir waren schließlich hergefahren, um in der Aare zu treiben und Pommes zu essen. Genau das machten wir an unserem sechsten Reisetag, dem Freitag vor dem Schweizer Nationalfeiertag.

Nachdem wir die Anstrengungen des Vortags im Bett wegschliefen, gab es ein kleines Frühstück und schon waren unsere Ruck- und Aaresäcke gepackt und wir machten uns auf an den Fluss. Erstes Tagesziel war (wie schon am Anfang der Woche) das Marzilibad, weil man dort so schön entspannt unter Bäumen im Halbschatten liegen kann. Vor dem Liegen kam natürlich das Treiben. Diesmal trabten wir allesamt vom Bad ganze 15 Minuten bis zum Campingplatz Eichholz, um dort ins Wasser zu steigen. Die Aare hatte einen guten Zug drauf und in rund 12 Minuten waren wir bis zum Bad zurückgetrieben, stiegen aus und legten uns unter die Bäume in den Schatten.

Die Aare-Crew vor dem Einstieg ins Wasser
Die Aare-Crew vor dem Einstieg ins Wasser

Ich las ein wenig in dem von Andreas geliehen Buch über das gute Schreiben (und lernte, dass man keine passiven Verben, Adjektive nur im Notfall und das Wort „sehr“ am besten gar nicht benutzen sollte). Während Moritz sich in eine Ausgabe des New Yorker vertiefte, blätterte Frank ein wenig in dem jüngsten Noam Chomsky und Andreas kontemplierte ohne Buch.

Liegen, Lesen und Schatten sind schön, aber schöner noch sind – zumindest im Urlaub und bei 30 Grad – Pommes, Currywurst und Bier. Also holten wir uns diese Dinge am frühen Nachmittag und genossen ein Mittagbrot, das vielleicht nur bedingt gesund, aber vorzüglich wohlschmeckend war. Da wir schon vor dem Mittag lange Zeit faul rumgelegen hatten, verzichteten wir auf die Mittagsruhe nach dem Essen und machten uns erneut auf den Weg zum Einstieg in die Aare. Diesmal liefen wir nur bis zum Schönausteg (rund 12 Minuten zu Fuß vom Bad) und hielten unsere vollgegessenen Bäuche in das Wasser.

Schlemmen im Gras
Schlemmen im Gras

So voll wird das Marzilibad im Laufe des Nachmittags
So voll wird das Marzilibad im Laufe des Nachmittags

Nun hätte man den Nachmittag entspannt unter den Bäumen im Marzilibad ausklingen lassen können, aber das ging nicht. Denn wir hatten dem Reisebericht (und uns natürlich auch) schon am ersten Tag Pommes aus dem Lorrainebad versprochen. Also klang der Nachmittag noch nicht gemütlich aus, sondern wir schnürten unsere Säcke und liefen entlang der Aare einmal um die Berner Altstadt herum, was uns einen attraktiven Ausblick auf die Stadt und den Fluss bescherte.

Hier wird "ausgeböötelt"
Hier wird “ausgeböötelt”

Blick auf das Wehr der Aare
Blick auf das Wehr der Aare

Berner Altstadt
Berner Altstadt

Doppel-Selfie vor der Altstadt
Doppel-Selfie vor der Altstadt

Aare und Bern
Aare und Bern

Die drei Jungs waren irgendwann des Laufens müde und sprangen kurzerhand nach der Hälfte des Weges in den Fluss, um bis zum Lorrainebad zu schwimmen. Mir ist der feste Boden unter den Füßen in der Regel weit lieber als lauter Wasser um mich herum und außerdem wollte ich mich noch ein wenig in der Sonne aufwärmen. Also lief ich zu Fuß.

Allerdings lief ich nur ein paar hundert Meter weiter bis zum Altenbergsteg, wo ich die neu entdeckte Zeitrafferfunktion meiner Telefonkamera ausprobieren wollte. Auf dem Steg – eine Brücke rund 3 Meter über der Aare – stand eine Gruppe junger Menschen, die irgendwie planten, nacheinander von der Brücke ins Wasser zu springen. Das hätte sich perfekt für einen schönen Zeitraffer angeboten. Aber mehr als Planung kam bei den Jungs und Mädels nicht raus und während ich dastand und wartete, fühlte ich mich genug aufgeheizt, dass auch ich noch einmal ins Wasser wollte. Das ist hier in Bern glücklicherweise die einfachste Übung. Ich stopfte meine Klamotten in den Aaresack, stellte mich auf das Geländer der Brücke und tat das, was die anderen immer noch nur planten.

Im Lorrainebad wartete Frank auf mich und wir kamen nun endlich dazu, das zu tun, wovon ich schon 5 Tage zuvor geschwärmt hatte: Lorraine-Pommes essen. Endlich wieder Pommes! Ich weiß gar nicht, wie wir die 3 Stunden ohne Fritten überstanden hatten. Aber irgendwie waren die Lorraine-Pommes gar nicht so gut, wie ich sie in Erinnerung hatte. Es gab keine richtige Mayonnaise (nur komische Curry-Mayonnaise) und klebrig waren die Pommes auch. Bitte nicht falsch verstehen, die Pommes waren immer noch gut und viel besser als die Kartoffelniedertrachten, die wir am ersten Reisetag kurz hinter Bad Hersfeld bekamen. Aber in meiner Erinnerung waren die Lorraine-Pommes besser. Aber vielleicht waren wir auch nur durch die – bemerkenswert guten – Pommes aus dem Marzilibad verwöhnt.

Lorraine-Pommes mit der falschen Mayo
Lorraine-Pommes mit der falschen Mayo

Wiese des Lorraine-Bads
Wiese des Lorraine-Bads

Ausruhen von den ganzen Pommes
Ausruhen von den ganzen Pommes

Nach noch ein wenig mehr Schwimmen und Ruhen ging es zurück nach Haus, wo wir Bolognesereste vom Vortag verdrückten und danach führte uns Andreas zu der Gelateria die Berna, die nicht weit ab seiner Wohnung liegt und die bei der ich abseitiges Eis bestellten durfte: Gurke-Sellerie und Himbeere-Ingwer. Wir alle hatten etwas ungewöhnliche Sorten bekommen, fanden das Eis ganz dufte und ließen den lauen Sommerabend auf einer Parkbank ausklingen, während im Hintergund halb Bern vor den Fernsehgeräten saß und mit den Young Boys mitfieberten, die mit einem Sieg gegen den FC Sion ihre nächste Meisterschaft klarmachten.

Gurken-Eis am Abend
Gurken-Eis am Abend

So viel zu den Preisen hier - in Berlin kosten Masken 4 bis 6 Euro. Hier einfach mal 25 Franken...
Neben dem Eisladen war übrigens ein Schneider. So viel zu den Preisen hier – in Berlin kosten Masken 4 bis 6 Euro. Hier einfach mal 25 Franken…

Tag 7: Wasser von oben und von unten

Unser siebter Reisetag war der 1. August, der Schweizer Nationalfeiertag. An diesem Tag feiern die Schweizer traditionell die Meisterschaft der Young Boys Bern. Zumindest mochte man dies des nachts meinen, denn nachdem der Verein, dessen Stadion keine 500 Meter von Andreas‘ Wohnung entfernt ist, am Abend zum dritten Mal in Folge Schweizer Meister wurde, wurde in den Straßen kräftig gefeiert – mit Feuerwerk und Gejohle bis in die Morgenstunden. In der Stadt erklärten tags drauf zahlreiche Schilder und Plakate, es sei „geyoungboyst“ worden (eine absurde Verballhornung des ohnehin schon etwas ungewöhnlichen Vereinsnamens und so genau wissen wir nicht, was das heißen soll).

Wir feierten die Meisterschaft etwas verhaltener, gingen nicht zu spät ins Bett und versuchten, trotz des Lärms ein wenig zu schlafen. Das ging bestenfalls mäßig und kurz nach Acht standen wir alle wieder auf, um unseren letzten Berner Reisetag vorzubereiten.

Diesen Samstag wurde, wie schon am Nationalfeiertag vor zwei Jahren, geböötelt. „Bööteln“ heißt nicht mehr als „Boot fahren“ – Schlauchboot; auf der Aare; über eine Strecke von über 30 Kilometer. Für die Fahrt schmierten wir uns abermals reichhaltige Sandwiches mit fast 100 Gramm Mayonnaise pro Person – also wieder vor allem schmackhaft und höchstens in zweiter Linie gesund.

Mit den Brötchen, einer guten Menge kalten Quöllfrischs und unseren Aaresäcken ausgestattet, machten wir uns auf zum Bahnhof, wo uns ein voller Zug nach Thun fuhr. Thun ist gut 30 Kilometer südöstlich von Bern, liegt am Thunersee und die Aare fließt durch See und Ort hindurch. Hier hatten wir ein Schlauchboot angemietet, welches uns über einen Zeitraum von rund zweieinhalb Stunden von Thun nach Bern schiffte.

Bahn in Thun mit lauter Böötlern
Bahn in Thun mit lauter Böötlern

Anstehen zum Bööteln
Böötlestau

Wir waren keineswegs die einzigen Böötler, die mit dem Schlauchboot von Thun nach Bern wollten und schon auf der Straße stauten sich die Boote, bevor sie ins Wasser gelassen wurden. Schon vor zwei Jahren erlebten wir das Spektakel und den Bootsstau auf der Straße. Damals funktionierte das Ins-Wasser-Lassen des Bootes problemlos, diesmal hatten wir den ersten Unfall noch auf der Straße. Beim tragenden Manövrieren des Bootes auf dem Asphalt schob sich das Gefährt so dämlich über meinen Fuß, dass es den Nagel meines linken großen Zehs löste und dieser sich auf und zuklappen ließ. Das war eine erstaunlich schmerzhafte Erfahrung und nachdem ich mir die Misere genauer angeschaut hatte, wurde mir tatsächlich kurz schwarz vor Augen. Zum Glück hatte Andreas Tape dabei und wir konnten den Nagel erst einmal notdürftig umwickeln. So fiel er nicht gleich ab und ich musste mir das blutige Schauspiel nicht weiter ansehen.

Danach schafften wir es glücklicherweise problemlos, das Boot zu Wasser zu lassen und ich konnte meinen Fuß in der Aare kühlen. Dazu gab es Schmerzmittel in Form eines Quöllfrisches und wir nahmen Fahrt mit der Strömung auf.

Viele Boote, viel Wasser
Viele Boote, viel Wasser

Während wir zwischen mehreren anderen Booten friedlich dahintrieben, ein paar von Andreas fantastischen, hartgekochten Eiern aßen und uns des böötelns freuten, zogen mehr und mehr viel zu dunkel aussehende Wolken auf. Andreas prognostizierte noch, dass wir „keinen einzigen Regentropfen abbekommen“ werden und zu gerne hätten wir ihm geglaubt. Aber kaum war die Prognose ausgesprochen, kamen die ersten Tropfen und kurz danach entwickelte sich der Regen zu einem statthaften Sommergewitter. Wir paddelten gut 20 Minuten durch den Regen, fingen tatsächlich an zu frieren und zogen uns zum Wärmen Rettungswesten an.

Aare unten, Regen oben
Aare unten, Regen oben

Regen ist gar nicht so schlimm! Nicht, wenn man so eine Sonnenbrille hat.
Regen ist gar nicht so schlimm! Nicht, wenn man so eine Sonnenbrille hat.

Zum Glück hatten die Wolken ein Einsehen und ließen alsbald von uns ab. Die Sonne bahnte sich einen Weg, trocknete unsere nassen Klamotten und wir konnten uns bei nunmehr bestem Wetter an den Sandwiches und mehr Quöllfrisch erfreuen. Die drei Jungs machten der Reihe nach allesamt einen Abstecher ins Wasser, nur ich blieb an Bord. Schließlich war ich Kapitän (mit vor zwei Wochen gemachtem Bootsführerschein!) und schwer verletzt. Verletzte Kapitäne gehen nicht von Bord.

Moritz im Wasser
Moritz im Wasser

Frank bootet aus
Frank bootet aus

Andreas mit Sonnenbrille in der Aare
Andreas mit Sonnenbrille in der Aare

Einmal Kleidung trocknen
Einmal Kleidung trocknen

Der Kapitän bleibt an Bord!
Der Kapitän bleibt an Bord!

Aare mit Booten
Aare mit Booten

Ein Flamingo
Ein Flamingo

Nach vielen Brücken, Kurven und Stromschnellen in der Aare erreichten wir den uns schon bekannten Campingplatz Eichholz, wo wir das Boot anlandeten und zum Verleih trugen. Damit war unser Bööteln zu Ende und jetzt mussten wir wieder selbst schwimmen. Wir stopften all unsere Dinge in die Aaresäcke und warfen uns wieder ins Wasser, um zum Marzilibad zu schwimmen.

Dort setzen wir uns auf einen der wenigen freien Flecken auf der Wiese, tranken ein übrig gebliebenes Quöllfrisch, schauten uns das überaus geschäftige Treiben um uns herum an und begaben uns in gemütliche Horizontalstellung.

Am späten Nachmittag konnte ich Frank überreden, endlich einmal selbst von dem Schönausteg in den Fluss zu springen, während Andreas und Moritz sich schon auf den Heimweg begaben.

Später zu Hause angekommen, machten wir uns alle fein und ausgehbereit, denn ein letztes Mal sollte es schönes Abendessen geben – diesmal im Restaurant Kirchenfeld. Das war hinter der Berner Altstadt (für uns quasi zweimal über die Aare rüber) in einem Berner Stadtteil, der am ehesten mit dem Berliner Charlottenburg vergleichbar ist.

Auf alle Fälle speiste man im Kirchenfeld mondän und nobel. Weil die Sandwiches im Boot noch nicht genug Nahrung für den Tag waren (trotz 100 Gramm Mayonnaise), bestellten wir erst einmal Vorspeisen. Zumindest die von Frank und mir war aufregend ungewöhnlich: lauwarme Erbsensuppe mit Vanille. Was zur Hölle? Die Suppe schmeckte auf jeden Fall fabelhaft und ich werde versuchen, das Gericht einmal nachzukochen.

Andreas fand die Suppe fast schon zu süß für eine Vorspeise und hätte sie eher als Dessert interpretiert. Ginge auch. Dafür hatte Andreas seine eigene Süße in seiner Vorspeise, nämlich in Portwein eingelegte Pflaumen mit Geflügelterrine. Nur Moritz hielt sich fern vom Zucker und konsumierte eine scharf abgeschmeckte Gazpacho.

Die Jungs warten auf das Essen
Die Jungs warten auf das Essen

Lauwarme Erbsensuppe mit Vanille
Lauwarme Erbsensuppe mit Vanille

Gazpacho (links) und Geflügelterrine (hinten)

Danach gab es noch ein paar viel zu üppige Hauptgerichte, vor allem mit Rösti, was hier der Name für Kartoffelpuffer ist.

Rösti mit Geschnetzeltem
Rösti mit Geschnetzeltem

Kotelett (auch mit Rösti)
Kotelett (auch mit Rösti)

Ich war der einzige der Fisch aß (Felchen)
Ich war der einzige der Fisch aß (Felchen)

Damit war unser Hunger dann aber auch mehr als gestillt und wir promenierten durch Stadt nach Hause, wo wir auf Couch und Balkon unseren letzten Abend in Bern ausklingen ließen.

Tag 8: Transit

Nach einer Woche hatten Frank und ich dann erst einmal genug Bern, Aare und Quöllfrisch. Andreas und Moritz hatten Anschlussurlaub zum Wandern im Wallis gebucht und Frank und mich zog es nach Frankreich ins Burgund zu Wein und Boeuf Bourguignon.

Am Sonntag frühstückten noch einmal ausgiebig mit Andreas und Moritz und begannen, unsere quer durch seine Wohnung verstreuten Sachen wieder in unsere Taschen zu räumen. Wahrscheinlich wird Andreas auch ein wenig froh gewesen sein, sein Domizil nach einer Woche nicht mehr mit vier Leuten teilen zu müssen. Wir waren auf jeden Fall dankbar, dass wir die Woche mit und bei den Beiden verbringen konnten. Wie schon vor zwei Jahren hatte uns Andreas, der bis auf den Basel-Tag für alle Tagesausflüge verantwortlich war, einen wunderschönen Urlaub organisiert.

Das letzte Frühstück
Das letzte Frühstück

Kurz vor Mittag hatten wir unsere Sachen gepackt und alle Adieus gesagt und damit ging es für Frank und mich erst einmal zu zweit weiter.

So weit ging es aber zunächst gar nicht, denn das nächste Zwischenziel unserer Transitetappe nach Frankreich war das kleine mittelalterliche Städtchen Fribourg, keine 30 Minuten von Bern entfernt.

Fribourg ist eine 1157 gegründete Stadt an dem Flüsschen Saane. Dieses Flüsschen macht dort eine Schlaufe, ähnlich wie es die Aare in Bern tut und innerhalb der Schlaufe findet man eine pittoreske mittelalterliche Altstadt mit kleinen Türmchen, Mauern und Gassen. Durch diese Altstadt liefen wir und da es daneben noch eine Kirche mit Turm gab, bestiegen wir diesen und schauten uns die ganzen roten Dächer von oben an. Minimal erschwert wurde unser Stadtrundgang nur durch meinen versehrten großen Zeh, der bei jedem Schritt im Schuh anstieß und mir mitteilte, dass es ihm nicht gut ging. Nach zwanzig Minuten entledigte ich mich dann einfach der Schuhe und lief wie ein Hobbit durch die Stadt. Da gab der Zeh Ruhe.

Fußgängerzone von Fribourg
Fußgängerzone von Fribourg

Altstadt Fribourgs mit Flagge
Altstadt Fribourgs mit Flagge

Altstadt in der Saaneschlaufe
Altstadt Fribourgs in der Saaneschlaufe

Altstadt mit (minimal) jüngerem Vordergrund
Altstadt mit (minimal) jüngerem Vordergrund

Der Nationalstolz der Schweizer geht sogar soweit, dass die Flagge in der Kirche angebetet wird
Der Nationalstolz der Schweizer geht sogar soweit, dass die Flagge in der Kirche angebetet wird

Gegenüber die Kirche gab's dann heilige Gitarren zu kaufen
Gegenüber die Kirche gab’s dann heilige Gitarren zu kaufen

Nachdem wir von den mittelalterlichen Dächern Fribourgs genug hatten, machten wir uns auf den Weg zu unserem Domizil in Frankreich. In dem kleinen Örtchen Saint-Nicolas-lès-Cîteaux im Burgund hatten wir schon im Jahr zuvor bei unserer Frankreichreise Station gemacht und wie schon im Vorjahr kamen wir im Chambre d’Hôtes L’Orée du Bois unter – sogar im selben Zimmer.

Dort angekommen ruhten wir noch ein wenig und abends wurden wir von unseren Gastgebern Jacques und Corinne reichhaltig bekocht und bedient. Es gab vier Gänge – Gefügelterrine mit einer gehörigen Menge des lokalen, scharfen Dijon-Senfs, Fisch-Risotto, Käse und Crème Brûlée mit Orangengeschmack. Während des Dinners schnackten wir ein wenig mit den anderen Gästen, die an unserem Tisch saßen – ein Ehepaar aus der Nähe von Bremen und zwei Franzosen, die nicht fernab der Schweizer Grenze wohnen. Frank konnte sein Französisch dabei wieder ein wenig schärfen und als uns am Ende des Abends die Sprachkenntnisse verließen, beschränkten wir uns gemeinschaftlich darauf, aufzuzählen, welche Kultur- und Sport-Größen des jeweils anderen Landes wir kannten. Nachdem wir Rammstein, Nena, France Gall, Edith Piaf, Michael Schumacher, Zinedine Zidane und viele andere aufgezählt hatten, verabschiedeten wir uns von den anderen Gästen und wünschten uns gegenseitig eine Bonne Nuit.

Salat, Terrine und ein scharfer Klecks Senf
Salat, Terrine und ein scharfer Klecks Senf

Risotto mit Kabeljau
Risotto mit Kabeljau

So ein Käse (links mit Senf, rechts mit Asche)
So ein Käse (links mit Senf, rechts mit Asche)

Unser Zimmer hatte sogar ein Nachtgespenst (oder: unser Versuch, das überdimensionierte Bett zu beziehen)
Unser Zimmer hatte sogar ein Nachtgespenst (oder: unser Versuch, das überdimensionierte Bett zu beziehen)

Tag 9: Weine

Schon im letzten Jahr waren wir im Burgund. In allererster Linie der Weine wegen, wie damals Frank nie müde wurde anzumerken. Wir kehrten ehedem bei allerlei Weingütern ein und kauften uns einen stattlichen Weinvorrat zusammen. Wie das so ist, will man von Dingen, die man auf Vorrat hat, meistens noch mehr haben, zumindest von den guten Dingen. Also mussten wir dieses Jahr natürlich den bereits besuchten Weingütern erneut unsere Aufwartung machen, um den heimischen Vorrat aufzufüllen und auszubauen.

Aber vor der Nachbevorratung wurde in unserer Unterkunft gefrühstückt. Man will schließlich nicht auf leeren Magen ein gutes Dutzend verschiedene Weine probieren. Zum Frühstück gesellte sich Shadow, die Hundedame des Hauses. Shadow holte sich Streicheleinheiten ab, tollte um den Tisch und biss mir ausversehen einmal in die linke Hand – sie verwechselte wohl Hand und Spielzeug, welches zum Apportieren geworfen werden sollte. Der Schaden hielt sich jedoch in Grenzen und wir konnten alsbald zum Degustieren bekannter und neuer Weine aufbrechen.

Shadow mit ihrem Spielzeug
Shadow mit ihrem Spielzeug

Frühstücken ohne Wurst und Käse ist typisch französisch
Frühstücken ohne Wurst und Käse ist typisch französisch

Wir steuerten zwei schon bekannte Weingüter an, Bernard Rion und Dufouleur Pere Et Fils. Dort erwarben wir ein paar Premier Crus, ordinäre Rotweine und Weißweine, wobei hier tatsächlich vor allem Weine aufgefüllt wurden, die wir letztes Jahr erwarben und zwischenzeitlich ausgetrunken hatten.

Dabei hielten wir uns mit den Verköstigungen jedoch ein wenig zurück, denn zum einen war es noch Vormittag und zum anderen hatten wir für den Nachmittag eine weitere Dégustation mit unserem Herbergsvati geplant. Und die wollten wir ja nicht mit Rest-Kater angehen. Stattdessen kaufte sich Frank zum Mittagbrot ein Sandwich im lokalen Supermarkt und ich erwarb ein paar Madeleines (kleine, saftige Zucker-Zitronen-Küchlein). Damit kurvten wir in die Weinberge, verdrückten unser Mahl ganz nonchalant zwischen den Reben und fuhren hernach wieder gen Unterkunft, um im Zimmer und am Pool ein wenig zu chillen.

Die kleine Innenstadt von Nuits-Saint-Georges, dem nächstgrößeren Ort bei unserer Unterkunft
Die kleine Innenstadt von Nuits-Saint-Georges, dem nächstgrößeren Ort bei unserer Unterkunft

Fußgängerzone von Nuits-Saint-Georges
Fußgängerzone von Nuits-Saint-Georges

Weine bei Dufouleur Pere Et Fils
Weine bei Dufouleur Pere Et Fils

Ein perfekter Ort, um ein SUpermarktsandwich zu essen
Ein perfekter Ort, um ein Supermarktsandwich zu essen

Frank mit Mach-Mutti-Angst-Pose im Wein
Frank mit Mach-Mutti-Angst-Pose im Wein

Am späteren Nachmittag schloss Jacques für uns seinen Weinkeller auf und füllte die Gläser reichlich mit verschiedenen Rotweinen, Weißweinen und einem Rosé. Die Weine waren alle ganz hinreißend und Jacques konnte uns mit viel Herz erklären, was wir trinken und warum welcher Wein so schmeckt, wie er schmeckt. Nach eine Stunde mit fast schon zu viel Wein, mussten wir uns erst einmal zur Beratung zurückziehen. Wir konnten leider nicht einfach Jacques ganzen Weinkeller leerkaufen. So viele Weine passen nicht in den Wagen (trotz der immensen Größe unseres Gefährts) und wir sind nicht so professionelle Trinker, dass wir so viel Wein am Ende auch verwerten könnten. Also beschränkten wir uns auf nur 21 Flaschen.

Verkostungsmenü bei Jacques
Verkostungsmenü bei Jacques

Keine Pause beim Probieren, auch nicht für's Foto
Keine Pause beim Probieren, auch nicht für’s Foto

Anschließend wurden wir wieder in der Unterkunft verköstigt – vier Gänge, davon einer gehaltvoller als der andere. Da das Wetter draußen wenig sommerlich war, wurde im Innenraum diniert, wo wir an einen riesigen Tisch gesetzt wurden. Dazu gesellten sich wieder das Ehepaar aus Niedersachsen und ein belgisches Ehepaar auf der Durchreise. Wir fanden im Englischen einen gemeinsamen Nenner bezüglich der Sprache und konnten uns während des Mahls ein wenig austauschen.

Es gab sogar Boeuf Bourguignon
Es gab sogar Boeuf Bourguignon

Uns eine reichhaltige Auswahl an Digestives und Aperetifs
Und eine reichhaltige Auswahl an Digestifen und Aperitifen

Tag 10: Route des Grands Crus

Während unseres Urlaubs waren wir wandern, fuhren Auto, Seilbahn, Zug und Boot. Da fehlte fast nur noch ein Verkehrsmittel – das Fahrrad oder auch „Velo“, wie es der Franzose nennt.

Ein solches Gefährt mieteten wir uns an unserem zweiten vollen Tag im Burgund und fuhren damit einmal Teile der Route des Grands Crus hinab und wieder hinauf. Dies ist eine vor allem für Radfahrer angelegte Weinroute mitten durch die Weinberge des Burgunds. Letztes Jahr fuhren wir die Strecke teilweise schon mit dem Auto ab, doch mit dem Fahrrad ist das wesentlich angenehmer.

Den Tag begannen wir erneut mit einem ausgiebigen (wenn auch erneut aufschnittlosen) Frühstück. Shadow wollte derweil mit uns Apportieren spielen und wir stellten uns diesmal dabei etwas geschickter an – oder der Hund tat es; auf jeden Fall wurde niemand mehr ausversehen gebissen.

Nach Apportieren und Frühstück lotste Frank uns gen Brochon, wo wir uns bei einem Laden, der passenden Namen „Burgundy Bike“ trug, zwei Fahrräder ausliehen. Ein netter Herr stellte uns zwei E-Bikes zur Verfügung und erklärte uns, welche Strecke wir am besten fahren könnten. E-Bikes anstatt normaler Fahrräder zu nehmen, war gar keine schlechte Idee, denn die Weinberge heißen nicht umsonst Weinberge und nicht Weinebenen. Denn da geht es ganz schön rauf und runter. Wir hätten sonst für die Strecke von insgesamt fast 40 Kilometern wahrscheinlich ein kleines Stück länger gebraucht und wären deutlich geschaffter gewesen, als wir es so waren.

Die Fahrräder fuhren uns entlang einer fast gar nicht befahrenen Seitenstraße mitten durch ganz viele Weinreben, zum Château du Clos de Vougeot, einem mitten im Wein versunken scheinenden Schloss, das wir schon voriges Jahr bestaunt hatten.

Das im Wein versunkene Château du Clos de Vougeot
Das im Wein versunkene Château du Clos de Vougeot

Altherrengefährt mit dynamischem Fahrer
Altherrengefährt mit dynamischem Fahrer

Wein, Berge und ein wenig Weg
Wein, Berge und ein wenig Weg

Steinbruch im Weinberg
Steinbruch im Weinberg

Tages-Doppel-Selfie vor Wein
Tages-Doppel-Selfie vor Wein

Frank mit seinem weißen Käppi
Frank mit seinem weißen Käppi

Nach einem Abstecher über Villars-Fontaine (dem Ort der von mir über alle Maßen geschätzten Domaine de Montmain) fuhren wir weiter gen Nuits-Saint-Georges. Wir verzichteten in Villars-Fontaine auf eine Verköstigung, denn diese war schon für den Folgetag anberaumt. Dafür kehrten wir kurz in Nuits-Saint-Georges ein und verdrückten Kaffee, Bier und ein wenig Kuchen.

Kaffee, Bier und Kuchen - die perfekte Urlaubnachmittagsmischung
Kaffee, Bier und Kuchen – die perfekte Urlaubnachmittagsmischung

Nuits-Saint-Georges ist nicht überall bilderbuchschön
Nuits-Saint-Georges ist nicht überall bilderbuchschön …

Aber trotzdem sehr charmant
… aber trotzdem auf seine Weise charmant

Eine der zahlreichen Kirchen der Stadt
Eine der zahlreichen Kirchen der Stadt

Minimal angefressene und fast schon reife Beeren
Minimal angefressene und fast schon reife Beeren

So gestärkt machten wir uns auf den Rückweg über die Weinberge und gaben unsere E-Fahrräder wieder ab. Frank und ich waren ganz begeistert von dieser Altherrenmethode der Fortbewegung. So ein Ding macht keinen Krach, man muss sich nicht anstrengen, kann sich aber trotzdem der Illusion hingeben, dass man sich sportlich betätigt. Vielleicht, wenn wir einmal noch ältere Herren sind, kaufen wir uns sowas auch.

Wieder zu Hause angekommen sprangen wir erst einmal in den Pool und legten uns dann daneben zum Abtrocknen und Ausruhen – wovon wussten wir zwar nicht genau, aber das ist im Urlaub ja auch mal erlaubt.

Frank chillt im Pool
Frank chillt im Pool

Ich chille mit Hund
Ich chille mit Hund

Nun ergab es sich, dass an diesem Abend der Vater unserer Herbergsmutti seinen siebzigsten Geburtstag feierte. Der Herr muss, ebenso wie unsere Gastgeber, vor einiger Zeit aus der Schweiz ins Burgund emigriert zu sein und er lebt nun in Beaune. Dorthin lud er seine Familie, also unsere Gastgeber ein. Uns nicht. Das hieß, wir mussten uns gar selbst um unser Dinner kümmern.

Wir folgten kurzerhand Tim Maelzer. Der deutsche Fernsehkoch hatte für die Sendung Kitchen Impossible vor geraumer Zeit Nuits-Saint-Georges besucht, um dort im Restaurant La Cabotte Boeuf Bourguignon kochen zu lassen. Ebenjenes Restaurant suchte Frank, seines Zeichens großer Fan dieser Sendung, für unser Abendbrot aus.

Die Drinks sind serviert, die Frisur hat sich verabschiedet - das Dinner kann losgehen
Die Drinks sind serviert, die Frisur hat sich verabschiedet – das Dinner kann losgehen

Dort angekommen bestellten wir zwei Menus mit je drei Gängen plus Käse. Frank war von seinem Boeuf Bourguignon im Hauptgang so begeistert, dass er mir andauernd was davon abgeben wollte, damit auch ich begreife, wie gut und anders als sein eigenes Rezept das hier dargebotene Rindfleischgericht war. Hierbei muss ich anmerken, dass Boeuf Bourguignon eigentlich nichts anderes als Rindergulasch in Rotweinsoße mit Pilzen und Möhren ist. Das kocht hier jede Hausfrau aus dem Effeff. Ich persönlich fand Franks Boeuf im Restaurant ganz gut, konnte aber die ausufernde Begeisterung nur bedingt nachvollziehen. Das Rinderrotweingulasch, das Frank zu Hause kocht steht dem hiesigen in nichts nach.

Mein Fisch mit Erbsenpüree und ganz vielen verschiedenen Zucchini war meines Erachtens viel raffinierter – und immerhin schon mal pescetarisch.

Vorspeise: Œufs en meurette mit Weißwein
Vorspeise: Œufs en meurette mit Weißwein

Mein Fisch unter lauter Zucchinis auf Erbsenpüree
Mein Fisch unter lauter Zucchinis auf Erbsenpüree

Das sagenumwobene Boeuf Bourguignon mit Kartoffelstampf
Das sagenumwobene Boeuf Bourguignon mit Kartoffelstampf

Zum Nachtisch gab es Pfirsiche mit Schokomousse und (festhalten!) Bohnenkraut
Zum Nachtisch gab es Pfirsiche mit Schokomousse und (festhalten!) Bohnenkraut

Tag 11: Tantra und Rechnungswesen im Burgund

Der Mittwoch war unser letzter Morgen bei Jacques und Corinne. Zum Abschied gab es zum Frühstück tatsächlich einmal Käse und ein posches Österreicherpärchen, das wir letztes Jahr schon sahen, war auch wieder da.

Wir hatten aber nicht sonderlich viel Zeit, uns mit den Österreichern über die Wiener Noblesse auszutauschen. Wir mussten unsere Dinge in das Auto laden, Weine einsortieren und machten uns kurz nach dem Frühstück auf den Weg.

Dijon war das Ziel. Dort kam um kurz vor 11 Uhr Denis am Bahnhof an und mit dem wollten unsere letzten Reisetage verbringen. Denis machte deroweil in Paris ein Praktikum und um ihn einmal wieder zu sehen (und weil wir von Paris ja gar nicht so weit weg waren) planten wir ihn einfach in den Urlaub mit ein. Er stieg aus einem antiken Zug aus, den man in Deutschland wohl nur noch im Technischen Museum findet – dafür kostete die dreistündige Fahrt nur 12 Euro.

In Dijon machten wir ein kleinen Stadtrundgang und schafften es diesmal sogar auf den Tour Philippe le Bon, einen Turm aus dem 14. Jahrhundert mitten in der Altstadt. Hierfür musste man im Voraus einen Rundgang buchen, etwas das Frank und ich im Vorjahr versäumten, weswegen uns die Aussicht von dem Turm damals verwehrt blieb. Diesmal hatten wir im Vorfeld gebucht und so durften wir die 368 Stufen auf die Spitze erklimmen. Dort oben hatten wir einen eindrucksvollen Blick auf die Dächer und Plätze der mittelalterlichen Altstadt.

Place de la Libération in Dijon von oben
Place de la Libération in Dijon von oben

Selfie vom Turm
Selfie vom Turm

Wir flanierten hernach noch kurz durch die Stadt und Denis kaufte in einem Törtchenfachgeschäft drei appetitlich aussehende Küchelchen. Die sollten später verdrückt werden.

Dijoner Marktplatz
Dijoner Marktplatz

Apotheke in einem schiefen Haus aus dem Mittelalter
Apotheke in einem schiefen Haus aus dem Mittelalter

Vorher stand eine Tour de Bourgogne auf dem Programm. Denis kannte das Burgund noch gar nicht und wir fuhren kurzerhand mit ihm dieselbe Route, die wir tags zuvor noch mit dem Fahrrad besucht hatten, mit dem Auto ab – Weine, Chateaus und kleine verwunschene Mittelalterdörfer. Denis merkte an, die Landschaft sehe genauso aus wie in der Frankreich-Erweiterung der Sims. Schön, dass ein EA-Spiel den Kern des Burgunds getroffen hat!

Tick, Trick und Track vor dem in Weinreben versunkenen Schloss
Tick, Trick und Track vor dem in Weinreben versunkenen Schloss

Irgendwann landeten wir in Villars-Fontaine, wo es zur Domaine Montmain ging, dem Weingut, das die besten Weißweine macht, die ich je getrunken habe. Dort begrüßte uns Yoan, der uns auch schon letztes Jahr durch die Weine führte. Er schaute kurz in seine Unterlagen und konnte tatsächlich sagen, was wir vor einem Jahr dort probiert hatten. Diesmal gab es entsprechend andere Weine und Jahrgänge zum Probieren. Die Weine von Montmain sind eine kleine Besonderheit, da diese locker 20, 30 Jahre liegen können (teilweise auch müssen) und immer noch jung, frisch und fruchtig schmecken, dabei aber einen tiefgründigen Character haben. Das heißt, man trinkt nicht einfach irgendeinen alkoholischen Saft, der vor allem sauer oder nach Gerbstoff schmeckt, sondern hat ein wesentlich komplexeres Geschmackserlebnis.

Yoan führte uns durch 8 verschiedene Weine und Jahrgänge und am Ende erwarben wir gleich 30 Flaschen. Ich weiß zwar noch nicht ganz genau, wann wir die alle trinken sollen, aber man kann die Weine zum Glück getrost über viele Jahre im Keller verstauen und sie werden nicht schlecht.

Weinkeller der Domaine Montmain
Weinkeller der Domaine Montmain

Ein Teil der von uns gekosteten Weine
Ein Teil der von uns gekosteten Weine

Deliberation, was wir wohl kaufen wollen
Deliberation, was wir wohl kaufen wollen

Anschließend fuhren wir zu unserer neuen Unterkunft, der Domaine Les Betrands. Das ist ein ehemaliges Weingut in dem Dörfchen Couches am südlicheren Ende des Burgunds.

Dort begrüßten uns Jérôme und Arnauld – offensichtlich ein Pärchen mittleren Alters, die hier mitten im burgundischen Nirgendwo ein B&B betreiben. Jérôme bietet den Gästen über das normale B&B-Programm Reflexzonenmassage an und bei Arnauld kann man mehrstündige Meditationen zur Selbstfindung buchen. Selbstfindende Meditationen fanden wir jetzt nicht so spannend und mich erinnerten unsere Gastgeber ein wenig an die Michelle Houllebecqschen Elementarteilchen. Es fehlte nur noch ein Seminar zu Tantra und Rechnungswesen. Warum Frank und ich es nun schon wieder schafften (ohne es zu planen) bei schwulen Gastgebern zu landen, verstehe ich auch nicht so ganz. Aber egal, die Zimmer waren groß und sauber und es gab einen Pool. Meditation und Trantra muss man ja nicht nutzen.

Unser Zimmer (mit Herzchenkissen)
Unser Zimmer (mit Herzchenkissen)

Nachdem wir kurz unsere Füße im Pool kühlen konnten, schnitt Denis die in Dijon erworbenen Küchelchen auf. Er zeigte sich nach dem ersten Probieren bitterlich enttäuscht und proklamierte, dies seien die schlechtesten Backerzeugnisse, die er in Frankreich je gegessen habe. Frank und ich mussten ihm beipflichten. Unsere Enttäuschung war unermesslich und unser Tag war (fast) ruiniert.

Eine kurze Verschnaufpause am Pool
Eine kurze Verschnaufpause am Pool

Zum Glück war für die enttäuschenden Küchelchen kaum Zeit, denn es war schon wieder Zeit zum Aufbruch. Wir mussten zu unserem Restaurant, eine halbe Autostunde entfernt fahren. In dem Örtchen Chagny hatte Frank den Laden Le Grenier à Sel aufgetan. Restaurants auftun war gar nicht so einfach, wenn aus Gründen, die sich mir nur bedingt erschließen, haben viele Läden in dieser Region am Mittwoch Ruhetag.

Das von uns besuchte Restaurant kann man am ehesten mit einem Blockhouse in Deutschland vergleichen. Hier gab es Fritten, Steaks und Keulen. Immerhin wurde das Essen live auf einem Holzgrill gebraten und es gab guten Wein. Allerdings hatte mein Entrecote in etwa so viel mit Frankreich zu tun wie Helene Fischer mit Musik. Geht mal, aber mehr als einmal pro Jahr ist zu viel.

Gegrillt wurde direkt im Gastraum
Gegrillt wurde direkt im Gastraum

Frank's Gänsekeule
Frank’s Gänsekeule mit Salat

Denis hatte Lamm am Spieß
Denis hatte Lamm am Spieß mit Salat

Entrecote und Fritten für mich
Entrecote und Fritten für mich

Käse für uns alle, auch mit Salat
Käse für uns alle, auch mit Salat

Selfie-Studie von angehenden Restaurantkritikern
Selfie-Studie von angehenden Restaurantkritikern

Tag 12: Natascha Rossi

Die Nacht in unserem neuen Domizil war gefühlt die erste, in der Frank und ich in diesem Urlaub wirklich gut schliefen. Womöglich lag es an den Herzchen, die in die Kissen gestickt waren.

Ein Herz auf Kissen
Ein Herz auf Kissen

Unsere Gastgeber luden um 9.00 Uhr zum Frühstück und tafelten dabei üppig auf. Es gab Käse, Crêpes, Croissants, Jogurt, diverse Marmeladen und Eier wollten sie auch noch kochen. Die hätten wir aber beim besten Willen nicht geschafft und wir verzichteten.

Frühstück bei unseren Herbergsvatis
Frühstück bei unseren Herbergsvatis

Unser erster Tagesausflug führte uns in das Zentrum des Ortes unserer Unterkunft – Couches. Dort hatten uns unsere Herbergsvatis auf eine Schnitzeljagd geschickt. Ich erkläre: Neben unserer Unterkunft ist ein Tennisplatz. Die Courts sind über ein Zahlenschloss gesichert und wir wollten das ganz gerne einmal ausprobieren. Unserer Gastgeber meinten, jemand in einem bestimmten Supermarkt im Dorfe wüsste, wie man an die Courts kommt. Also fuhren wir zum Supermarkt. Dort wusste aber niemand, was zu tun ist, nur dass die Mitarbeiter im Rathaus womöglich helfen könnten. Also zum Rathaus. Dort gingen nur Frank und Denis (quasi als Dolmetscher) hin. Die beiden waren am Ende fast eine halbe Stunde in dem Rathaus, weil auch dort niemand so ganz genau wusste, was man wie tun müsse, um die Courts zu buchen.

Aber eine Mitarbeiterin mit dem großartigen Namen Natascha Rossi nahm sich viel Zeit und schaffte es, nach einigem Telefonieren, den Zahlencode für das Zahlenschloss zu erhalten. Der Code lautete 2470. Sie bat dann, die Gebühr (10 Euro) mit einem Scheck zu bezahlen. Das ländliche Frankreich lebt tatsächlich noch im zwanzigsten Jahrhundert – und nicht im späteren! Alles hatten wir anzubieten – Paypal, Apple Pay, Visa, Bitcoin, Skrill, Cash – aber keine Schecks. Am Ende ging dann doch eine Bezahlung mit Bargeld, die auf einer Post-It-Note quittiert wurde. Damit das ganze auch schön offiziell aussieht, wurde dem Notizzettel noch ein offizieller Stempel des Rathauses verpasst. Faszinierend!

Zu guter letzt gab uns Natascha Rossi auch noch ihre persönliche Telefonnummer, falls das mit dem Code nicht klappen sollte und wir abends noch Hilfe benötigten, wenn keiner im Rathaus ist. Soviel Zuvorkommen wegen ein wenig Tennis hätten wir nie im Leben erwartet.

Unsere hochoffizielle Post-It-Note
Unsere hochoffizielle Post-It-Note

Während Frank und Denis im Rathaus beschäftigt waren, machte ich mich ein wenig auf Entdeckungstour durch den Ort. Der Ort ist klein, die Tour war kurz, aber herzlich und einladend erschien mir Couches allemal.

Gasse in Couches
Gasse in Couches

Burgundische Dächer (mit den bunten Ziegeln) auf alten Häusern
Burgundische Dächer (mit den bunten Ziegeln) auf alten Häusern

Die kleine Dorfkirche
Die kleine Dorfkirche

Der Friedhof liegt - wie fast überall hier in Frankreich - irgendwo im Feld
Der Friedhof (in der Mitte, weiter hinten im Bild) liegt – wie fast überall hier in Frankreich – irgendwo im Feld

In einer Seitenstraße fand ich dieses wunderschöne Golf Cabrio
In einer Seitenstraße fand ich dieses wunderschöne Golf Cabrio

Nach meiner Tour durch den Ort und Franks und Denis‘ erfolgreicher Suche nach dem Tennisplatz-Code, fuhren wir zum nächsten Ziel des Tages, dem Örtchen Chalon-sur-Saône. Das ist eine gar nicht so kleine Stadt – natürlich wieder mittelalterlich – an dem Fluss Saône (wer hätte es gedacht). Das heißt, es gab enge Gassen, ganz viele halbschiefe Häuser, alte Kirchen und kleine pittoreske Marktplätze. Kannten wir schon – von jedem anderen Ort im Burgund. Aber egal, die Stadt war einladend hübsch und am Rande der Altstadt durchbrachen Plattenbauten aus den 80’er Jahren das Stadtbild und gaben dem Ort einen etwas eklektischen Anstrich, wie Denis anmerkte.

Mittelaltermarktplatz von Chalon-sur-Saône (irgendwie nicht mehr ganz mittelalterlich)
Mittelaltermarktplatz von Chalon-sur-Saône (mit irgendwie nicht mehr ganz mittelalterlich, sondern vor allem touristisch)

Gässchen mit Sonnebrillenstudie
Gässchen mit Schnutenstudie

Sehr barock aussehende Kirche im Zentrum der Stadt
Barock aussehende Kirche im Zentrum der Stadt (man beachte die gar nicht barocke Straßenlaterne links daneben)

Blick auf die Saône mit Plattenbauten gegenüber der Mittelalterstadt (voll eklektisch!)
Blick auf die Saône mit Plattenbauten gegenüber der Mittelalterstadt (voll eklektisch!)

Sogar mit Yachthafen (das ist doch was für mein Kapitänsherz!)
Sogar mit Yachthafen (das ist doch was für mein Kapitänsherz!)

Da uns all die Reize Chalon-sur-Saônes nicht ganz fremd waren und wir das Gefühl hatte, alles wichtige gesehen zu haben, fuhren wir nach zwei Stunden weiter zu Louis Picamelot. Das ist ein Laden, den uns Yoan (der Winzer vom Vortag bei der Domaine Montmain) empfohlen hatte. Dort gab es Crémant. Crémant ist Schaumwein. In einer anderen Region Frankreichs darf man das Champagner nennen, doch hier nicht (weil es eben nicht die Champagne ist). Das Getränk schmeckt trotzdem mehr oder weniger genauso, ist aber ein paar Größenordnungen günstiger.

Louis Picamelot produziert guten Crémant und dort empfing uns eine Dame. Zunächst musterte sie uns ein wenig irritiert, denn in der Aufmachung, in der wir erschienen (schlichte Shirts oder Tank-Tops und kurze Hosen), ist die klassische Kundschaft offensichtlich nicht unterwegs. Zunächst etwas widerwillig, aber nach einiger Zeit freundlich zugewandt ließ sie uns einige der Schaumweine probieren, erklärte uns dieses und jenes und am Ende verkaufte sie uns zwei Kisten, die wir ins Auto luden. Wir hatten schließlich noch ein klein wenig Platz in dem Gefährt und es wäre ja zu schade gewesen, diesen nicht mit weiteren Spezialitäten der Region zu füllen.

Louis Picamelot Crémants
Louis Picamelot Crémants

Schaumweinverkostung am frühen Nachmittag
Schaumweinverkostung am frühen Nachmittag

Das war eigentlich auch schon genug Touristenprogramm für den Tag und ein wenig ausruhen wollten wir uns auch. Also fuhr ich uns wieder nach Hause in unser Domizil und dort legten wir uns erst in und dann an den Pool.

Pool mit Haupthaus unseres Anwesens
Pool mit Haupthaus unseres Anwesens

Leo, der Hundeherr des Hauses - eine französische Bulldogge, die eher einfach strukturiert scheint, gerne gekrault wird und ein wenig stinkt
Leo, der Hundeherr des Hauses – eine französische Bulldogge, die eher einfach strukturiert scheint, gerne gekrault wird und ein wenig stinkt

Leo von vorne
Leo von vorne

So richtig viel liegen konnten Frank und ich allerdings nicht, denn wir hatten ja mit viel Blut, Schweiß und Tränen den Tennisplatz bei Natascha Rossi gebucht. Den suchten wir alsdann auch auf – bei 31 Grad, sengender Sonne, ohne Schatten und ich mit kaputtem Zehnagel. Knapp anderthalb Stunden schlugen wir uns die Bälle um die Ohren, wobei ich Frank – wie sonst auch immer – knapp gewinnen ließ. Da ich – des Zehnagels wegen – nicht in Tennisschuhen, sondern nur in meinen Barfußlatschen spielen konnte, war ich aber auch ein wenig gehandicapt. Mit den Schuhen konnte ich nicht wirklich schnell laufen und watschelte eher über den Platz. Egal, Spaß gemacht hat es trotzdem und immerhin ein paar Rückhände bekam ich halbwegs anständig über das Netz.

Unser Tennisabenteuer auf einem reichlich schnieken Platz
Unser Tennisabenteuer auf einem reichlich schnieken Platz

Ein Platz mit wirklich schöner Aussicht
Ein Platz mit wirklich schöner Aussicht

Nach dem Tennis ist bei uns auch immer vor dem Essen. Sonst ist Micha in unserem Tennisverein für die Verköstigung zuständig, aber Micha war leider nicht da. Deswegen mussten wir auf ein Lokal im Ort ausweichen. Blason de Vair hieß das Restaurant und es war mitten in einem kleinen Schloss gelegen. Naja, hier im Burgund ist im Grunde irgendwie alles in oder direkt neben einem Schloss gelegen. Egal, die Aussicht war fantastisch, die Bedienung total lieb und das Essen halbwegs okay. Von Vorspeise über Hauptgang zum Dessert gab es eine gewisse Steigerung. Während es mit saurer Sülze und salziger Fischpampe anfing, steigerte es sich über gute Hähnchenkeule und ordentlichen Kabeljau zu mehreren famosen Desserts, die am ehesten an dekonstruierte rote Grütze erinnerten.  

Dinner im Piratenlook
Dinner im Piratenlook – und die Frisur sitzt diesmal wie eine Eins

Sülze als Vorspeise - sieht gut aus, war aber ein wenig sauer und hatte sonst nicht viel Geschmack
Sülze als Vorspeise – sieht gut aus, war aber ein wenig sauer und hatte sonst nicht viel Geschmack

Fischpampe in schöne Form gepresst - ein wenig salzig und ansonsten auch eher beliebig
Fischpampe in schöne Form gepresst – ein wenig salzig und ansonsten auch eher beliebig

Oeufs en meurette mit Schnecken - die müssen, so Frank, ganz gut gewesen sein
Oeufs en meurette mit Schnecken – die müssen, so Frank, ganz gut gewesen sein

Mein Kabeljau als Hauptgang - der war ganz ordentlich
Mein Kabeljau als Hauptgang – der war ganz ordentlich

Die Herren hatte eine Hühnerkeule
Die Herren hatte eine Hühnerkeule

Dekonstruierte rote Grütze zum Nachtisch (mit Blümchen in der Sahne)
Dekonstruierte rote Grütze zum Nachtisch (mit Blümchen in der Sahne)

Dick und drall gefuttert liefen wir spät abends heim und ließen den Abend draußen vor unseren Zimmern unter einem sternklaren Himmel mit einem unserer Rosés ausklingen.

Tag 13: Gummi, Schweiß und Sonnencreme (und Berliner Luft)

Der Freitag war unser letzter richtiger Reisetag in Frankreich. Es war gut heiß mit Tagestemperaturen von über 34 Grad, keiner Wolke am Himmel und durchgehender Windstille.

Wenn es so heiß und sonnig ist, gibt es nur eine sinnvolle Tätigkeit, die man im Urlaub ausüben kann. Das gilt insbesondere, wenn das gebuchte Domizil einen großen Pool und bequeme Liegen hat und man ein paar Weine im Kühlschrank gebunkert hat.

Genau, wir sind 50 Kilometer Rad gefahren!

Frank, Denis und mir liegt das Faulenzen tatsächlich eher fern und deswegen hatten wir eine gewisse Weigerungshaltung, einen kompletten Pooltag einzustreuen. Außerdem hatten wir die Weinradwege im südlicheren Burgund noch nicht erkundet und Denis kannte Beaune noch nicht.

Nach dem – wie schon am Vortag – sehr üppigen Frühstück machten wir uns auf zum nicht weit entfernten Örtchen Santenay. Dort hatten wir zwei Tage zuvor unter Zuhilfenahme von Denis‘ fließendem Französisch drei Fahrräder reserviert und die sammelten wir am nicht zu späten Vormittag bei der Touristeninfo ein. Denis, der nur eine überschaubare Radfahrerfahrung hatte, war initial ein wenig skeptisch, ob er den Trip überleben würde, aber er stellte sich auf dem Gefährt so geschickt an, dass wir uns keine Sorge machen mussten.

Denis hat die ersten 100 Meter auf dem Rad überlebt
Jippie! Denis hat die ersten 100 Meter auf dem Rad überlebt

Wir fuhren die Velotour von Santenay bis nach Beaune. Diese führt über enge Gassen inmitten der Weinberge durch winzige Dörfchen entlang zahlreicher Weingüter. Frank und ich hatten eine zum Verwechseln ähnliche Radtour schon drei Tage zuvor gemacht, nur ein wenig nördlicher. Der Vorteil unserer Tour war, dass wir größtenteils auf Straßen fuhren, die de facto nur für Fahrräder vorgesehen war und man so ganz sorglos strampeln konnte. Dabei mussten wir zum Glück gar nicht so viel strampeln, denn wir hatten wieder Fahrräder mit elektrischem Hilfsantrieb bestellt. Das war in Angesicht der Temperaturen und den teilweise intensiven Steigungen auch eine gute Idee. Ins Schwitzen kamen wir trotzdem zu Genüge – es war einfach sengend heiß.

Während der Tour musste ich an Denis‘ Beschreibung von Neuseeland denken, die er uns vor vier Jahren gab, als wir ihn dort trafen: „Hier ist es schön, da hinten ist es schön, dort drüben auch. Überall ist es schön und irgendwann sieht man die Schönheit gar nicht mehr“. Das trifft auch auf das Burgund zu. Hier ist ein Mittelalterdorf, dort ist ein Schlösschen, da ist eine kleine, verwunschene Gasse – jedes Dorf sieht dem nächsten ähnlich und dazwischen sind lauter Weinreben, die auch alle gleich aussehen. Ja, wunderschön. Aber nach 25 Kilometern auf dem Rad sieht man die Reben schon fast gar nicht mehr, weil sie ganz selbstverständlich am Wegesrand stehen und schön aussehen.

Durch diese enge Gasse mussten wir kommen
Durch diese enge Gasse mussten wir kommen

Da schau, ein Schlösschen im Wein!
Da schau, ein Schlösschen im Wein!

Noch eins!
Noch eins!

Wein und Weinberge sind auch da
Wein und Weinberge sind auch da

Die Drei von der Tankstelle auch
Die Drei von der Tankstelle auch

In Beaune angekommen, besuchten Frank und Denis das Hôtel-Dieu, ein uraltes mittelalterliches Krankenhaus, das Frank und ich schon letztes Jahr inspiziert hatten. Meine Erinnerungen an Krankenhausinnenhof mit schönem Dach, Krankensäle und mittelalterliche Apotheke waren noch frisch genug und ich sparte mir den Eintritt. Stattdessen umrundete ich einmal die Altstadt von Beaune und staunte ob der unglaublich vielen Touristen in dem Ort.

Innenhof des Hôtel Dieu mit dem typischen Burgunderdach
Innenhof des Hôtel Dieu mit dem typischen Burgunderdach

Nachgebildete Krankenhausküche
Nachgebildete Krankenhausküche

Selfie der Krankenhausbesuchscrew
Selfie der Krankenhausbesuchscrew

Denis stärkte sich anschließend mit einem Sandwich und einem Eis, während Frank und ich bei Wasser blieben. Ein Bier hätte ich zwar nicht schlecht gefunden, aber die ganzen Bars waren zum bersten voll und da wollten wir uns nicht auch noch dazwischenquetschen.

Stattdessen machten wir uns gegen 14.00 Uhr wieder auf den Rückweg, wobei uns nun die Sonne praktisch direkt von oben auf den Kopf schien. Das hieß: noch mehr schwitzen und der zuvor noch angenehme Fahrtwind fühlte sich jetzt einfach wie ein warmes Gebläse an. Schweiß und Sonnencreme bildete am Körper eine einheitliche Masse und bei Denis und mir löste sich langsam der Griff am Lenker des Fahrrads ab. So kam noch ein bisschen Gummi zu der Masse dazu. Aber die E-Motoren hielten durch und so schafften wir es ansonsten problemlos zurück nach Santeney.

Zu dritt auf dem Radweg
Zu dritt auf dem Radweg

Nach Abgabe der Räder fuhren wir wieder heim und gegen 17.00 Uhr hatten wir dann tatsächlich ein bisschen Freizeit am und im Pool. Das Bier, das ich in Beaune nicht trank, ersetzte ich hier durch einen guten Schluck Clos du Château, Jahrgang 2011, den wir zwei Tage zuvor erworben hatten. Ging auch und ich denke, Gott in Frankreich trinkt auch kaum besser.

Chillen im Pool
Jippie! Endlich chillen im Pool nachdem Denis den ganzen Trip überlebt hat

Am Abend gingen wir ein letztes Mal fein essen. In der Auberge Le Petit Blanc zwei Örtchen weiter begrüßte uns ein drolliger Gastwirt und ich konnte mein Glück kaum fassen, als ich auf der Speisekarte Cuisses de Grenouille fand. Das sind Froschschenkel und obwohl wir so oft in Frankreich und in so vielen französischen Restaurants waren, gab es dieses Essen noch nie. Damit war mein Speiseplan völlig klar: Schnecken als Vorspeise, Froschschenkel als Hauptgericht. Man ist schließlich in Frankreich! Frank bestellte sich Zander und Denis das Boeuf Bourguignon. Man ist schließlich im Burgund!

Man bringe uns Wein und Frösche!
Man bringe uns mehr Wein und Frösche!

Bei meinen Schenkeln staunte ich nicht schlecht, dass Frösche so viele Knochen haben. Man musste die kleinen Biester ganz schön pulen und hatte die ganze Zeit ein paar Finger im Mund. Sowas muss man auch mögen. Geschmeckt hat es auf jeden Fall, wobei ein Großteil des Geschmacks von der üppigen Panade kam und die Schenkel selbst am ehesten mit zartem Putenfleisch vergleichbar sind. Das Esserlebnis ist dem von Chicken Wings nicht unähnlich, wenn auch deutlich feiner und nicht künstlich scharf.

Schnecken als Vorspeise
Schnecken als Vorspeise

Das Boeuf kam in einem kleinen Tigelchen
Das Boeuf kam in einem kleinen Tigelchen

So sehen panierte Froschschenkel aus
So sehen panierte Froschschenkel aus

Und so die Überreste
Und so die Überreste

Das nächste Mal staunten wir beim Nachtisch. Frank bestellte sich eine Kugel Eis mit Pfefferminzlikör und das Zeug schmeckte ziemlich genau wie Berliner Luft. Das war schon absurd, aber nichts im Vergleich zu Denis‘ dekonstruierter Zitronentarte. Diese schmeckte so dermaßen sauer, dass sich einem alle Muskeln im Mundraum zusammenzogen und man für die nächsten Minuten erst einmal gar nichts mehr schmeckte. Mein Tiramisu mit Birnen schmeckte auch eher abenteuerlich als lecker.

Berliner Luft und Eis im Burgund
Berliner Luft und Eis im Burgund

Gut, die Desserts waren eher ein Reinfall, aber dafür gab es kostenlosen Schnaps und wir konnten gemütlich draußen sitzen und unseren letzten Abend genießen. Nach der Heimfahrt zu unserer Unterkunft fanden wir in dem Kühlschrank unserer Herberge noch ein paar Bier und damit ließ sich der warme Abend gut aushalten.

Ich hatte des Biers wohl eines zu viel, denn Bei der Abendroutine entdeckte ich in unserem Zimmer ganz neuer Kletterqualitäten an mir...
Ich hatte des Biers wohl eines zu viel, denn Bei der Abendroutine entdeckte ich in unserem Zimmer ganz neuer Kletterqualitäten an mir…

Tag 14: Sengende Hitze

Die Geschichte unseres allerletzten Reisetages ist leider schnell erzählt, denn es passierte nicht mehr viel. Während Frank und Denis noch in den Betten lagen, räumte ich unsere Weine aus dem provisorischem Weinkeller in den Wagen und sortierte meine ganzen Sachen. Anschließend gab es ein letztes Frühstück und wir sagten unseren Gastgebern Lebewohl.

Wir fuhren Denis nach Dijon zum Bahnhof, machten einen letzten Abschiedsselfie und dann standen rund 1.100 Kilometer bis nach Berlin auf dem Programm.

Abfahrt in Dijon - der eine muss "nur" nach Paris, die anderen nach Berlin
Abfahrt in Dijon – der eine muss “nur” nach Paris, die anderen nach Berlin

Während draußen 38 Grad waren, arbeitete bei uns die Klimaanlage auf Hochtouren und ich fragte mich, wie Leute früher solche Fahrten ohne Klimaanlage bewältigt hatten.

Erst zum Abendbrot legten wir eine Pause, die über WC und Tanken hinausging, ein und konsumierten – sehr deutsch – eine etwas versalzene, völlig überteuerte Autobahnwurst.

Endlich wieder deutsches Essen!
Endlich wieder deutsches Essen! (/s)

Am späteren Abend, es waren immer noch 30 Grad, rollten wir nach knapp 13 Stunden Fahrt in Berlin ein und dort verstauten wir die ganzen Weine und Sekte in Franks Keller. Jetzt brauchen wir nur noch ein neues Weinregal und dann werden wir hoffentlich noch ein paar Jahre von dem angelegten Vorrat zehren können.

Unsere Ausbeute
Unsere Ausbeute

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