Südtirol 2021

Tag 1 – 863 Kilometer

Praktisch all unsere Freunde waren schon da. Unsere ganzen Familien auch. Und alle haben davon geschwärmt, wie großartig es da ist. Berge und Wanderungen und Bergseen und Felsformationen und Bergpanoramen und Skifahren. Da mussten wir natürlich auch einmal hin. So wurde Südtirol zum Ziel unserer Sommerreise in diesem Jahr. (Für mich zum Glück eine Sommerreise, denn Skifahren ist so eines der letzten Dinge, die ich in meinem Leben zu tun gedenke.)

Nun ist Südtirol von Berlin leider genau 863 Kilometer entfernt (ja, genau 863!) und da Frank plante, ganz viel Wein zu erwerben, mussten diese 863 Kilometer mit einem Automobil zurückgelegt werden. Denn in einem Automobil ließ sich der Wein viel besser zurücktransportieren als im Zug. Außerdem fuhr eigentlich gar kein rechter Zug zu unserer Unterkunft in der Nähe von Bruneck.

Skepsis auf dem Beifahrersitz
Skepsis (oder vielleicht noch Schläfrigkeit?) auf dem Beifahrersitz, Souveränität am Steuer

Aber das Auto fuhr. In unter 9 Stunden schafften wir die Fahrt, wobei wir in Deutschland unter anderem auf der A9 zahlreiche Baustellen besichtigen konnten. Während der Fahrt ließen wir uns von Marc-Uwe Kling den letzten Teil von Qualityland 2.0 vorlesen (den ersten Teil hörten wir während unserer Vorjahresfahrt auf dem Rückweg aus Frankreich).  Sowohl Baustellen als auch der letzte Teil von Qualityland 2.0 sind nur mäßig zu empfehlen – aber zumindest bot uns Beides ein wenig Abwechslung während der Fahrt.

Kaffe und Brötchen zur Pause
Kaffee und Brötchen (Frische Brötchen und kein Toastbrot!) zur Pause
(Die Brötchen waren auch schmackhafter als es die klägliche Optik vermuten lässt…)

Unsere Unterkunft in dem kleinen Örtchen Gais, 5 Kilometer nördlich von Bruneck erreichten wir pünktlich zum Abendbrot. Unser Vermieter nahm uns in Empfang und führte uns durch unsere Prachtwohnung mit zwei Schlafzimmern, zwei Badestuben, einer Wohnküche, die größer als meine ganze Wohnung ist und einer fantastisch großen Dachterrasse mit Blick auf die Berge.

Ein Teil des Wohnzimmers
Ein Teil des Wohnzimmers

Ein Teil der Terrasse
Ein Teil der Terrasse

Blick auf die Berge
Blick auf die Berge, direkt von der Terrasse

In der Wohnung angekommen, kam in Frank sofort die Hausmutti-Ader durch und es wurden Kartoffeln geschält. Es war schließlich Abend, wir hatten Hunger und Frank hatte Letscho dabei (mit Paprika aus dem Forster Garten). Und gute Deutsche essen ihr Letscho mit Kartoffeln – auch in Italien. Dazu gab es immerhin Rotwein (wenn auch mitgebracht aus einem deutschen Supermarkt). Für die lokalen Speisen und Weine sollte an den nächsten noch genug Zeit und Raum sein.

Frank schält Kartoffeln
Ganz wichtig: Kartoffeln!

 Das Letscho dann auch ganz fantastisch lecker
Das Letscho dann auch ganz fantastisch lecker

Nachgemessen: 863 Kilometer
Nachgemessen: 863 Kilometer

Tag 2 – Cusanus, Walther von der Vogelweide und ein Donnerwetter

Unseren ersten Abend in Südtirol verbrachten wir gemütlich mit einer Flasche mitgebrachtem Edeka-Wein auf der Terrasse vor dem dunklen Bergpanorama. Irgendwo in der Ferne bimmelte eine Kuh und wir fingen an, Pläne für die nächsten Tage zu schmieden. Also im weitesten Sinne schmiedete Frank und ich stimmte zu. So machen wir das fast immer. Geht erstaunlich gut.  

Zunächst sollte für den Sonntag, also den zweiten Reisetag ein Plan geschmiedet werden. An diesem Tag versprach uns Google spätestens ab Mittag gar furchtbares Wetter. Gewitter. Die ganze Zeit. Überall! Und es sollte nass werden. Das war schlecht für Wanderpläne, aber glücklicherweise fanden wir Alternativen: Die Städtchen Brixen und Bozen boten sich zur Besichtigung an und bei einem Stadtbesuch ist Gewitter auch gar nicht so schlimm.

Aber der Sonntag begann erst einmal mit ganz famosem Wetter. Noch vor halb Acht hatte mich eine Kuh aus dem Bett gebimmelt und ein Hahn in der Nachbarschaft tat sein Übriges, der Nachtruhe zeitig genug ein Ende zu setzen. So früh konnte ich auf der Terrasse ganz entspannt meine Klimmzüge und Klappmesser machen (es gab hier sogar eine Klimmzugstange!) und in einem Schrank auf der Terrasse eine Hängematte entdecken. Die baute ich auch noch auf, legte mich hinein und fühlte mich an unseren Urlaub auf Guadeloupe erinnert, wo wir auch eine großartig gemütliche Hängematte hatten. Nur das Kuhgebimmel, das gab es da eher weniger.

Hängematte mit Aussicht und Gebimmel im Hintergrund
Hängematte mit Aussicht und Gebimmel im Hintergrund

Irgendwann gesellte sich Frank zu mir und wir verspeisten ein adliges Frühstück. Das Frühstück war „von gestern“. Es gab nämlich die vom Vortag übrig gebliebenen Reisebrötchen. Die schmeckten immer noch und der mitgebrachte Filterkaffee war auch prächtig. In Italien sollte man sicherlich eigentlich Espresso trinken und in unserer Küche gab es auch diese kleinen Espressomaschinen für den Herd, aber von der gewohnten Sitte des Filterkaffees können wir irgendwie nicht lassen, egal wo.

Frühstück von Gestern mit Filterkaffee
Frühstück von Gestern mit Filterkaffee

Auf den Spuren Cusanus‘ in Brixen

Nach dem Frühstück stand unser erstes Ziel auf dem Plan: Brixen. Der kleine Ort mit etwa 22.000 Einwohnern an dem Flüsschen Eisack war eine knappe Stunde von unserem Domizil entfernt und auf der Fahrt dorthin staunten wir nicht schlecht, wie viele Autos auf den engen Straßen Südtirols unterwegs waren. Offensichtlich hatte sich schon längst überall herumgesprochen, dass diese Region ganz grandios ist.

Brixen gibt es unter diesem Namen schon seit über 1.000 Jahren und die Stadt war unter anderem Wirkungsstätte des Universalgelehrten Cusanus, der hier Kardinal war. Der Dom mit dem angrenzenden über 800 Jahre alten Kreuzgang war dort dann auch gleich unser erstes Ziel. Die kirchliche Sache ist zwar nicht unbedingt meins, aber der Dom war pompös und im Kreuzgang waren die Decken bunt bemalt. Pomp und Pracht können die Katholiken auf jeden Fall!

Enge Gasse in Brixen
Enge Gasse in Brixen

Decke des Kreuzgangs
Decke des Kreuzgangs

Klostergarten mit Kreuzgang
Domgarten mit Kreuzgang

Bunter Kreuzgang
Bunter Kreuzgang

Ein weiteres Highlight der Stadt soll das Brixener Priesterseminar sein – eine philosophische und theologische Hochschule. Aber das Gebäude war verschlossen und so konnten wir es nur von außen in Augenschein nehmen. Dafür spazierten wir noch ein wenig den Eisack (der Fluss heißt tatsächlich „der Eisack“) entlang und machten alberne Fotos von uns.

Priesterseminar in Brixen
Priesterseminar in Brixen – ganz ohne Priester und ohne Ministranten

Der eine ist albern der andere nicht ganz so
Der eine ist albern der andere nicht ganz so

Der Eisack bei Brixen
Der Eisack bei Brixen

Ein deutscher Minnesänger und eine Seilbahn

Brixen war malerisch schön, aber auch klein genug, dass man die Altstadt innerhalb von weniger als zwei Stunden komplett erschlossen hatte. Also fuhren wir weiter den Eisack entlang und schlängelten uns an der Autobahn vorbei bis nach Bozen. Während der Fahrt experimentierte Frank mit seinen Spotify-Playlisten und landete irgendwann bei erst bei Britney Spears und dann bei Nicki Minaj. Ich war ganz erstaunt, dass Frank dieses Wunder der Autotune-Technik überhaupt kannte. Zum Glück ging die Playlist nicht ganz so lang und wir landeten schnell in Bozen.

Bozen ist die größte Stadt Südtirols und mit über 100.000 Einwohnern schon fast eine Großstadt. Auf alle Fälle gibt es hier einen großen Bahnhof, ein ausgeprägtes ÖPNV-Netz und seit etwas über 20 Jahren sogar eine Uni.

Etwas irritierend fiel uns auf, dass es in Bozen jede Menge Walther von der Vogelweide gibt. Der deutsche Dichter aus dem 12. Jahrhundert kommt eigentlich aus dem Raum Würzburg und lebte und wirkte definitiv nicht in Südtirol. Trotzdem gibt es in Bozen einen Walther-Platz, darauf ein riesiges Walther-von-der-Vogelweide-Denkmal und eine Schule mit seinem Namen gibt es auch noch. Irgendwann im 19. Jahrhundert kam kurzzeitig die Vermutung auf, der von der Vogelweide sei eigentlich in Südtirol geboren worden. Daraufhin wurde Bozen prompt auf den Dichter getrimmt. Wenig später wurde die These der Südtiroler Geburt des Minnesängers zwar wieder als grober Irrtum verworfen, aber die deutschnationalen Kräfte in Bozen sorgten dafür, dass der Minnesänger bis heute eine zentrale Stellung in der Stadt einnimmt.

Walther von der Vogelweide – Statue auf dem Walther Platz in Bozen

Rathaus von Bozen

Wir besichtigten den Walther-Platz und die Statue, durchliefen weite Teile der Bozener Altstadt und kamen plötzlich bei einem Bäcker vorbei, der furchtbar lecker aussehende Erdbeerschnittchen und Apfeltaschen im Angebot hatte. Davon mussten wir natürlich sofort welche haben.

Das uns angekündigte furchtbare Unwetter blieb bis dahin übrigens komplett aus. Während des Verzehrs des Süßkrams kamen ein paar Tropfen vom Himmel, die Frank aber geschickt mit Hilfe eines Regenschirms abwehren konnte.

Unwetter in Bozen
Unwetter und Törtchen in Bozen

Gestärkt mit den Süßigkeiten besuchten wir eine der neuesten Sehenswürdigkeiten Bozens, nämlich die 2009 fertiggestellte Rittner-Seilbahn, die in 12 Minuten rund 1.000 Höhenmeter und mehrere Kilometer zurücklegt und von Bozen bis nach Oberbozen in den Bergen fährt. Die Fahrt ist unbedingt empfehlenswert, sieht man von der Seilbahn doch das gesamte Etschtal um Bozen herum, einschließlich zahlreicher Weinhänge in krass schräger Lage.

Oberbozen selbst ist auch ganz pittoresk – kleine Gässchen, eine Schmalspurbahn, Hotels aus dem früheren 20. Jahrhundert und ein reichlich kitschiger Blick über die Alm auf die Dolomiten. Wir liefen durch die Gässchen und blickten auf die Alm, machten artig ganz viele Fotos und fuhren dann mit der Seilbahn wieder gen Tal.

Seilbahnblick auf Bozen
Seilbahnblick auf Bozen

Frank vor der kitschigen Alm
Frank vor der kitschigen Alm in Oberbozen

Gar merkwürige Kunst gab es in Oberbozen zu sehen
Gar merkwürdige Kunst gab es in Oberbozen zu sehen

Blick Richtung Etschtal
Blick Richtung Etschtal

Hanni und Nanni mit Schnute auf der Alm
Hanni und Nanni mit Schnute auf der Alm

Schmalspurbahn im Urlaubsparadies Oberbozen
Schmalspurbahn im Urlaubsparadies Oberbozen

Weinhänge direkt vor Bozen
Weinhänge direkt vor Bozen

Donnerwetter

Am späteren Nachmittag machten wir uns auf zu unserem Domizil. Dort gab es eine kurze Verschnaufpause, dann ging es aber schon weiter zum letzten Ziel des Tages, dem Hotel und Restaurant Oberraut. Den Laden hatte ich ein paar Tage zuvor über den Guide Michelin ausfindig gemacht. Der deutsche Fernsehfunk hatte das Restaurant auch schon einmal besucht und in Form einer Koch-Doku mit dem Sternekoch Christian Lohse gewürdigt.

Tatsächlich speiste man im Oberraut ganz gustiös. Ich entdeckte auf der Karte ein 4-Gänge-Menü und damit war meine Entscheidung auch schon gefallen. Frank sammelte sich Vorspeise, Hauptgang und Nachtisch so zusammen und damit verbrachten wir gut zwei Stunden in der Speisestube.

Zum Nachgang passierten zwei Dinge:

  1. Ich bekam einen Zirbenschnaps (Likör, der durch Kiefernzapfen veredelt wird) – dieser Schnaps roch nach Badezusatz und schmeckte auch in etwa so; sehr gewöhnungsbedürftig und definitiv speziell.
  2. Google sollte am Ende doch Recht behalten. Ab ungefähr 9 Uhr fing es gewaltig an zu blitzen und zu donnern und eine Menge Regen prasselte hinab. Zum Glück saßen wir drinnen und hatten kein Cabrio.

So sah unser Essen aus:

Vorspeise – Auberginentaschen auf Zucchinicarpaccio

Zwischengang – Teigtaschen mit Ziegenfrischkäse

Hauptgang - Rinderfilet
Hauptgang – Jungrind mit Kräutern

Zwei Footblogger mit ihren Näpfen
Zwei potentielle Footblogger mit ihren Näpfen

Mein Nachtisch - Himbeereis auf Honigmousse
Mein Nachtisch – Himbeereis auf Honigmousse

Franks Nachtisch - Erdbeedtopfen
Franks Nachtisch – Erdbeedtopfen

Links - Ein zimtiger Schnaps - Rechts - Schnaps der nach Badezusatz schmeckt
Links – Ein zimtiger Schnaps – Rechts – Schnaps der nach Badezusatz schmeckt

Trotz des nun doch eingetretenen Donnerwetters und des alkoholischen Badeschnapses fuhr ich uns sicher nach Hause. Dort bastelte Frank uns für den am nächsten Tag eingeplanten Wandertag ein paar belegte Brote und ich probierte ein Brewdog-Bier (danke Christian!) mit dem schönen Namen „Sommer Sonne Süffig“.

Neues Paradigma: Frank macht die Brote

Tag 3 – Rote Wand

Montag wurde Wandertag. Unsere Tennislehrer Silke und Stephan, die praktisch jedes Jahr mit ihrer Familie hier Urlaub machen, empfahlen uns die Wanderung zur Roten Wand. Das ist ein Rundweg in 1.600 bis 2.800 Metern Höhe mit einer ausgezeichneten Aussicht.

Das Wetter für den Montag sollte gut genug werden. „Gut genug“ reicht in der Regel völlig aus, also wurde für den Montag die Rote Wand angepeilt. Weil wir nicht genau wussten, wie lange wir da so rumwandern (die genaue Routenführung hing vom konkreten Wetter vor Ort ab), standen wir zur Sicherheit halbwegs früh auf. In meinem Fall hieß das 7:20 Uhr. Ich kochte Kaffee, stellte Brötchen in den Herd und wollte mich grade an meinem Frühsport versuchen, da wackelte Frank auch schon auf die Terrasse und suchte sein Handtuch zum Duschen.

Nach Sport und Duschen vertilgten wir die aufgewärmten Brötchen, packten unsere Sachen zusammen und Frank fuhr uns die 40 Minuten zum Start der Wanderung. Dieser Start war schon einer der großen Höhepunkte, nämlich der Antholzer See. Wenn man Berge und Seen mag, wird man hier sicherlich selig, denn der Antholzer See ist ein malerischer See mitten zwischen den Bergen. Wir hatten sogar eine Wolke über dem See – quasi als I-Tüpfelchen.

Wolkenverhangene Einfahrt in das Tal zum Start unserer Wanderung

Antholzer See mit Bergen und Wolke

Von dem See sahen wir nach dem Beginn unseres Anstiegs aber erst einmal nichts mehr, denn wir wurden auf eine Route in den Wald geschickt. In diesem Wald stiefelten wir insgesamt gut 300 Höhenmeter nach oben – über Wurzeln, Kiesel, Stöcke und lose Steine. Das fühlte sich weniger nach einer Wanderung als wie ein Treppensteigen mit unnötigen Hindernissen an. Aber was sind wir, wenn nicht sportlich! (Sicherlich vieles, aber Treppensteigen geht noch.)

Mitten im Wald standen wir dann vor der Steinzgeralm, einem kleinen Gasthaus, das Gäste und Wanderer verköstigt. Wir brauchten noch keine Verköstigung (und hatten diese ohnehin im Rucksack dabei) und wanderten flugs weiter.

Steinzgeralm im Wald
Steinzgeralm im Wald

Wenig später verabschiedeten sich die Bäume, denn hier hatte man bei rund 2.100 Höhenmetern die Baumgrenze erreicht. Das machte das Wandern ein klein wenig entspannter, denn hier stapften wir grüne Wiesen empor und weder Wurzeln noch Stöcke versuchten uns zu Fall zu bringen. Trotzdem war der Aufstieg erstaunlich anstrengend – vielleicht hatten wir mit mehr Kondition bei uns gerechnet. Vielleicht liefen wir aber auch einfach zu schnell.

So sah es auf halber Höhe aus
So sah es auf halber Höhe aus

Der anstrengendste Teil des Aufstiegs stand uns kurz vor dem Gipfel zur Roten Wand bevor. Hier lag einfach nur noch Geröll und das durften wir im 45-Grad-Winkel nach oben klettern. Hier war ich sehr froh, dass wir diesen Weg nicht wieder zurück gehen mussten. Aufstieg ist bei solchem Terrain deutlich einfacher als Abstieg. Ein wenig erinnerte der Weg an unsere Wanderung in Neuseeland am Mount Ngauruhoe. In Neuseeland stellten sich Frank und ich noch zu blöd an, so ein Geröllfeld hochzuklettern. Hier in Italien zeigten wir mehr Geschick und erstaunlich flugs standen wir am Gipfelkreuz. In insgesamt etwas weniger als zweieinhalb Stunden hatten wir die 1.180 Höhenmeter zurückgelegt und wir wurden da oben (und auch schon auf dem Weg nach oben) mit einer wundervollen und nur ein wenig wolkenverhangenen Aussicht belohnt.

Frank stapft durch das Geröllfeld

Das da rechts waren die letzten Meter Richtung Gipfel

Ich klettere durch das Geröll

Blick auf Antholzer See und Obersee vom Gipfel der Roten Wand

Frank rastet am Gipfelkreuz

Belohnung mit Belegten Broten

Blick vom Gipfel auf den Antholzer See und das daneben liegende Biathlon Stadion

So sahen die Wolken auf dem Gipfel aus

Neben der ausgezeichneten Aussicht gab es sogar noch mehr Belohnung in Form von Filterkaffee (jeder zivilisierte Wanderer sollte immer eine Thermoskanne mit Filterkaffee dabeihaben) und in Form von belegten Broten. Die von Frank am Vorabend belegten Brote waren deliziös und saftig und genau das richtige da oben. Nachdem wir uns mit den Broten die Finger genügend eingeschmaddert, den halben Kaffee ausgetrunken und viel zu viele Fotos gemacht hatten, ging es weiter.

„Weiter“ hieß in dem Fall, dass wir den Weg Richtung Staller Sattel einschlugen. Das heißt, wir liefen den Gipfel der Roten Wand auf der anderen Seite hinunter. Zum Glück lag da kein Geröll und wir konnten ohne große Mühe die ersten hundert Höhenmeter nach unten meistern. Dabei liefen wir an zahlreichen Bächen vorbei, stießen auf Kühe, die wiederkäuend im Gras lagen und freuten uns, dass es sich runter einfacher anfühlte als hoch.

Tal östlich der Roten Wand

Panorama Staller Sattel und Obersee

Gebirgsbach, grüne Wiesen, ein paar Bäume

Egal wie hoch man hier war, Kühe gab es eigentlich immer zu sehen

Das nächste Ziel auf dem Rundwanderweg war der Aussichtspunkt „Zwei Seen“. Von dort aus konnte man sowohl den Antholzer See als auch den Obersee in Österreich sehen. Irgendwie war das aber gar nicht so aufregend, denn wir hatten die beiden Seen auch schon von der Roten Wand gesehen und da bekam man sie sogar auf ein Bild rauf. Egal, wir setzen uns einfach in die Sonne, packten noch mehr Brote aus, vertilgten den zweiten Teil des Kaffees und freuten uns des Lebens.

Zweite Brotzeit am Aussichtspunkt Zwei Seen

Obersee in Österreich

Wir zwei vor dem Obersee

Nach dem Freuen folgte bei uns dann das Fluchen. Denn nun stand nur noch der letzte Abstieg bevor. Und dieser führte uns durch den Wald des Tagesanfangs zurück. Das hieß wieder Wurzeln, Stöcke, rollende Steine und unnützes Geäst, das im Wege hängt. Stampfenden Schrittes stapften wir den Wald steil bergab, stießen uns die Zehen, blieben mal hier, mal da an Wurzeln hängen und rutschten ein wenig auf Steinen aus. Mit einer guten Portion Fluchen und Schimpfen meisterten wir aber auch diesen Teil der Wanderung und nach etwas über 6 Stunden standen wir wieder am Ufer der Antholzer Sees.

So hat sich unsere Wanderstimmungslage während der verschiedenen Etappen angefühlt:

Am Ausgangspunkt angekommen verschnauften wir kurz und stiegen dann in das Auto, um bei uns zu Hause den lokalen Supermarkt unsicher zu machen. Frank wollte uns schließlich ein Abendessen kochen. Dafür brauchte es Zutaten.

Ein klein wenig groggy von Auf- und Abstieg teilten wir Silke auf dem Heimweg via Whatsapp stolz mit, dass wir die Wanderung überlebt hatten und für ganz toll befanden. Sie erklärte uns prompt, wir müssten jetzt noch den Wanderweg um den Antholzer See anschließen und dann in das Olanger Freibad gehen. Wir hatten gar nicht damit gerechnet, dass die Empfehlung „Wanderung zur Roten Wand“ nur Teil 1 von 3 für unsere Tagesplanung war. Das nächste Mal stehen wir früher auf und Frank wird sich demnächst sicherheitshalber seine Badehose einstecken (ich habe meine immer dabei!) und dann können wir prompten Reisehinweisen hoffentlich besser Folge leisten.

Tag 4 – Fast wie im Aarebad

Ein Morgen in Gais

Das kleine Örtchen, in dem wir untergebracht sind, trägt den schönen Namen Gais und ist auf einer Höhe von ungefähr 860 Meter – das ist in etwa so hoch die höheren Berge im Harz.

Nach unserer montäglichen Wanderung schlief Frank am Dienstag etwas länger. Lange schlafen und Urlaub sind für mich jedoch eher unverträglich und um kurz vor Acht hielt ich es nicht mehr im Bett aus. Mit dem Ziel, den Bäcker des Dorfes zu besuchen, machte ich mich auf Erkundungstour durch den Ort.

Bei meiner Erkundungstour stellte ich fest, dass Gais einen sehr eigenwilligen Charme hat. Das ganze Dorf ist penibel sauber und alles ist vergleichsweise neu. Und was nicht neu ist, ist frisch restauriert und an jeder Ecke gibt es einen Spielplatz. Auf meiner Tour zählte ich nicht weniger als 7 Spielplätze (und dabei lief ich kaum mehr als 1600 Meter durch das Dorf). Es gibt kein Graffiti, dafür aber zahlreiche kleine Kinder und Leute mit Hunden (wobei morgens um Acht wohl auch die Hauptstoßzeit für Leute mit Hunden ist – wegen Gassi gehen und so). Die Leute, die mir begegneten grüßten alle ganz achtsam oder nickten mir zu. „Wo die Welt noch in Ordnung ist“ scheint mir die Phrase zu sein, mit der man so einen Ort beschreiben würde. Die Fassade hier ist auf jeden Fall gefällig.

Ich entdeckte in Gais den lokalen Metzger, mehrere kleine Bekleidungsgeschäfte (Läden, die in deutschen Kleinstädten längst pleite oder einem Kik gewichen wären), den örtlichen Badeteich und den lokalen Tennisplatz – alles furchtbar aufgeräumt und fast schon zu perfekt.

Dorfstraße mit Heimtextilien

Dorfkirche in Gais

Baggeloch – der lokale Badesee

Tennisplätze vor Ort – mit Licht

Den Bäcker entdeckte ich schließlich auch noch und dort orderte ich ein paar Brötchen. Ich bat die Verkäuferin, mir einfach vier verschiedene Brötchen zu geben und nachdem sie drei unterschiedliche Brötchen in die Tüte getan hatte und unschlüssig war, was als viertes zu wählen sei, fragte ich, ob sie auch ein Brötchen mit Kümmel habe. Sie blickte mich fast schon etwas entgeistert, griff dann zu einem Brötchen und erklärte, dies habe besonders viel Kümmel. Beim Frühstück später begriff ich ihren Blick – hier haben einfach alle Brötchen ein wenig Kümmel. Essen ohne Kümmel scheint in Südtirol fast schon unmöglich zu sein.

Nach der Entdeckungstour zu Hause angekommen kam Frank eine gute Stunde nach mir irgendwann auch aus dem Bett und wir konnten uns dem Kümmelfrühstück zuwenden. Frank kombinierte eines der Kümmelbrötchen mit Nutella – eine auf jeden Fall eigensinnige Mischung.

Zu viel Stau

Etwas unschlüssig über das Ziel des Tages ließen wir die Verkehrsmeldungen den Ausschlag über die Reiserichtung geben. Option 1 war Richtung Cortina d’Ampezzo, dem Winterferienzentrum von Südtirol. Option 2 war Richtung Meran, der zweitgrößten Stadt von Südtirol. Die Verkehrslage sah so aus, dass Option 1 über 90 Minuten, Option 2 gleich über 2 Stunden Fahrt gekostet hätte.

Hier ist devinitiv zu viel Verkehr

Flugs kam ich auf Option 3 – wir blieben praktisch im Orte. Keine Viertelstunde von unserer Unterkunft entfernt gab es vor den Toren Brunecks ein Völkerkundemuseum, von dem die Bewertenden auf Google ganz angetan waren. Das Museum war teilweise unter freiem Himmel, das Wetter war großartig, also ging es dorthin.

Volkskunde

Gut anderthalb Stunden verweilten wir in dem Museum, das früher ein Gutshof und zwischendrin eine Dorfschule war. Dort konnte man sehen, wie sich das Leben auf dem Lande in Südtirol in den letzten 300 Jahren angefühlt haben muss – ein wenig beschaulich, reichlich religiös (hier hatten die Adelshäuser eigene direkt integrierte Sakralräume) und vor allem anstrengend. Zum Glück müssen wir heute Felder nicht mehr selbst pflügen, Korn nicht mehr selbst dreschen und Mehl nicht mehr selbst mahlen.

Küche im Museum – Links neuer Sparherd, rechts alte Feuerstelle

Rosengarten des Museums

400 Jahre altes Lagerhaus

Das Museum stellte auch Arztzimmer aus den 50er Jahren aus

Die zwei ganz niedlichen Eselchen des Museums

Blick auf den Garten des Museums mit Bruneck im Hintergrund

Verschätzt!

Das nächste Ziel meiner Option 3 war etwas problematisch. Silke hatte uns die Tesselberger Alm empfohlen. Diese Hütte war von unserer Unterkunft Luftlinie keine fünf Kilometer entfernt und Google erklärte uns, man könnte da irgendwie fast hinfahren und müsste dann nur noch „ein Stück“ laufen und schon könnte man dort den besten Zirbenschnaps (so die Einschätzung von Silkes Vater) trinken. Gerne hätte ich diesen Schnaps noch einmal probiert, aber als wir am Parkplatz für die Alm ankamen, lernten wir, dass der Weg dorthin mehrere hundert Höhenmeter durch den Wald führt und mindestens zwei Stunden dauert. Nun waren wir für diesen Tag gar nicht auf Wandern vorbereitet. Wir trugen Barfußschuhen und in diesen läuft es sich dann doch ein wenig zu beschwerlich über Wurzeln, Stöcke, rollende Steine und Geäst. Also verschoben wir die Tesselberger Alm und den Zirbenschnaps auf ein anderes Mal und fuhren die Straße ein paar Meter weiter zu den Erdpyramiden.

Steine auf Lehm

Erdpyramiden sind eine wunderbar originelle Erfindung der Natur. Steht man davor, sieht man Steine, die auf einem Stalagmit aus Lehm liegen – fast wie in einer Tropfsteinhöhle, nur sieht es hier so als wären die Steine von unten nach oben getropft.

Die Seite suedtirols-sueden.info erklärt dazu ganz anschaulich: Diese Erdpyramiden entstehen dort, wo in Tälern eiszeitliche Gletscher Moränenlehm abgelagert haben. Das Material ist in trockenem Zustand steinhart. Kommt es mit Wasser in Verbindung, wird es zu einem lehmigen Brei, der zu Tal fließt. Doch unter großen Steinen bleibt der Lehm vom Regen geschützt und somit trocken und hart – nur das Material um den Stein herum wird ausgewaschen. So bilden sich Erdsäulen, die bei jedem Niederschlag höher werden.

So sehen die Erdpyramiden aus

Die zwei Pyramidenkundler vor den Steinen

So entstehen Erdpyramiden

Auf dem halbstündigen Weg zu den Erdpyramiden hatten wir einen wunderbaren Blick auf die Dolomiten:

Blick auf die Dolomiten

Blick über die Alm Richtung Dolomiten

Pommes und Bauchklatscher

Nachdem wir am Montag schon nicht in das beheizte Olanger Schwimmbad gehen konnten (weil Frank Badehose und Handtuch fehlten), holten wir dies nun einfach nach. Von den Erdpyramiden war es eine kurze Fahrt nach Olang und ein wenig im warmen Wasser zu planschen, schien uns ein guter Nachmittagsausklang zu sein.

Das Wetter war nur noch spätsommerlich und wahrscheinlich deswegen war das Freibad auch nicht sonderlich voll. Frank schwamm ein paar Bahnen, ich versuchte, nicht unterzugehen und zwischendurch aßen wir Pommes mit Mayo und tranken ein Bier. Pommes und Bier im Freibad erinnerten uns sehr an Bern, wo wir diese Kombi letztes Jahr mehrfach in den Aarebädern hatten.

Nach den Pommes und dem Bier versuchten wir uns noch ein wenig an den Sprungbrettern, wobei ich in erster Linie Arschbomben und Bauchklatscher beim Versuch von Kopfsprüngen zu Stande brachte. Frank stellte sich ein gutes Stück geschickter an und schaffte es immerhin, grazil mit dem Kopf zuerst einzutauchen, ohne viele Spritzer zu machen. Bei mir platschte es vor allem mächtig gewaltig.

Olanger Freibad vor den Bergen

Hmmm Pommes

Fraktion Pommes und Bauchklatscher lümmelt im Freibad

Nach dem Schwimmen

Nachdem ich genug geplatscht hatte, fuhren wir zu unserer Unterkunft, wo ich mich ein wenig in die Hängematte in die Spätnachmittagssonne legte und mir den Bauch bescheinen ließ.

Pizza auf dem Tennisplatz

Nun war ja Dienstag und Dienstag ist immer unser Tennistag. Jeden Dienstag sind Frank und ich mit unserer Mitspielerrasselbande auf dem Tennisplatz in Treptow und spielen mit einem kleinen gelben Ball auf rotem Sand. Gut, ich spiele zur Zeit nicht, weil meine Hand kaputt ist, aber auf den Tennisplatz gehe ich trotzdem, denn dort angeschlossen ist unsere Vereinsgastronomie bei der wir immer fantastische Pizza und Raki bekommen.

Was ein Glück war es, dass Gais auch einen solchen Tennisplatz mit angeschlossener Gastronomie hatte. So konnten Frank und ich zumindest der Pizza-Tradition am Dienstag treu bleiben. So liefen wir am Abend zu dem Lokal, beschauten den (leeren) Tennisplatz und orderten Pizza und Calzone. Dazu gab es eine Menge lokalen Wein und am Ende des Abends auch noch ein wenig Hochprozentiges – Heuschnaps (der wird hier im Ahrntal aus Wodka und 40 bis 50 verschiedenen Kräutern gebrannt) und Grappa. Etwas erstaunt waren wir über den Preis – unter 40 Euro für 1 Bier, 3 Wein, 2 Pizzen und 2 Schnaps. Das war billiger als in unserer Kneipe bei Atci.

Calzone mit der Soße außen

Franks Pizza mit Schinken und Ei

Vollgefuttert und beseelt liefen wir die kurze Strecke nach Hause und ließen bei ein wenig Tee und Schokobons den Abend ausklingen.

Tag 5 – Südtiroler Lausitz

Nachdem wir am Dienstag kein zu anstrengendes Programm hatten, konnten wir am Mittwoch natürlich nicht so auf der faulen Haut liegen. Frank hatte schon vor unserer Reise einen Wanderweg auserkoren – den Lausitzer Höhenweg. Wenn man wie Frank aus der Lausitz kommt, dann wäre es ja fast schon skandalös, diesen Weg nicht zu laufen. Tatsächlich ist es auch für Personen, die nicht aus der Lausitz kommen (also für mich zum Beispiel), skandalös, diesen Weg nicht zu laufen, wenn man denn in der Gegend ist. Denn der Weg ist grandios. Ein klein wenig anstrengend. Aber grandios!

An Wandertagen gelten auch bei Frank stalinistische Aufstehzeiten und so klingelte um kurz nach Sieben der Wecker. Etwas schläfrig tappelten wir in die Küche, kochten Kaffee und erwärmten ein paar Brötchen. Trotzdem dauerte es fast eine Stunde, bis wir ausgehfertig in unseren Wanderklamotten waren und das Automobil besteigen konnten. Man will schließlich hübsch gemacht auf die Wanderung gehen.

Der Lausitzer Höhenweg liegt ganz am Ende des Ahrntals mitten in den Bergen (… das ist wohl meist so bei Tälern …). Das Ahrntal liegt im Ausläufer der Zillertaler Alpen und auch unser Domizil liegt in diesem Tal. Das heißt, wir mussten nur unseren Ort verlassen und der Strada Statale gen Norden folgen. Wir fuhren durch mehrere malerische kleine Örtchen, die allesamt genauso sauber und ordentlich aussahen wie Gais (der Ort in dem wir wohnten) und nach gut 40 Minuten hatten wir das Ende der Straße und damit unser Ziel erreicht. Das Ahrntal ist ein Sack-Tal und man kann die Berge hier – zumindest mit dem Auto – nicht passieren. Dafür kann man wirklich wundervoll wandern und wir waren keineswegs die Einzigen, die für den Tag auf diese Idee kamen. Es gab einen riesigen Wandererparkplatz, welcher auch früh morgens schon gut gefüllt war.

Parkplatz vor der Wanderung – wir waren keineswegs allein

Vom Parkplatz marschierten wir die ersten Kilometer einen erstaunlich breiten Weg mit zahlreichen Mitwanderern.

Es dauerte keine Viertelstunde, da schauten wir uns beide an und stellten fest, dass wir schon ein bisschen bescheuert sein müssen, keine zwei Tage nach einer anstrengenden Wanderung gleich eine noch längere Wanderung zu unternehmen. Wir hatten noch einen dezenten Muskelkater in unseren Schenkeln und statt einer weiteren Höhentour hätten wir auch gemütlich in der Hängematte oder im Freibad liegen können. Aber bescheuert oder nicht, nun waren schon einmal hier und was man angefangen hat, soll man auch zu Ende bringen – auch wenn es weh tut. Außerdem konnten wir zu dem Zeitpunkt schon abschätzen, dass die Landschaft hier phänomenal aussehen musste.

So begann unsere Wanderung

Erstes Ziel unserer Tour war Franzi. Franzi ist eine liebe Bekannte, die aus Südtirol kommt. Sie wohnt inzwischen in Berlin, wo wir uns kennengelernt haben. Ihre Familie betreibt hier eine Almhütte – die Kehreralm. „Hier“ heißt, direkt auf unserer Wanderroute. Und Franzi war über den August auf dieser Alm und arbeitete auf der Alm. Sie wusste gar nichts von ihrem Glück, als wir plötzlich in der Wirtschaft standen und sie freudestrahlend begrüßten.

Wir plauschten kurz, Franzi berichtete, dass sie vier Wochen fast ausschließlich in der Hütte war und dort von morgens bis abends Kuchen buk, Essen vorbereitete und Gäste bewirtete. Die spendierte uns zwei Espresso und Holundersaft und nach zehn Minuten mussten wir weiterziehen und ließen Franzi wieder ihrer Arbeit nachgehen.

Das ist die Kehreralm

Frank, Franzi und Arved

Bis zur Kehreralm und Franzi hatten wir in einer Stunde erstaunlich schnellen Schrittes 5 Kilometer und fast 200 Höhenmeter bewältigt. Schon dachten wir, dass unsere Beine so müde dann doch nicht sein konnten. Aber nach der Alm schloss sich ein etwas anstrengender Anstieg an. Mehr als eine Stunde liefen wir im Zick-Zack eine Strecke nach oben, die sich fast wie eine Treppe anfühlte. Das Gehen wurde uns zwar nicht durch unnütze Wurzeln oder Stöcke erschwert, aber mühselig war der Anstieg nichtsdestominder, ging es in Summe doch über 600 weitere Höhenmeter nach oben. Der Blick zurück ins Tal war jedoch immer wieder schwer beeindruckend.

Hier war die Hälfte des Aufstiegs geschafft

Mitten auf dem Weg lagen hier überall Kühe rum

Blick in das Ahrntal

Frank freundet sich mit einer Kuh an

Ein paar Ponies trafen wir zwischendurch auch

Beim Aufstieg war ich etwas kaputter als Frank

Schließlich erreichten wir die Birnlücken-Hütte – eine kleine bewirtschaftete Alm in 2.440 Metern Höhe. Gestartet waren wir am Parkplatz bei rund 1.600 Höhenmetern.

Dort oben abgekommen konnte ich meine komplette Kleidung auswringen, so durchschwitzt war ich. Zumindest bei meiner Oberbekleidung tat ich das auch. Ich bin auf solche Wanderungen gut vorbereitet und trage in meinem riesigen Rucksack immer mindestens eine zweite Jacke und mehrere Ersatz-Shirts. So konnte ich in trockene Kleidung schlüpfen und ließ meine anderen Sachen am Rucksack hängen und im Wind trocknen.

Wir tranken einen Schluck Filterkaffee aus der Thermoskanne (wichtiger Tipp: nie eine Wanderung ohne Filterkaffee beginnen!) und genossen die Aussicht. Das Mittagbrot sollte erst später eingenommen werden.

Blick auf das Ahrntal von der Birnlückenhütte

Selfie vom Gipfel

Eindruck von der Birnlückenhütte

Von der Birnlücken-Hütte bogen wir ab auf den hier startenden Lausitzer Höhenweg. Während unseres Aufstiegs bis zur Hütte waren wir noch die gesamte Zeit in der Mitte des Tals entlang der Ahr (die hier nur ein kleines Gebirgsbächlein war) gelaufen. Nun liefen wir am westlichen Gebirgskamm auf einem Höhenweg und hatten von dort einen sagenhaften Blick auf das Tal, die Ahr und die Berge.

Start des Lausitzer Höhenwegs und Blick auf die Birnlückenhütte

Nach einer Dreiviertelstunde auf dem Höhenweg fing mein Magen an zu knurren und ich fragte, wann wir denn wohl mittagbroten könnten. Frank wollte lieber noch ein wenig laufen, aber mein vorsichtig forsches Dremmeln und eine fast schon absurd idyllische und einladende Stelle entlang des Weges stimmten ihn schnell um, und wir ließen uns nieder, um belegte Brote und noch mehr Filterkaffee zu genießen.

Bestes und most idyllisch Mittagbrot ever

Ich hätte an Ort und Stelle problemlos eine Stunde in der Sonne schlafen können, aber uns stand noch eine Menge Strecke bevor, also verzichtete ich auf meinen Mittagschlag und wir wanderten alsbald weiter.

Es schlossen sich ein paar etwas schwierigere Passagen auf dem Weg an, unter anderem die Teufelsstiege. Hier musste man auf steilen Holztreppen nach untern klettern und sich dabei an einem Halteseil gut festhalten, um nicht die teils etwas morschen und unebenen Stufen hinabzustürzen. Dieses Hindernis stellte uns jedoch vor keine größeren Herausforderungen – schließlich standen wir schon vor ähnlich schwierigen Auf- und Abstiegen.

Ein wenig bekloppt kurz unter den Wolken

Steile Stufen an der Teufelsstiege

Klettern mit zu viel Haar ist gar nicht so leicht

Irgendwann erreichten wir ein mitten auf dem Weg liegendes verlassenes Steinhaus. Darauf war groß „Zoll“ vermerkt. Offenbar verlief die Grenze zwischen Italien und Österreich irgendwann vor gut 100 Jahren an dieser Stelle. Wie das Verzollen auf Bergpässen, die nur zu Fuß durchquert werden können, damals funktionierte, weiß ich nicht. Aber jetzt wollte keiner mehr Zoll von uns und wir setzten uns kurz danieder und teilten schiedlich die letzte belegte Stulle und ein paar Schokobons.

Auf einmal – ein Zollhaus

Danach machten wir uns auf den letzten Teil des Wegs und waren vor allem mit dem Abstieg beschäftigt. Dieser funktionierte besser als bei der Wanderung zwei Tage zuvor von der Roten Wand, war allerdings erstaunlich lang. Zwischendrin ging mir meine Cyberpunk-Karen-Gedächtnis-Frisur ziemlich auf den Senkel. Ich sah nichts mehr, weil mir einfach immer meine Haare vor den Augen hingen. Zum Glück fand ich ein Zopfgummi und konnte mich von Karen in einen Zausel verwandeln.

Goodbye Karen-Haarschnitt, hello Zopf-Zausel

Beim Abstieg stießen wir auf einen Jägerzaun

Wiese und Berg beim Abstieg

Ein Zausel und ein paar Kühe

Hier war der Abstieg halb geschafft

Am Ende waren wir rund 20 Kilometer unterwegs und hatten innerhalb von siebeneinhalb Stunden insgesamt fast 1.100 Höhenmeter bewältigt.

Zahlen zum Lausitzer Höhenweg

Die Wanderung war sehr lohnend und die Fotos vermitteln nur ein sehr vages Bild, wie maßlos eindrucksvoll der Blick von der Alpenwand auf das Ahrntal ist. Auf jeden Fall waren wir nach dem ganzen Gewandere gut groggy und zu Hause angekommen legte Frank sich erst einmal in die Badewanne und ich in die Hängematte. Aber sehr lang hielten wir dieses Faulenzen dann doch nicht aus und ich begann mit dem Schreiben meines Berichts, während Frank in der Küche werkelte und Rührei produzierte.

Erst mal in die Hängematte

Die Wanne wartet auf Wasser und Frank

Frank rührt im Rührei (es war sehr gut!)

Tag 6 – Der anstrengende Tag im Leben eines Weinkenners

Mit 20 Kilometern Wanderung in den Knochen gingen wir am Mittwoch vergleichsweise zeitig ins Bett – es war wohl noch nicht einmal elf Uhr abends. Am nächsten Morgen meinte mein Körper gegen sieben Uhr, es sei genug geschlafen worden. Vielleicht lag meine zeitige Bettflucht auch daran, dass in unserer an und für sich fantastischen Unterkunft die Kopfkissen fast schon absurd klein bemessen sind. Sie sind kaum größer als ein Topflappen und womöglich eher für Ameisen gedacht. Nach ein paar Stunden Schlafes wird die Lage auf solchen Minikissen etwas leidig.

Ich nutzte die frühe Stunde und wackelte noch einmal ins Dorf hinab, um dort im Supermarkt ein paar Dinge für das Frühstück zu holen und machte abermals meine Aufwartung beim Bäcker. Diesmal fragte ich nicht gesondert nach Kümmelbrötchen. Es spielte ohnehin keine Rolle. Wie ich später zu Hause merkte, war in fast allen Brötchen so oder so ein wenig Kümmel drin.

Ich war sehr zeitig wieder in der Wohnung angekommen, die Sonne lugte grade so über den Berg vor unserer Wohnung und ich überlegte, ob ich die Zeit mit Frühsport oder planlosem Prokrastinieren im Internet nutzen sollte. Just als ich mich aufraffte, mich an die Klimmzugstange zu hängen, schob Frank sein Köpfchen auf die Terrasse und verlangte nach Frühstück. Es war grade erst 8 Uhr – für Frank eine ungewöhnlich frühe Zeit. Und mein schöner Frühsport! Und mein planloses Prokrastinieren! Aber wer bin ich, dass ich Frank sein Frühstück verweigere. Schließlich hatte er schon zweimal hier für uns schön gekocht und ich bin normalerweise derjenige, der für das Frühstück verantwortlich ist.

Tour de Vin

Auch nach dem Frühstück war der Tag noch sehr jung und so erklärten wir den Donnerstag kurzerhand zum Tag des Weinkaufs. Südtirol – genauer gesagt die Gegend rund um Bozen – ist für seine Weine bekannt und dort sind ähnlich wie im Burgund auf engem Raum zahlreiche Winzer, die verschiedene Weine produzieren. Insbesondere die Rotweinrebe Lagrein wird praktisch nur in Südtirol angebaut und auch Gewürztraminer bekommt man vor allen Dingen hier. Da war es fast schon selbstverständlich, dass Frank darauf bestand, hier eine Einkaufstour zu machen.

Der kleine Haken an der Sache war, dass die Winzer gut 100 Kilometer von unserem Domizil entfernt waren. Und hier in Südtirol heißt 100 Kilometer einfach einmal 2 Stunden Fahrt – trotz Autobahn. Es gibt hier einfach viel zu viele Autos, die sich auf schlanken Straßen durch die Städtchen schieben. Viele Orte haben keine Umgehungsstraße und so geht die einzige größere Straße mitten durch den Ort, wo Fußgänger, Abbieger oder Radfahrer ihren Anspruch auf Benutzung des Asphalts geltend machen. Das Ergebnis ist dann Congestione stradale – oder kurz Stau.

Der Stau wurde uns fast zum Verhängnis, war unser erstes Ziel in Bozen doch das Kloster Muri-Gries. Und das Kloster Muri-Gries schloss seine Weinverkaufsstelle um 12.00 Uhr (vermutlich, um einem Gott zu frönen). Zehn Minuten vor Ladenschluss schafften wir es noch in das Kloster, wo uns eine nette junge Dame ein paar Weine kredenzte. Die Dame erzählte uns, dass sie uns einige Weine nur deswegen anbieten kann, weil die letzten anderthalb Jahre Corona war. Das Kloster beliefert vor allem Restaurants und Hotels in der Region um Bozen und diese konnten aufgrund der Schließungen weit weniger Wein abnehmen als sonst üblich. Für uns war dieser Umstand ein glücklicher, kamen wir doch so in die Lage, eine Kiste fabelhaften Lagrein Riservas zu erwerben, die sonst gar nicht zum Verkauf gestanden hätte.

Benediktiner-Kloster Muri-Gries

Zeit, das Kloster zu erkunden oder in Erfahrung zu bringen, warum ein Kloster mitten in der Stadt Wein macht, hatten wir leider nicht, denn es mussten noch zahlreiche weitere Weingüter besucht werden.

Der Reihe nach steuerten wir hernach die Kellerei Bozen, das Weingut Schreckbichl, die Kellerei Girlan und das Weingut Ritterhof an. Das Geschehen dort folgte jeweils dem selben Ablaufmuster – vor uns wurden zahlreiche Weinflaschen aufgebaut, damit Gläser gefüllt, Frank probierte und am Ende wurden die besseren der verkosteten Weine in das Auto geladen. Dann und wann testete ich auch einen Wein, da ich jedoch der erkorene Fahrer war, beschränkte ich mich auf homöopathische Mengen und hielt mich vor allem an dem zum Wein gereichten Wasser fest. Zum Glück hatte Frank im Vorfeld bereits recherchiert, welche Weingüter besonders prämierte Weine auf Lager hat. So mussten wir uns nicht durch das ganze Sortiment trinken, sondern nur durch die relevanten Varianten des jeweiligen Guts.

Professionelles Weinprobieren

Blick auf die Bozener Weinberge

Selfie vor dem Wein

Wir hatten bereits in Frankreich zahlreiche Weinverkostungen mitgemacht und kennen das Prozedere ganz gut. Dort – im Burgund zumindest – waren die Weingüter in der Regel ein gutes Stück kleiner und persönlicher. Der Winzer kannte quasi jeden Rebstock und erzählte uns gerne stolz über die Geschichte des Guts und die Anbauflächen. Hier hatte ich das Gefühl, die Weingüter waren alle ein gutes Stück industrieller, größer und durchrationalisierter. Die Verkaufsräume waren groß, darin standen alle Weine zur Auswahl mit „Verzehrhinweisen“, unter den Flaschen waren die verschiedenen Prämierungen für den Jahrgang angebracht und der Verkauf war sehr professionell.

Über einen Zeitraum von knapp 4 Stunden erwarben wir unter anderem Lagreins, Gewürztraminer, Blauburgunder, Vernatsch und ein paar Rosé-Varianten. Damit füllten wir unseren Kofferraum, um damit dann in Berlin das Weinregal aufzufüllen.

Unsere Ausbeute

Ölsardinen

Zum Ende unserer Tour de Vin waren wir kurz vor dem Kalterer See und dieser wirbt damit, der wärmste See der Alpen zu sein. Draußen waren 28 Grad, wir waren gut k.o. und der See sah einladend blau aus. Leider kommt man in den See nur über eines von drei oder vier Seebädern, die Eintritt verlangen und über einem Steg Zugang zum Wasser ermöglichen. Wir fuhren zum nächstbesten Seebad, dem „Gretl am See“ und staunten nicht schlecht, einen riesigen Parkplatz vollgeparkt mit deutschen Nummernschildern zu sehen. So voll wie der Parkplatz war, war das Seebad dann auch. Man zwängte sich wie Ölsardinen nebeneinander, im See stieß man beim Schwimmen mit anderen Menschen zusammen und auf der Wiese hörte ich um mich herum Pfälzisch, Bayrisch und einen Dialekt, der am ehesten wie Schwäbisch klang. Ich versuchte, mich ein bisschen zu erholen, doch so recht funktionierte das nicht. Aber immerhin war das Wasser tatsächlich recht warm – es hatte 24 Grad.

Ein zu volles Seebad

Der Kalterer See

Eine gute Stunde hielten wir es in dem Bad aus, dann entschieden wir uns, nach Hause zu fahren. Die Rückfahrt war mit weniger Stau verbunden, aber trotzdem verbrachten wir abermals mehr als anderthalb Stunden im Auto.

Tamtam und phänomenales Fleisch

Daheim konnten wir 30 Minuten ruhen, dann mussten wir schon wieder aufbrechen, denn für den Abend hatten wir in einem im Guide Michelin erwähnten Restaurant einen Tisch reserviert. Das Restaurant trug den Namen Sichelburg, lag zwei Dörfer weiter und war – wie der Name es schon vermuten lässt – in einer alten Burg untergebracht.

Restaurant Sichelburg am Abend

Dort herinnen wurden wir von zwei Kellnern an unseren Tisch geführt und Frank brauchte erst einmal ein wenig, um die Karte zu verstehen. Denn darauf gab es ein „Überraschungsmenü“. Die Kellnerin erklärte, dass man bei diesem Menü nicht wisse, was es gäbe und nur wählen könne, ob Fleisch oder Fisch. Frank war das etwas zu abenteuerlich, ich jedoch begab mich direkt in die Ungewissheit und vertraute darauf, dass der prämierte Koch schon wissen wird, was er seinen Gästen anbieten kann.

Mein erster Gang war dann für mich ein wenig irritierend. Es gab Ochsen-Carpaccio, das ein wenig nach nichts schmeckte. Dafür waren auf das Carpaccio viele verschieden Dinge raufgekleckert und gekrümelt – Käse, Tomaten, grüne Dips (die möglicherweise Erbsenpüree waren) und ein paar Brotkrumen waren auch dabei. Sprich – ich hatte stets viel verschiedenes Zeug im Mund, wusste aber gar nicht, was ich da eigentlich genau grade schmeckte.

Zum Glück waren die restlichen Gänge mit weniger Tamtam, sondern richtig gutes Essen. Tatsächlich war mein Hauptgericht – Black Angus Rind – ganz fantastisches Fleisch, das so weich war, dass man es praktisch lutschen konnte.

Frank war mit seinen Gerichten – unter anderem Kalbsrücken und gefüllten Teigtaschen mit Stracciatella und Brennnesseln – auch ganz selig. Am Ende gingen wir nach zweieinhalb Stunden gut gefüllt und zufrieden zum Auto und fuhren nach Hause.

Ochsencarpaccio mit Tamtam

Frank hatte Brennnesselteigtaschen mit Stracciatella

Zwischengang – Rehschulter in Teigtasche

Mein Hauptgang: Black Angus Rind

Nachtisch – Zitronenmousse mit Erdbeeren und Schaum aus grünem Tee

Zu Hause fanden wir vor unserer Wohnungstür noch einen Teller mit Krapfen, den unsere Vermieter uns dort hingestellt hatten. Wir hatten zwar eben erst gut gegessen, aber so ein Mitternachtssnack passte gerade noch so rein.

Tag 7 – Laut Stampfen und Schnaufen

Der Freitag war der letzte Reisetag, den wir in Südtirol hatten. Nach dem ganzen Rumgewandere und dem Weinerwerb schlief ich diesen Tag tatsächlich ein klein wenig länger und eigentlich hätte ich nichts dagegen gehabt, den gesamten Tag in der Hängematte zu verbringen und meine Tagesaktivität auf den Besuch des lokalen Pizzaladens am Abend zu beschränken. Es war schließlich Urlaub und bislang war ich noch gar nicht besonders erholt. Frank jedoch wollte eine letzte Wanderung unternehmen.

Ich wollte daheim bleiben und Frank wollte Wandern gehen. Wir einigten uns kurzerhand auf einen Kompromiss. Wir gingen Wandern.

Ein wenig Einsicht in das Wandern hatte ich ja. Das Wetter war sonnig und warm und wir hatten noch einen Zielvorschlag von Silke zu absolvieren, nämlich die Tesselberger Alm, die wir schon am zweiten Reisetag ansteuern wollten, dann aber davon Abstand nahmen, als wir bemerkten, dass eine zweistündige Wanderung von Nöten war.

Diesmal hatten wir die Ausrüstung und Zeit dabei und fuhren zum Ausgangspunkt der Wanderung zur Tesselberger Alm. Dieser Ausgangspunkt ist im Örtchen Tesselberg (wie naheliegend!) und der Ort ist von Gais über eine schmale Serpentinenstraße zu erreichen. Auf dem Weg den Berg hinauf fuhren wir durch mehrere kleine Dörfchen, die hier malerisch im Hang liegen. Jedes dieser Dörfer, ganz egal wie klein, auch wenn es nur ein Kuhstall mit Bauernhütte ist, hat in Südtirol drei Dinge:

  1. Es gibt eine Kirche.
  2. Jedes Dorf hat mindestens eine Bushaltestelle.
  3. LTE. Überall, wo es Hütten gibt, gibt es auch ordentliches Netz.

Hütten, Kirche, Bushalte und LTE – das typische kleine Dorf in den Bergen Südtirols

Auf rund 1.500 Metern Höhe stellten wir in Tesselberg den Wagen ab und begaben uns auf den knapp zweistündigen Aufstieg zu einer Bergkuppe mit dem schönen Namen „Hühnerspiel“. Der Weg hinauf war vergleichsweise steil, wenn auch eigentlich flotten Fußes durch den Wald auf einem halbwegs befestigten Weg zu bewältigen. Über eine Strecke von 4,5 Kilometern legten wir etwas über 600 Höhenmeter zurück.

Ich ging vorweg und zwischendrin hörte ich hinter mir Frank ein wenig keuchen. Der Anstieg schien ihm etwas schwerer zu fallen als gedacht.  Aus dem Keuchen wurde ein lautes Stampfen und Schnaufen und ich grinste ein wenig gehässig in mich hinein. Ich wollte ja eigentlich auf der Hängematte liegend nichts machen, Frank wollte wandern. Dann konnte er auch ein wenig schnaufen.

Aber eine kurze Pause brachte Franks Kräfte schnell zurück und wir waren flugs wieder des Weges.

Aufstieg durch den Forst

Auf dem Gipfel des Hühnerspiels angekommen, hatten wir einen hervorragenden Blick in das Tal und sahen sogar unser Örtchen Gais.

Blick in das Ahrntal vom Hühnerspiel

Juhu, Gipfel geschafft

Von hier war es ein kurzer Höhenweg bis zur Tesselberger Alm. Zwischendrin mussten wir ein paar Kühe passieren, die hier mitten auf dem Weg lagen und keine Anstalten machten, sich auch nur einen Meter zu bewegen. Ich erklärte Frank (vermutlich zum zehnten Mal in dieser Woche), wie gefährlich Kühe sein können und dass man vor ihnen Respekt haben sollte. Dann lag die eine Kuh aber doch so niedlich vor mir, dass ich sie streichelte. Die Kuh schnaufte mir auf die Hand und ich unterließ weitere Annährungsversuche. Ein Gruppenfoto ging allerdings:

Kuh-Selfie mit Tesselberger Alm im Hintergrund

Kurz drauf standen wir vor der Alm und einen Moment machte sich in mir Enttäuschung breit. Silke hatte uns zuvor ein Foto von der Alm geschickt und darauf waren Ziegen zu sehen. Ich sah keine Ziegen. Mir wurden Ziegen versprochen! Just als ich dies dachte, hörte ich es hinter mir in gewisser Entfernung wild bimmeln. Da standen Ziegen weiter oben auf dem Hang. Nein, Moment, sie kamen den Hang hinab. Nein, halt, sie liefen auf die Alm zu. Beziehungsweise. Sie liefen auf uns zu!

Okay, die Ziegen liefen doch nicht genau auf uns zu, sondern auf ihre Futterstelle, vor der wir grade standen. Aber nun waren sie einmal da und einigen ließen sich sogar streicheln. Das ganz große Interesse an uns ließ jedoch nach, sobald die Tiere bemerkten, dass wir gar kein Futter dabei hatten.

Frank vor den Ziegen

Auf der Alm selbst gab es zahlreiche Hühner und mitten zwischen den Hühnern standen zwei bequeme Stühle mit einem Tisch. Dort nahmen wir Platz und alsbald fragte uns ein netter junger Mann nach unseren Wünschen. Wir bestellten einmal (fast) alle Getränke im Angebot: Wasser, Kaffee, Bier und den (laut Silkes Vater) besten Zirbenschnaps der Welt. Dazu wurde uns eine Jausenplatte mit verschiedenen Sorten Salami, Käse und Brot zusammengestellt.

Das Klöhnsche Urlaubsgedeck – Bier und Kaffee (und ausnahmsweise Schnaps)

Es war gar nicht so einfach, inmitten der Hühner die Hoheit über das Essen zu bewahren. Hühner sind nicht nur furchtbar niedlich und drollig, sondern auch neugierig und prinzipiell der Meinung, jedes Essen auf der Welt sei nur für sie gemacht worden. Kaum stand die Käse-Wurst-Platte auf dem Tisch, hatte ein Huhn schon seinen Schnabel mittendrin und zog mit einem Stück Schinken ab. Das ging so nicht. Fortan stellte ich die Platte auf meinen Schoß. Die Hühner hatten gerade so genug Respekt, mir das Essen nicht von den Beinen zu picken.

Großes Interesse an der Wurst-Käse-Platte

Der Wurstdieb

Eine gute Stunde verbrachten wir auf der Alm, saßen in der Sonne und freuten uns an den Hühnern. Ich probierte noch kurz eine Hängematte aus, die vor der Hütte stand. So kam ich dann doch zumindest kurz zu meinem Liegen in der Hängematte für den Tag.

Mein Blick von der Hängematte

Abschiedsselfie Vor der Tesselberger Alm

Schließlich machten wir uns auf ins Tal. Der Weg war fast schon zu einfach – war er doch so befestigt, dass auch ein normales Automobil hier entlang fahren konnte. So war unsere letzte Tiroler Wanderung trotz des anfänglichen Stampfens und Schnaufens die einfachste und mit Abstand kürzeste.

Unsere kurze Wanderung

Anschließend statteten wir dem Ort Taufers noch einen kurzen Besuch ab, wo ich ein wenig Heuschnaps für das heimische Spirituosenkabinett erwarb. Dann ging es nach Hause. Dort probierte nun auch ich einmal die bombastisch riesige Badewanne aus. Ich stellte mich dabei aber wohl ein wenig ungeschickt an, denn ich fand beim besten Willen keine Lage, in der ich nicht komplett in die Wanne hineinrutschte und mit dem Kopf unter Wasser lag. Ich bin ein schlechter Schimmer, da ist eine solche Lage gefährlich! Egal – zumindest duftete ich nach dem Bad gut nach dem Badezusatz. Der Geruch erinnerte mich an den Zirbenschnaps.

Zum Abschluss des Abends besuchten wir den örtlichen Pizzaladen am Sportplatz, verdrückten Nudeln und eine weiße Pizza (das ist eine Pizza ohne Tomatensauce), tranken eine Unmenge Aperol und noch ein bisschen Heuschnaps. Dann wurde es langsam ein wenig zu frostig und wir machten uns auf zu unserem Domizil. Dort hüllten wir uns in dicke Decken und ließen unseren letzten Abend in Südtirol trotz eisiger Temperaturen auf der Terrasse ausklingen.

Tag 8 – Berlin, mon amour

Südtirol ist wirklich wunderschön. Aber leider irgendwie auch viel zu weit weg. Wir mussten den gesamten Samstag als Reisetag einplanen und verbrachten über zehn Stunden im Auto, bis wir es von den Alpen an die Spree geschafft hatten.

Morgens stand ich kurz nach der Dämmerung auf, brühte mir mit der extra mitgebrachten Filterkaffeezubereitungseinrichtung (ein fantastisch praktisches Geschenk von Robert) einen Filterkaffee auf und setzt mich daran, den Tagesbericht vom Vortag zu verfassen. Ich freute mich noch einmal über Ziegen und Hühner und just als der Bericht in Rohform fertig war, begrüßte mich Frank. Ein letztes Mal bereitete ich Frühstück und in emsiger Hast nahmen wir es ein.

Dann wuselten wir eine halbe Stunde durch die Wohnung, sammelte all unsere Dinge zusammen und versetzten die Wohnung in einen übergabefähigen Zustand.

Um kurz nach 10 verließen wir unser Domizil, das uns in der letzten Woche durchaus ans Herz gewachsen war und begannen die Heimreise. Diese Heimreise führte uns zunächst zum örtlichen Supermarkt, wo ich Reiseproviant in Form von Schokoriegeln und noch mehr Heuschnaps (und zwar genau die Sorte, die wir an zwei Abenden im Restaurant des Tennisclubs bekamen) erwarb.

Dann begann die eigentliche Fahrt. Und sie wurde mühsam. Schon kurz hinter Bruneck standen wir eine gute halbe Stunde im Stau. Es gab einfach zu viele Autos auf zu kleinen Straßen und wir mussten einige Strecken fast im Schritttempo zurücklegen.

So sah der Stau in Gegenrichtung aus – in unsere Richtung folgte er kurz später

Irgendwann erreichten wir den Brenner, überquerten den Pass und standen dann in Österreich ein wenig mehr im Stau. Die eigentlich Autobahnroute ab der Grenze nach Deutschland hätte uns erst nach München und dann über Nürnberg geführt. Aber die Verkehrsprognosen für weite Teile dieser Strecke waren tief dunkelrot – Stop & Go. Das kommt dabei raus, wenn man tagsüber an einem Samstag in den Sommerferien durch Bayern fährt. Kurzerhand entschieden wir uns, statt der Autobahn über die B15 zu fahren.

So durchquerten wir Rosenheim, Landshut und Regensburg, um dann fast schon entlang der tschechischen Grenze Richtung Berlin zu fahren. Ob die Umfahrung des Staus über diese Dorfstrecke am Ende etwas gebracht hat, konnten wir nicht wirklich sagen. Aber immerhin durchfuhren wir auf diese Weise Orte, die ich noch nie gesehen hatte und möglichweise auch nicht noch einmal sehen werde.

Kurz vor Hof machten wir Rast, verzehrten die mitgebrachten Stullen und labten uns am Filterkaffee aus der Thermoskanne.

Stullen und Filterkaffee – ein Mahl für Könige

Während der Fahrt vertrieben wir uns nach Empfehlung von Moritz die Zeit mit Buch Marzahn, mon amour: Geschichten einer Fußpflegerin (in Hörbuchform von der Autorin selbst gesprochen). Das ist ein ganz entzückendes Werk in dem Katja Oskamp über Anekdoten und biographische Fragmente das Leben einer ganzen Generation nachzeichnet – genauer gesagt das Leben der Generation DDR, zumeist Leute, die inzwischen um die 80 sind und in Berlin Marzahn wohnen. Es waren viele kleine unscheinbare Personen, zumeist schiefe und irgendwie nicht erfolgreich scheinende Existenzen, die hier beschrieben wurden. Aber fast alle Personen und Lebenswege waren auf ihre Art und Weise lebens- und liebenswert. Außerdem machte die Autorin Mut, dass das Leben, auch wenn man schon gut über die jungen Jahre hinaus ist, noch abwechslungsreich und wertvoll sein kann. Es ist ein ganz famoses (und übersichtlich kurzes) Buch, dass wir nur empfehlen können.

In den Abendstunden erreichten wir schließlich Berlin. Es dunkelte, ein Nieselregen kam herab und draußen war es kühl. Wir waren wieder zu Hause. Berlin, mon amour!

Ich freute mich auf mein eigenes Bett und darauf, endlich wieder ein Kopfkissen in Menschen- und nicht in Ameisengröße nutzen können.

Wir werden Südtirol fast sicher erneut besuchen. Immerhin verstehen wir jetzt, warum so viele unserer Freunde schon so oft da waren.

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Rob
Rob
22. August 2021 8:18

Wasn Ausblick. Ich würde diesen Teil der Terrasse nie mehr verlassen! Ich sehe, Berge und Wanderungen und Bergseen und Felsformationen und Bergpanoramen und Skifahren!

Frank
Frank
23. August 2021 19:56
Reply to  Rob

Naja das mit dem Skifahren müssen wir mal ohne den Arved machen. Der bleibt dann bei ner Tasse Kakao und Budenzauber im Chaletchen. ☺️

Tammo
Tammo
22. August 2021 16:06

Über ein Jahr lang musste der geneigte Leser warten, nun geht es endlich wieder los – die abendliche Unterhaltung der kommenden Tage ist gesichert! Wünsche euch einen erholsamen Urlaub und uns große Freude beim Lesen …

Tammo
Tammo
25. August 2021 0:46

Toll, dass ihr so wichtige Traditionen wie den Pizza-Dienstag auch 900 km südlich einhaltet. Ich hoffe, ihr habt dabei nicht an Wein gespart!

PS: Wurden die Bauchklatscher eigentlich auch in einem Video festgehalten? Ich bin bestimmt nicht der einzige, der sich dort noch etwas von abschauen könnte