Tag 11: Tantra und Rechnungswesen im Burgund

Der Mittwoch war unser letzter Morgen bei Jacques und Corinne. Zum Abschied gab es zum Frühstück tatsächlich einmal Käse und ein posches Österreicherpärchen, das wir letztes Jahr schon sahen, war auch wieder da.

Wir hatten aber nicht sonderlich viel Zeit, uns mit den Österreichern über die Wiener Noblesse auszutauschen. Wir mussten unsere Dinge in das Auto laden, Weine einsortieren und machten uns kurz nach dem Frühstück auf den Weg.

Dijon war das Ziel. Dort kam um kurz vor 11 Uhr Denis am Bahnhof an und mit dem wollten unsere letzten Reisetage verbringen. Denis machte deroweil in Paris ein Praktikum und um ihn einmal wieder zu sehen (und weil wir von Paris ja gar nicht so weit weg waren) planten wir ihn einfach in den Urlaub mit ein. Er stieg aus einem antiken Zug aus, den man in Deutschland wohl nur noch im Technischen Museum findet – dafür kostete die dreistündige Fahrt nur 12 Euro.

In Dijon machten wir ein kleinen Stadtrundgang und schafften es diesmal sogar auf den Tour Philippe le Bon, einen Turm aus dem 14. Jahrhundert mitten in der Altstadt. Hierfür musste man im Voraus einen Rundgang buchen, etwas das Frank und ich im Vorjahr versäumten, weswegen uns die Aussicht von dem Turm damals verwehrt blieb. Diesmal hatten wir im Vorfeld gebucht und so durften wir die 368 Stufen auf die Spitze erklimmen. Dort oben hatten wir einen eindrucksvollen Blick auf die Dächer und Plätze der mittelalterlichen Altstadt.

Place de la Libération in Dijon von oben
Place de la Libération in Dijon von oben
Selfie vom Turm
Selfie vom Turm

Wir flanierten hernach noch kurz durch die Stadt und Denis kaufte in einem Törtchenfachgeschäft drei appetitlich aussehende Küchelchen. Die sollten später verdrückt werden.

Dijoner Marktplatz
Dijoner Marktplatz
Apotheke in einem schiefen Haus aus dem Mittelalter
Apotheke in einem schiefen Haus aus dem Mittelalter

Vorher stand eine Tour de Bourgogne auf dem Programm. Denis kannte das Burgund noch gar nicht und wir fuhren kurzerhand mit ihm dieselbe Route, die wir tags zuvor noch mit dem Fahrrad besucht hatten, mit dem Auto ab – Weine, Chateaus und kleine verwunschene Mittelalterdörfer. Denis merkte an, die Landschaft sehe genauso aus wie in der Frankreich-Erweiterung der Sims. Schön, dass ein EA-Spiel den Kern des Burgunds getroffen hat!

Tick, Trick und Track vor dem in Weinreben versunkenen Schloss
Tick, Trick und Track vor dem in Weinreben versunkenen Schloss

Irgendwann landeten wir in Villars-Fontaine, wo es zur Domaine Montmain ging, dem Weingut, das die besten Weißweine macht, die ich je getrunken habe. Dort begrüßte uns Yoan, der uns auch schon letztes Jahr durch die Weine führte. Er schaute kurz in seine Unterlagen und konnte tatsächlich sagen, was wir vor einem Jahr dort probiert hatten. Diesmal gab es entsprechend andere Weine und Jahrgänge zum Probieren. Die Weine von Montmain sind eine kleine Besonderheit, da diese locker 20, 30 Jahre liegen können (teilweise auch müssen) und immer noch jung, frisch und fruchtig schmecken, dabei aber einen tiefgründigen Character haben. Das heißt, man trinkt nicht einfach irgendeinen alkoholischen Saft, der vor allem sauer oder nach Gerbstoff schmeckt, sondern hat ein wesentlich komplexeres Geschmackserlebnis.

Yoan führte uns durch 8 verschiedene Weine und Jahrgänge und am Ende erwarben wir gleich 30 Flaschen. Ich weiß zwar noch nicht ganz genau, wann wir die alle trinken sollen, aber man kann die Weine zum Glück getrost über viele Jahre im Keller verstauen und sie werden nicht schlecht.

Weinkeller der Domaine Montmain
Weinkeller der Domaine Montmain
Ein Teil der von uns gekosteten Weine
Ein Teil der von uns gekosteten Weine
Deliberation, was wir wohl kaufen wollen
Deliberation, was wir wohl kaufen wollen

Anschließend fuhren wir zu unserer neuen Unterkunft, der Domaine Les Betrands. Das ist ein ehemaliges Weingut in dem Dörfchen Couches am südlicheren Ende des Burgunds.

Dort begrüßten uns Jérôme und Arnauld – offensichtlich ein Pärchen mittleren Alters, die hier mitten im burgundischen Nirgendwo ein B&B betreiben. Jérôme bietet den Gästen über das normale B&B-Programm Reflexzonenmassage an und bei Arnauld kann man mehrstündige Meditationen zur Selbstfindung buchen. Selbstfindende Meditationen fanden wir jetzt nicht so spannend und mich erinnerten unsere Gastgeber ein wenig an die Michelle Houllebecqschen Elementarteilchen. Es fehlte nur noch ein Seminar zu Tantra und Rechnungswesen. Warum Frank und ich es nun schon wieder schafften (ohne es zu planen) bei schwulen Gastgebern zu landen, verstehe ich auch nicht so ganz. Aber egal, die Zimmer waren groß und sauber und es gab einen Pool. Meditation und Trantra muss man ja nicht nutzen.

Unser Zimmer (mit Herzchenkissen)
Unser Zimmer (mit Herzchenkissen)

Nachdem wir kurz unsere Füße im Pool kühlen konnten, schnitt Denis die in Dijon erworbenen Küchelchen auf. Er zeigte sich nach dem ersten Probieren bitterlich enttäuscht und proklamierte, dies seien die schlechtesten Backerzeugnisse, die er in Frankreich je gegessen habe. Frank und ich mussten ihm beipflichten. Unsere Enttäuschung war unermesslich und unser Tag war (fast) ruiniert.

Eine kurze Verschnaufpause am Pool
Eine kurze Verschnaufpause am Pool

Zum Glück war für die enttäuschenden Küchelchen kaum Zeit, denn es war schon wieder Zeit zum Aufbruch. Wir mussten zu unserem Restaurant, eine halbe Autostunde entfernt fahren. In dem Örtchen Chagny hatte Frank den Laden Le Grenier à Sel aufgetan. Restaurants auftun war gar nicht so einfach, wenn aus Gründen, die sich mir nur bedingt erschließen, haben viele Läden in dieser Region am Mittwoch Ruhetag.

Das von uns besuchte Restaurant kann man am ehesten mit einem Blockhouse in Deutschland vergleichen. Hier gab es Fritten, Steaks und Keulen. Immerhin wurde das Essen live auf einem Holzgrill gebraten und es gab guten Wein. Allerdings hatte mein Entrecote in etwa so viel mit Frankreich zu tun wie Helene Fischer mit Musik. Geht mal, aber mehr als einmal pro Jahr ist zu viel.

Gegrillt wurde direkt im Gastraum
Gegrillt wurde direkt im Gastraum
Frank's Gänsekeule
Frank’s Gänsekeule mit Salat
Denis hatte Lamm am Spieß
Denis hatte Lamm am Spieß mit Salat
Entrecote und Fritten für mich
Entrecote und Fritten für mich
Käse für uns alle, auch mit Salat
Käse für uns alle, auch mit Salat
Selfie-Studie von angehenden Restaurantkritikern
Selfie-Studie von angehenden Restaurantkritikern
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