Tag 2 – Cusanus, Walther von der Vogelweide und ein Donnerwetter
Unseren ersten Abend in Südtirol verbrachten wir gemütlich mit einer Flasche mitgebrachtem Edeka-Wein auf der Terrasse vor dem dunklen Bergpanorama. Irgendwo in der Ferne bimmelte eine Kuh und wir fingen an, Pläne für die nächsten Tage zu schmieden. Also im weitesten Sinne schmiedete Frank und ich stimmte zu. So machen wir das fast immer. Geht erstaunlich gut.
Zunächst sollte für den Sonntag, also den zweiten Reisetag ein Plan geschmiedet werden. An diesem Tag versprach uns Google spätestens ab Mittag gar furchtbares Wetter. Gewitter. Die ganze Zeit. Überall! Und es sollte nass werden. Das war schlecht für Wanderpläne, aber glücklicherweise fanden wir Alternativen: Die Städtchen Brixen und Bozen boten sich zur Besichtigung an und bei einem Stadtbesuch ist Gewitter auch gar nicht so schlimm.
Aber der Sonntag begann erst einmal mit ganz famosem Wetter. Noch vor halb Acht hatte mich eine Kuh aus dem Bett gebimmelt und ein Hahn in der Nachbarschaft tat sein Übriges, der Nachtruhe zeitig genug ein Ende zu setzen. So früh konnte ich auf der Terrasse ganz entspannt meine Klimmzüge und Klappmesser machen (es gab hier sogar eine Klimmzugstange!) und in einem Schrank auf der Terrasse eine Hängematte entdecken. Die baute ich auch noch auf, legte mich hinein und fühlte mich an unseren Urlaub auf Guadeloupe erinnert, wo wir auch eine großartig gemütliche Hängematte hatten. Nur das Kuhgebimmel, das gab es da eher weniger.
Irgendwann gesellte sich Frank zu mir und wir verspeisten ein adliges Frühstück. Das Frühstück war „von gestern“. Es gab nämlich die vom Vortag übrig gebliebenen Reisebrötchen. Die schmeckten immer noch und der mitgebrachte Filterkaffee war auch prächtig. In Italien sollte man sicherlich eigentlich Espresso trinken und in unserer Küche gab es auch diese kleinen Espressomaschinen für den Herd, aber von der gewohnten Sitte des Filterkaffees können wir irgendwie nicht lassen, egal wo.
Auf den Spuren Cusanus‘ in Brixen
Nach dem Frühstück stand unser erstes Ziel auf dem Plan: Brixen. Der kleine Ort mit etwa 22.000 Einwohnern an dem Flüsschen Eisack war eine knappe Stunde von unserem Domizil entfernt und auf der Fahrt dorthin staunten wir nicht schlecht, wie viele Autos auf den engen Straßen Südtirols unterwegs waren. Offensichtlich hatte sich schon längst überall herumgesprochen, dass diese Region ganz grandios ist.
Brixen gibt es unter diesem Namen schon seit über 1.000 Jahren und die Stadt war unter anderem Wirkungsstätte des Universalgelehrten Cusanus, der hier Kardinal war. Der Dom mit dem angrenzenden über 800 Jahre alten Kreuzgang war dort dann auch gleich unser erstes Ziel. Die kirchliche Sache ist zwar nicht unbedingt meins, aber der Dom war pompös und im Kreuzgang waren die Decken bunt bemalt. Pomp und Pracht können die Katholiken auf jeden Fall!
Ein weiteres Highlight der Stadt soll das Brixener Priesterseminar sein – eine philosophische und theologische Hochschule. Aber das Gebäude war verschlossen und so konnten wir es nur von außen in Augenschein nehmen. Dafür spazierten wir noch ein wenig den Eisack (der Fluss heißt tatsächlich „der Eisack“) entlang und machten alberne Fotos von uns.
Ein deutscher Minnesänger und eine Seilbahn
Brixen war malerisch schön, aber auch klein genug, dass man die Altstadt innerhalb von weniger als zwei Stunden komplett erschlossen hatte. Also fuhren wir weiter den Eisack entlang und schlängelten uns an der Autobahn vorbei bis nach Bozen. Während der Fahrt experimentierte Frank mit seinen Spotify-Playlisten und landete irgendwann bei erst bei Britney Spears und dann bei Nicki Minaj. Ich war ganz erstaunt, dass Frank dieses Wunder der Autotune-Technik überhaupt kannte. Zum Glück ging die Playlist nicht ganz so lang und wir landeten schnell in Bozen.
Bozen ist die größte Stadt Südtirols und mit über 100.000 Einwohnern schon fast eine Großstadt. Auf alle Fälle gibt es hier einen großen Bahnhof, ein ausgeprägtes ÖPNV-Netz und seit etwas über 20 Jahren sogar eine Uni.
Etwas irritierend fiel uns auf, dass es in Bozen jede Menge Walther von der Vogelweide gibt. Der deutsche Dichter aus dem 12. Jahrhundert kommt eigentlich aus dem Raum Würzburg und lebte und wirkte definitiv nicht in Südtirol. Trotzdem gibt es in Bozen einen Walther-Platz, darauf ein riesiges Walther-von-der-Vogelweide-Denkmal und eine Schule mit seinem Namen gibt es auch noch. Irgendwann im 19. Jahrhundert kam kurzzeitig die Vermutung auf, der von der Vogelweide sei eigentlich in Südtirol geboren worden. Daraufhin wurde Bozen prompt auf den Dichter getrimmt. Wenig später wurde die These der Südtiroler Geburt des Minnesängers zwar wieder als grober Irrtum verworfen, aber die deutschnationalen Kräfte in Bozen sorgten dafür, dass der Minnesänger bis heute eine zentrale Stellung in der Stadt einnimmt.
Wir besichtigten den Walther-Platz und die Statue, durchliefen weite Teile der Bozener Altstadt und kamen plötzlich bei einem Bäcker vorbei, der furchtbar lecker aussehende Erdbeerschnittchen und Apfeltaschen im Angebot hatte. Davon mussten wir natürlich sofort welche haben.
Das uns angekündigte furchtbare Unwetter blieb bis dahin übrigens komplett aus. Während des Verzehrs des Süßkrams kamen ein paar Tropfen vom Himmel, die Frank aber geschickt mit Hilfe eines Regenschirms abwehren konnte.
Gestärkt mit den Süßigkeiten besuchten wir eine der neuesten Sehenswürdigkeiten Bozens, nämlich die 2009 fertiggestellte Rittner-Seilbahn, die in 12 Minuten rund 1.000 Höhenmeter und mehrere Kilometer zurücklegt und von Bozen bis nach Oberbozen in den Bergen fährt. Die Fahrt ist unbedingt empfehlenswert, sieht man von der Seilbahn doch das gesamte Etschtal um Bozen herum, einschließlich zahlreicher Weinhänge in krass schräger Lage.
Oberbozen selbst ist auch ganz pittoresk – kleine Gässchen, eine Schmalspurbahn, Hotels aus dem früheren 20. Jahrhundert und ein reichlich kitschiger Blick über die Alm auf die Dolomiten. Wir liefen durch die Gässchen und blickten auf die Alm, machten artig ganz viele Fotos und fuhren dann mit der Seilbahn wieder gen Tal.
Donnerwetter
Am späteren Nachmittag machten wir uns auf zu unserem Domizil. Dort gab es eine kurze Verschnaufpause, dann ging es aber schon weiter zum letzten Ziel des Tages, dem Hotel und Restaurant Oberraut. Den Laden hatte ich ein paar Tage zuvor über den Guide Michelin ausfindig gemacht. Der deutsche Fernsehfunk hatte das Restaurant auch schon einmal besucht und in Form einer Koch-Doku mit dem Sternekoch Christian Lohse gewürdigt.
Tatsächlich speiste man im Oberraut ganz gustiös. Ich entdeckte auf der Karte ein 4-Gänge-Menü und damit war meine Entscheidung auch schon gefallen. Frank sammelte sich Vorspeise, Hauptgang und Nachtisch so zusammen und damit verbrachten wir gut zwei Stunden in der Speisestube.
Zum Nachgang passierten zwei Dinge:
- Ich bekam einen Zirbenschnaps (Likör, der durch Kiefernzapfen veredelt wird) – dieser Schnaps roch nach Badezusatz und schmeckte auch in etwa so; sehr gewöhnungsbedürftig und definitiv speziell.
- Google sollte am Ende doch Recht behalten. Ab ungefähr 9 Uhr fing es gewaltig an zu blitzen und zu donnern und eine Menge Regen prasselte hinab. Zum Glück saßen wir drinnen und hatten kein Cabrio.
So sah unser Essen aus:
Trotz des nun doch eingetretenen Donnerwetters und des alkoholischen Badeschnapses fuhr ich uns sicher nach Hause. Dort bastelte Frank uns für den am nächsten Tag eingeplanten Wandertag ein paar belegte Brote und ich probierte ein Brewdog-Bier (danke Christian!) mit dem schönen Namen „Sommer Sonne Süffig“.
Bereitet mir wieder viel Spaß, den Blog zu lesen, freue mich auf die Fortsetzungen .