Tag 5 – Südtiroler Lausitz

Nachdem wir am Dienstag kein zu anstrengendes Programm hatten, konnten wir am Mittwoch natürlich nicht so auf der faulen Haut liegen. Frank hatte schon vor unserer Reise einen Wanderweg auserkoren – den Lausitzer Höhenweg. Wenn man wie Frank aus der Lausitz kommt, dann wäre es ja fast schon skandalös, diesen Weg nicht zu laufen. Tatsächlich ist es auch für Personen, die nicht aus der Lausitz kommen (also für mich zum Beispiel), skandalös, diesen Weg nicht zu laufen, wenn man denn in der Gegend ist. Denn der Weg ist grandios. Ein klein wenig anstrengend. Aber grandios!

An Wandertagen gelten auch bei Frank stalinistische Aufstehzeiten und so klingelte um kurz nach Sieben der Wecker. Etwas schläfrig tappelten wir in die Küche, kochten Kaffee und erwärmten ein paar Brötchen. Trotzdem dauerte es fast eine Stunde, bis wir ausgehfertig in unseren Wanderklamotten waren und das Automobil besteigen konnten. Man will schließlich hübsch gemacht auf die Wanderung gehen.

Der Lausitzer Höhenweg liegt ganz am Ende des Ahrntals mitten in den Bergen (… das ist wohl meist so bei Tälern …). Das Ahrntal liegt im Ausläufer der Zillertaler Alpen und auch unser Domizil liegt in diesem Tal. Das heißt, wir mussten nur unseren Ort verlassen und der Strada Statale gen Norden folgen. Wir fuhren durch mehrere malerische kleine Örtchen, die allesamt genauso sauber und ordentlich aussahen wie Gais (der Ort in dem wir wohnten) und nach gut 40 Minuten hatten wir das Ende der Straße und damit unser Ziel erreicht. Das Ahrntal ist ein Sack-Tal und man kann die Berge hier – zumindest mit dem Auto – nicht passieren. Dafür kann man wirklich wundervoll wandern und wir waren keineswegs die Einzigen, die für den Tag auf diese Idee kamen. Es gab einen riesigen Wandererparkplatz, welcher auch früh morgens schon gut gefüllt war.

Parkplatz vor der Wanderung – wir waren keineswegs allein

Vom Parkplatz marschierten wir die ersten Kilometer einen erstaunlich breiten Weg mit zahlreichen Mitwanderern.

Es dauerte keine Viertelstunde, da schauten wir uns beide an und stellten fest, dass wir schon ein bisschen bescheuert sein müssen, keine zwei Tage nach einer anstrengenden Wanderung gleich eine noch längere Wanderung zu unternehmen. Wir hatten noch einen dezenten Muskelkater in unseren Schenkeln und statt einer weiteren Höhentour hätten wir auch gemütlich in der Hängematte oder im Freibad liegen können. Aber bescheuert oder nicht, nun waren schon einmal hier und was man angefangen hat, soll man auch zu Ende bringen – auch wenn es weh tut. Außerdem konnten wir zu dem Zeitpunkt schon abschätzen, dass die Landschaft hier phänomenal aussehen musste.

So begann unsere Wanderung

Erstes Ziel unserer Tour war Franzi. Franzi ist eine liebe Bekannte, die aus Südtirol kommt. Sie wohnt inzwischen in Berlin, wo wir uns kennengelernt haben. Ihre Familie betreibt hier eine Almhütte – die Kehreralm. „Hier“ heißt, direkt auf unserer Wanderroute. Und Franzi war über den August auf dieser Alm und arbeitete auf der Alm. Sie wusste gar nichts von ihrem Glück, als wir plötzlich in der Wirtschaft standen und sie freudestrahlend begrüßten.

Wir plauschten kurz, Franzi berichtete, dass sie vier Wochen fast ausschließlich in der Hütte war und dort von morgens bis abends Kuchen buk, Essen vorbereitete und Gäste bewirtete. Die spendierte uns zwei Espresso und Holundersaft und nach zehn Minuten mussten wir weiterziehen und ließen Franzi wieder ihrer Arbeit nachgehen.

Das ist die Kehreralm
Frank, Franzi und Arved

Bis zur Kehreralm und Franzi hatten wir in einer Stunde erstaunlich schnellen Schrittes 5 Kilometer und fast 200 Höhenmeter bewältigt. Schon dachten wir, dass unsere Beine so müde dann doch nicht sein konnten. Aber nach der Alm schloss sich ein etwas anstrengender Anstieg an. Mehr als eine Stunde liefen wir im Zick-Zack eine Strecke nach oben, die sich fast wie eine Treppe anfühlte. Das Gehen wurde uns zwar nicht durch unnütze Wurzeln oder Stöcke erschwert, aber mühselig war der Anstieg nichtsdestominder, ging es in Summe doch über 600 weitere Höhenmeter nach oben. Der Blick zurück ins Tal war jedoch immer wieder schwer beeindruckend.

Hier war die Hälfte des Aufstiegs geschafft
Mitten auf dem Weg lagen hier überall Kühe rum
Blick in das Ahrntal
Frank freundet sich mit einer Kuh an
Ein paar Ponies trafen wir zwischendurch auch
Beim Aufstieg war ich etwas kaputter als Frank

Schließlich erreichten wir die Birnlücken-Hütte – eine kleine bewirtschaftete Alm in 2.440 Metern Höhe. Gestartet waren wir am Parkplatz bei rund 1.600 Höhenmetern.

Dort oben abgekommen konnte ich meine komplette Kleidung auswringen, so durchschwitzt war ich. Zumindest bei meiner Oberbekleidung tat ich das auch. Ich bin auf solche Wanderungen gut vorbereitet und trage in meinem riesigen Rucksack immer mindestens eine zweite Jacke und mehrere Ersatz-Shirts. So konnte ich in trockene Kleidung schlüpfen und ließ meine anderen Sachen am Rucksack hängen und im Wind trocknen.

Wir tranken einen Schluck Filterkaffee aus der Thermoskanne (wichtiger Tipp: nie eine Wanderung ohne Filterkaffee beginnen!) und genossen die Aussicht. Das Mittagbrot sollte erst später eingenommen werden.

Blick auf das Ahrntal von der Birnlückenhütte
Selfie vom Gipfel
Eindruck von der Birnlückenhütte

Von der Birnlücken-Hütte bogen wir ab auf den hier startenden Lausitzer Höhenweg. Während unseres Aufstiegs bis zur Hütte waren wir noch die gesamte Zeit in der Mitte des Tals entlang der Ahr (die hier nur ein kleines Gebirgsbächlein war) gelaufen. Nun liefen wir am westlichen Gebirgskamm auf einem Höhenweg und hatten von dort einen sagenhaften Blick auf das Tal, die Ahr und die Berge.

Start des Lausitzer Höhenwegs und Blick auf die Birnlückenhütte

Nach einer Dreiviertelstunde auf dem Höhenweg fing mein Magen an zu knurren und ich fragte, wann wir denn wohl mittagbroten könnten. Frank wollte lieber noch ein wenig laufen, aber mein vorsichtig forsches Dremmeln und eine fast schon absurd idyllische und einladende Stelle entlang des Weges stimmten ihn schnell um, und wir ließen uns nieder, um belegte Brote und noch mehr Filterkaffee zu genießen.

Bestes und most idyllisch Mittagbrot ever

Ich hätte an Ort und Stelle problemlos eine Stunde in der Sonne schlafen können, aber uns stand noch eine Menge Strecke bevor, also verzichtete ich auf meinen Mittagschlag und wir wanderten alsbald weiter.

Es schlossen sich ein paar etwas schwierigere Passagen auf dem Weg an, unter anderem die Teufelsstiege. Hier musste man auf steilen Holztreppen nach untern klettern und sich dabei an einem Halteseil gut festhalten, um nicht die teils etwas morschen und unebenen Stufen hinabzustürzen. Dieses Hindernis stellte uns jedoch vor keine größeren Herausforderungen – schließlich standen wir schon vor ähnlich schwierigen Auf- und Abstiegen.

Ein wenig bekloppt kurz unter den Wolken
Steile Stufen an der Teufelsstiege
Klettern mit zu viel Haar ist gar nicht so leicht

Irgendwann erreichten wir ein mitten auf dem Weg liegendes verlassenes Steinhaus. Darauf war groß „Zoll“ vermerkt. Offenbar verlief die Grenze zwischen Italien und Österreich irgendwann vor gut 100 Jahren an dieser Stelle. Wie das Verzollen auf Bergpässen, die nur zu Fuß durchquert werden können, damals funktionierte, weiß ich nicht. Aber jetzt wollte keiner mehr Zoll von uns und wir setzten uns kurz danieder und teilten schiedlich die letzte belegte Stulle und ein paar Schokobons.

Auf einmal – ein Zollhaus

Danach machten wir uns auf den letzten Teil des Wegs und waren vor allem mit dem Abstieg beschäftigt. Dieser funktionierte besser als bei der Wanderung zwei Tage zuvor von der Roten Wand, war allerdings erstaunlich lang. Zwischendrin ging mir meine Cyberpunk-Karen-Gedächtnis-Frisur ziemlich auf den Senkel. Ich sah nichts mehr, weil mir einfach immer meine Haare vor den Augen hingen. Zum Glück fand ich ein Zopfgummi und konnte mich von Karen in einen Zausel verwandeln.

Goodbye Karen-Haarschnitt, hello Zopf-Zausel
Beim Abstieg stießen wir auf einen Jägerzaun
Wiese und Berg beim Abstieg
Ein Zausel und ein paar Kühe
Hier war der Abstieg halb geschafft

Am Ende waren wir rund 20 Kilometer unterwegs und hatten innerhalb von siebeneinhalb Stunden insgesamt fast 1.100 Höhenmeter bewältigt.

Zahlen zum Lausitzer Höhenweg

Die Wanderung war sehr lohnend und die Fotos vermitteln nur ein sehr vages Bild, wie maßlos eindrucksvoll der Blick von der Alpenwand auf das Ahrntal ist. Auf jeden Fall waren wir nach dem ganzen Gewandere gut groggy und zu Hause angekommen legte Frank sich erst einmal in die Badewanne und ich in die Hängematte. Aber sehr lang hielten wir dieses Faulenzen dann doch nicht aus und ich begann mit dem Schreiben meines Berichts, während Frank in der Küche werkelte und Rührei produzierte.

Erst mal in die Hängematte
Die Wanne wartet auf Wasser und Frank
Frank rührt im Rührei (es war sehr gut!)
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Karla
Karla
25. August 2021 22:21

Gratulation zur Bewältigung dieser Wanderung und danke für die beeindruckenden Bilder, die mich immer wieder an meine Südtirolreise erinnern.