Tag 7: Wasser von oben und von unten

Unser siebter Reisetag war der 1. August, der Schweizer Nationalfeiertag. An diesem Tag feiern die Schweizer traditionell die Meisterschaft der Young Boys Bern. Zumindest mochte man dies des nachts meinen, denn nachdem der Verein, dessen Stadion keine 500 Meter von Andreas‘ Wohnung entfernt ist, am Abend zum dritten Mal in Folge Schweizer Meister wurde, wurde in den Straßen kräftig gefeiert – mit Feuerwerk und Gejohle bis in die Morgenstunden. In der Stadt erklärten tags drauf zahlreiche Schilder und Plakate, es sei „geyoungboyst“ worden (eine absurde Verballhornung des ohnehin schon etwas ungewöhnlichen Vereinsnamens und so genau wissen wir nicht, was das heißen soll).

Wir feierten die Meisterschaft etwas verhaltener, gingen nicht zu spät ins Bett und versuchten, trotz des Lärms ein wenig zu schlafen. Das ging bestenfalls mäßig und kurz nach Acht standen wir alle wieder auf, um unseren letzten Berner Reisetag vorzubereiten.

Diesen Samstag wurde, wie schon am Nationalfeiertag vor zwei Jahren, geböötelt. „Bööteln“ heißt nicht mehr als „Boot fahren“ – Schlauchboot; auf der Aare; über eine Strecke von über 30 Kilometer. Für die Fahrt schmierten wir uns abermals reichhaltige Sandwiches mit fast 100 Gramm Mayonnaise pro Person – also wieder vor allem schmackhaft und höchstens in zweiter Linie gesund.

Mit den Brötchen, einer guten Menge kalten Quöllfrischs und unseren Aaresäcken ausgestattet, machten wir uns auf zum Bahnhof, wo uns ein voller Zug nach Thun fuhr. Thun ist gut 30 Kilometer südöstlich von Bern, liegt am Thunersee und die Aare fließt durch See und Ort hindurch. Hier hatten wir ein Schlauchboot angemietet, welches uns über einen Zeitraum von rund zweieinhalb Stunden von Thun nach Bern schiffte.

Bahn in Thun mit lauter Böötlern
Bahn in Thun mit lauter Böötlern
Anstehen zum Bööteln
Böötlestau

Wir waren keineswegs die einzigen Böötler, die mit dem Schlauchboot von Thun nach Bern wollten und schon auf der Straße stauten sich die Boote, bevor sie ins Wasser gelassen wurden. Schon vor zwei Jahren erlebten wir das Spektakel und den Bootsstau auf der Straße. Damals funktionierte das Ins-Wasser-Lassen des Bootes problemlos, diesmal hatten wir den ersten Unfall noch auf der Straße. Beim tragenden Manövrieren des Bootes auf dem Asphalt schob sich das Gefährt so dämlich über meinen Fuß, dass es den Nagel meines linken großen Zehs löste und dieser sich auf und zuklappen ließ. Das war eine erstaunlich schmerzhafte Erfahrung und nachdem ich mir die Misere genauer angeschaut hatte, wurde mir tatsächlich kurz schwarz vor Augen. Zum Glück hatte Andreas Tape dabei und wir konnten den Nagel erst einmal notdürftig umwickeln. So fiel er nicht gleich ab und ich musste mir das blutige Schauspiel nicht weiter ansehen.

Danach schafften wir es glücklicherweise problemlos, das Boot zu Wasser zu lassen und ich konnte meinen Fuß in der Aare kühlen. Dazu gab es Schmerzmittel in Form eines Quöllfrisches und wir nahmen Fahrt mit der Strömung auf.

Viele Boote, viel Wasser
Viele Boote, viel Wasser

Während wir zwischen mehreren anderen Booten friedlich dahintrieben, ein paar von Andreas fantastischen, hartgekochten Eiern aßen und uns des böötelns freuten, zogen mehr und mehr viel zu dunkel aussehende Wolken auf. Andreas prognostizierte noch, dass wir „keinen einzigen Regentropfen abbekommen“ werden und zu gerne hätten wir ihm geglaubt. Aber kaum war die Prognose ausgesprochen, kamen die ersten Tropfen und kurz danach entwickelte sich der Regen zu einem statthaften Sommergewitter. Wir paddelten gut 20 Minuten durch den Regen, fingen tatsächlich an zu frieren und zogen uns zum Wärmen Rettungswesten an.

Aare unten, Regen oben
Aare unten, Regen oben
Regen ist gar nicht so schlimm! Nicht, wenn man so eine Sonnenbrille hat.
Regen ist gar nicht so schlimm! Nicht, wenn man so eine Sonnenbrille hat.

Zum Glück hatten die Wolken ein Einsehen und ließen alsbald von uns ab. Die Sonne bahnte sich einen Weg, trocknete unsere nassen Klamotten und wir konnten uns bei nunmehr bestem Wetter an den Sandwiches und mehr Quöllfrisch erfreuen. Die drei Jungs machten der Reihe nach allesamt einen Abstecher ins Wasser, nur ich blieb an Bord. Schließlich war ich Kapitän (mit vor zwei Wochen gemachtem Bootsführerschein!) und schwer verletzt. Verletzte Kapitäne gehen nicht von Bord.

Moritz im Wasser
Moritz im Wasser
Frank bootet aus
Frank bootet aus
Andreas mit Sonnenbrille in der Aare
Andreas mit Sonnenbrille in der Aare
Einmal Kleidung trocknen
Einmal Kleidung trocknen
Der Kapitän bleibt an Bord!
Der Kapitän bleibt an Bord!
Aare mit Booten
Aare mit Booten
Ein Flamingo
Ein Flamingo

Nach vielen Brücken, Kurven und Stromschnellen in der Aare erreichten wir den uns schon bekannten Campingplatz Eichholz, wo wir das Boot anlandeten und zum Verleih trugen. Damit war unser Bööteln zu Ende und jetzt mussten wir wieder selbst schwimmen. Wir stopften all unsere Dinge in die Aaresäcke und warfen uns wieder ins Wasser, um zum Marzilibad zu schwimmen.

Dort setzen wir uns auf einen der wenigen freien Flecken auf der Wiese, tranken ein übrig gebliebenes Quöllfrisch, schauten uns das überaus geschäftige Treiben um uns herum an und begaben uns in gemütliche Horizontalstellung.

Am späten Nachmittag konnte ich Frank überreden, endlich einmal selbst von dem Schönausteg in den Fluss zu springen, während Andreas und Moritz sich schon auf den Heimweg begaben.

Später zu Hause angekommen, machten wir uns alle fein und ausgehbereit, denn ein letztes Mal sollte es schönes Abendessen geben – diesmal im Restaurant Kirchenfeld. Das war hinter der Berner Altstadt (für uns quasi zweimal über die Aare rüber) in einem Berner Stadtteil, der am ehesten mit dem Berliner Charlottenburg vergleichbar ist.

Auf alle Fälle speiste man im Kirchenfeld mondän und nobel. Weil die Sandwiches im Boot noch nicht genug Nahrung für den Tag waren (trotz 100 Gramm Mayonnaise), bestellten wir erst einmal Vorspeisen. Zumindest die von Frank und mir war aufregend ungewöhnlich: lauwarme Erbsensuppe mit Vanille. Was zur Hölle? Die Suppe schmeckte auf jeden Fall fabelhaft und ich werde versuchen, das Gericht einmal nachzukochen.

Andreas fand die Suppe fast schon zu süß für eine Vorspeise und hätte sie eher als Dessert interpretiert. Ginge auch. Dafür hatte Andreas seine eigene Süße in seiner Vorspeise, nämlich in Portwein eingelegte Pflaumen mit Geflügelterrine. Nur Moritz hielt sich fern vom Zucker und konsumierte eine scharf abgeschmeckte Gazpacho.

Die Jungs warten auf das Essen
Die Jungs warten auf das Essen
Lauwarme Erbsensuppe mit Vanille
Lauwarme Erbsensuppe mit Vanille
Gazpacho (links) und Geflügelterrine (hinten)

Danach gab es noch ein paar viel zu üppige Hauptgerichte, vor allem mit Rösti, was hier der Name für Kartoffelpuffer ist.

Rösti mit Geschnetzeltem
Rösti mit Geschnetzeltem
Kotelett (auch mit Rösti)
Kotelett (auch mit Rösti)
Ich war der einzige der Fisch aß (Felchen)
Ich war der einzige der Fisch aß (Felchen)

Damit war unser Hunger dann aber auch mehr als gestillt und wir promenierten durch Stadt nach Hause, wo wir auf Couch und Balkon unseren letzten Abend in Bern ausklingen ließen.

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