Palermo

Sizilien 2023

Tag 1 – Eis, Eis, Baby

Es gab dieses Jahr noch gar keinen richtigen Urlaub für mich. Ja gut, London. Im März. Die Stadt war zwar schöner als befürchtet, aber es war trotzdem kalt und am Ende auch anstrengend. Urlaub macht man da, wo es warm ist, wo die Sonne scheint, wo es gutes Essen gibt und wo die Menschen entspannt sind. Sprich, in Italien.

Frank und ich waren schon ganz schön oft in in diesem famosen Land, das erste Mal vor über 20 Jahren als wir 2003 Palermo besuchten. So das damals aus:

Es folgten Besuche in Bologna, Neapel und der Toskana und wir waren mit Taskin und Mike vor fünf Jahren auf Sizilien. Damals waren wir im Frühjahr auf der Mittelmeerinsel. Diesmal im Spätsommer. Im Sehrspätsommer Ende Oktober. Beste Reisezeit! Während es in Berlin nasskalt ist, sind auf Sizilien noch fast 30 Grad.

Diesmal nahmen wir Stephan und Silke mit auf unsere Reise. Nachdem die Beiden schon viele Jahre eifrige Leser dieses Blogs waren, wollten sie auch einmal mit uns zusammen dabei sein und wir waren sehr froh, mit ihnen Palermo und den Westen Siziliens entdecken zu können.

Weniger froh war zumindest ich mit dem konkreten Reisebeginn. Dieser war nämlich viel zu früh. Um 6:20 ging unser Flug vom BER und das hieß, irgendwann um 4:00 Uhr aufstehen. Ich bin zwar ein leidenschaftlicher Frühaufsteher, aber die Leidenschaft hat Grenzen. Um 4 ist vor dieser Grenze. Egal, da mussten wir alle durch und so trafen wir uns um kurz nach fünf Uhr auf dem Flughafen und pünktlich flogen wir gemeinsam mit lauter ebenfalls schlecht ausgeschlafenen Leuten in einer Ryanair-Kiste los.

Wir kamen erst einmal nur nach Mailand, wo wir drei Stunden Zeit zum Frühstück hatten, bevor unser Anschlussflug nach Palermo ging. Unser Frühstück bestand aus Puddingtaschen aus einer Berliner Bäckerei, die uns Stephan mitgebracht hatte. Dazu gab es italienischen Café und ein wenig Sekt. Wenn Frank und ich fliegen, gibt es Sekt. Egal, wie spät oder früh es ist. Wir konnten sogar Silke und Stephan von unserer Sekt-Tradition überzeugen.

In Palermo angekommen, organisierten wir uns einen Mietwagen – es gab einen Volkswagen mit Diesel und Schaltgetriebe. Da fühlte man sich als Deutscher ja gleich ganz zu Hause. Mit diesem VW chauffierte Stephan uns sicher bis in die Innenstadt Palermos und wir übergaben unser Gefährt in einem nur ein klein wenig dubios wirkenden Park-Areal einem Mann, der uns die Schlüssel und 40 Euro für zwei Tage Parken abnahm. Frank war sich nicht ganz sicher, ob wir das Auto jemals wiedersehen würden, aber wir anderen Drei hatten hinreichend viel Zutrauen in das System, um das Auto sorgenfrei zurückzulassen.

Direkt neben dem Park-Areal fanden wir unsere Unterkunft für die nächsten zwei Nächte, den Palazzo Mazzarino. Der Name Palazzo ist hier Programm. Unsere Unterkunft ist mitten in der Altstadt in einem herrschaftlichen Haus mit riesigem Innenhof, erstreckt sich über zwei Etagen hat vier Zimmer und mindestens 4 Bäder (und ich glaube, ich habe noch nicht alle Zimmer entdeckt). Auf jeden Fall schien es uns eine fantastische erste Station unseres Urlaubs zu sein.

Kaum angekommen, schlüpften wir in dem Wetter gemäßere Kleidung und machten uns auf den Weg, die Innenstadt Palermos zu erkunden.

Frank und ich hatten noch dunkle Erinnerungen an die Stadt von unserem Besuch vor 20 Jahren. Die Stadt ist auf alle Fälle noch mindestens genauso ansehnlich wie damals, doch wir konnten uns nicht erinnern, so viele Touristen gesehen zu haben. Eigentlich sahen wir damals fast gar keine Touristen und Englisch wurde nur von einer ausgewählten handvoll Menschen gesprochen. Dieser Tage ist die gesamte Via Maqueda (an der unsere Unterkunft liegt) eine kilometerlange Flanniermeile mit Restaurants, kleinen Geschäftchen, Straßenverkäufern und tausenden Touristen. Im Hafen der Stadt liegt ein Kreuzfahrtschaft der Panamax-Klasse und vor jedem Restaurant stehen Billeteure, die einem auf Englisch einen Platz andrehen wollen. Das Leben als Tourist wird so definitiv einfacher, auch wenn die Authentizität der Stadt ein wenig leidet.

Als Touristen fühlten wir uns sofort sehr wohl in dem Getümmel und Silke schlug als erste Attraktion des Tages Eisessen vor. Also steuerten wir die nächstbeste Eisdiele auf der Via Maqueda an und dort begrüßte uns ein junger Mann, der – nachdem er erfuhr, dass wir aus Deutschland kamen – aufzählte, welche deutschen Städte er schon besucht hatte: Düsseldorf, Köln, Mönchengladbach. Ich wusste noch gar nicht, dass Mönchengladbach zu den beliebteren Reisezielen in Deutschland zählt. Das Eis, dass uns kredenzt wurde, war reichlich und mundete ganz fantastisch, auch wenn ich nach dem Verzehr meiner Schokokugel wie ein kleiner Junge aussah, der sich von oben bis unten eingesaut hatte.

Mit dem Eis im Bauch liefen wir bis zum Hafen, warfen einen Blick in den botanischen Garten und suchten hinter dem Hauptbahnhof die Trattoria, bei der Frank und ich vor 20 Jahren jeden Abend günstige Pizza und Hauswein in Krankenhausmengen konsumiert hatten. Frank schwört bis heute darauf, dass das eine der besten Pizzen der Welt war. Wir fanden tatsächlich einen Pizza-Laden, aber konnten uns nicht so recht erinnern, ob es der richtige war. Egal, es war ja auch noch gar nicht Pizza-Zeit, sondern erst einmal Zeit für einen Apperetiv. Diesen fanden wir in der Nähe unserer Unterkunft – einmal Aperol für alle und dazu zwei Sandwiches für Stephan und Frank.

Wir chillten noch ein wenig in unserem Palast und machten uns dann auf den Weg zum richtigen Abendessen im Restaurant Da Bacco. Dort gab es Wein, Bier, Vorspreisen, Kalbsschnitzel, Risotto mit Tintenfisch, Pasta und Riesengarnelen. Alles in allem war das schon ein ganz ordentliches Mal zum Abend und wir waren mit unserem ersten Tag auf Sizilien sehr zufrieden.

Nach dem Essen vertraten wir uns noch ein wenig die Beine und fanden am Ende des Abends im Ausgehviertel Kalsa eine kleine Bar, in der wir den Abend ausklingen ließen.

Tag 2 – Shoppen & Futtern

Nach einem langen ersten Reisetag schlief ich wie ein Stein in unserem Palast. Direkt vor unseren Fenstern wurde – so berichteten später unsere gesamte Reisegruppe unisono – am späten Abend noch wilde, laute Musik gespielt. Davon merkte ich keinen Deut und um kurz nach Sieben stand ich auf und fühlte mich ganz neu belebt.

Frank holte uns Hörnchen aus der Bäckerei neben unserer Wohnung und in unserer Küche konnte man einen Kaffee zubereiten. Perfektes Frühstück!

Frisch gestärkt machten wir uns auf Entdeckungstour durch die Stadt. Zuerst führte uns diese Tour zum Mercato di Ballarò, dem Tagesmarkt Palermos, ganz in der Nähe des Hauptbahnhofs. Vor 20 Jahren war dieser Markt für Frank und mich die Hauptquelle unserer täglichen Verpflegung – Salami und Parmesan. Tatsächlich sah der Markt noch fast genauso aus wie damals – eng, ganze viele Fischstände mit fangfrischem Schwertfisch, wild rufende Händler, jede Menge frisches Gemüse und zwischendrin Leute, die sich auf Motorrollern durch die Menschen wuseln. Für einen Zeitraum von einer Stunde fühlt sich so ein Treiben herrlich an. Arbeiten müssen, möchte ich hier aber nicht. Muss ich ja auch nicht. Zum Glück waren wir heute alle nur Touristen und konnten ganz gemütlich durch den Markt schlendern. Frank fand getrocknete Tomaten, die er für zu Hause mitnahm und ich kontemplierte kurz, einen Aperol zu erwerben. Dann schaute ich aber auf die Uhr und stellte fest, dass es noch nicht einmal 10:00 Uhr war – vielleicht knapp zu früh einen Drink.

Wir hatten schließlich genug vom Markt und suchten alsdann die Cattedrale di Palermo auf. In diesem stattlichen Sakralbau liegen unter anderem die Gebeine des Staufers Friedrich II. Der war im 13. Jahrhundert fast 40 Jahre Kaiser des römisch-deutschen Reiches und Autor des – wie Frank anmerkte – Weltbeststellers De arte venandi cum avibus („Über die Kunst mit Vögeln zu jagen“). Wir schauten uns in der Kathedrale die Gruft und das Kirchenschiff an und durften sogar auf den Dachfirst, von wo aus einen Blick über die Weite Palermos schweifen ließen.

Aperol für 3 € macht glücklich

Nach einer Stunde hatte aber dann zumindest ich von der Kirche mehr als genug und wir ströperten weiter durch die Gässchen der Altstadt. Irgendwo fanden wir einen kleinen Laden, der uns Aperol für 3 Euro pro Becher verkaufte. Es war inzwischen schon nach zehn, also im Urlaub durchaus Zeit, sich so einen Becher zu teilen. Danach hatten wir Hunger und Frank führte uns zum Streetfoodmarkt Mercato del Capo. Dort bot man uns an einem Stand jede Menge kleine Happen an, die wir gerne annahmen. So gab es Reisbällchen, gebackene Auberginen, Fischfrikadellen, gegrillten Tintenfisch, Brot, Wein und Bier – ein hervorragender Mittagstisch!

Mit viel Essen, Aperol und Bier im Bauch war nun eigentlich meine Zeit für Mittagschlaf gekommen (meiner Meinung eine der besten Beschäftigungen am frühen Nachmittag). Auf dem Weg zu unserem Quartier kamen wir jedoch an einem kleinen Geschäft vorbei, das bunte Hemden verkaufte. Der Laden hieß Camiceria mit dem Untertitel „The Best“ und ich hatte schon am Vortag ein Hemd im Schaufenster erblickt, das ganz famos aussah. Wenn der Laden schon „The Best“ im Namen trägt, kann er ja nur großartig sein! Silke spornte mich an, shoppen zu gehen und schon fanden wir uns zu viert in dem Geschäft wieder. Ich probierte ganz viele Hemden und Hosen an und ließ mich von Silke beraten, während der Ladeninhaber immer wieder neue Dinge in meiner Größe heraussuchte. Am Ende fand ich zwei Hemden und drei Hosen, auch Frank wurde um ein Hemd reicher und ich stellte fest, dass Shoppen tatsächlich glücklich macht. Uns blieb nur zu hoffen, dass die ganzen neuerworbenen Klamotten in unsere kleine Handgepäckskoffer passen.

Shoppen macht glücklich – auch wenn wir diese Hose nicht gekauft haben

Vollbepackt stiefelten wir nach Hause und nun war für Frank und mich die Zeit für eine Siesta. Silke und Stephan hielten von einer faulen Stunde am Nachmittag nicht ganz so viel und erkundeten stattdessen den Hafen. Es gab diesmal kein großes, sondern zwei kleine Schiffe, die ankerten und Touristen aus aller Herrenländer in die Altstadt spülten.

Nach unserer getrennten Mittagsruhe und Hafentour machten wir uns hernach gemeinsam auf dem Weg zur Kirche Santa Maria dello Spasimo, einer angeblich wunderschönen unvollendeten Kirche ohne Dach im Viertel Kalsa. Die Fotos dieser Kirche sahen auch ganz prima aus, nur selbst sehen konnten wir wie die Kirche nicht. Als wir davorstanden, stellten wir fest, dass das ganze Ding zwecks Renovierung geschlossen ist. Wahrscheinlich hat es hineingeregnet… Wir drehten dann so noch eine Runde durch zahlreiche weitere Gässchen, die so langsam alle gleich aussahen. Vielleicht waren wir durch dieselben Gassen und Straßen inzwischen aber auch einfach schon mehrfach gelaufen. Wir entschieden uns kurzerhand, zu Hause noch ein wenig zu chillen und uns schick für den Abend zu machen. Ich nahm mir die Zeit, meine ganzen neuen Klamotten noch einmal anzuprobieren und entschied mich schließlich für einen Look in blau mit Blümchen.

Zum Dinner trafen wir meine liebe, ehemalige Kollegin Elena, welche in einem Vorort Palermos wohnt. Ich hatte mir schon vor vielen Jahren vorgenommen, sie hier einmal zu besuchen und nun war dies eine perfekte Gelegenheit. Elena empfahl uns das Restaurant Brama und dort schmausten wir vorzüglich. Zunächst gab es jede Menge typisch sizilianische Appetizer, darunter etwas, das man hier Pizza Siciliana nennt. Mich erinnerte diese Pizza viel mehr an die fetten Pizza Americanas von Wagner – jede Menge Boden und Käse und ansonsten nicht sehr viel. Frank konnte mich aufklären, dass das kein Zufall ist – diese Pizza wurde von sizilianischen Einwanderern nach Amerika gebracht und verbreitete sich prompt über den ganzen Kontinent. Während Elena sich als Hauptgang Nudeln mit Rahmkäse und geriebener Schokolade bestellte (eine wilde, wohl aber mundende Mischung – wir durften probieren!), bekam ich Kalb serviert. Auf Anraten des Kellners, wurde mein Kalb medium-rare serviert. Es war sogar so rare, dass ich kurz dachte, ich könnte es noch Muhen hören. Frank war das ganze zu blutig, aber ich bin da schmerzbefreiter und futterte mein halbrohes Kalb fleißig auf. Es schmeckte sogar!

Wir bekamen noch Dessert, ein paar Cocktails und Verdauungsschnäpse und wir schnatterten mit Elena über vergangene Zeiten in unseren ehemaligen Companies, Reiseziele auf Sizilien, die Eigenarten des Lebens in Süditalien (man lebt bis 35 bei seinen Eltern, jeder hat ein Auto, man zahlt Steuern und bekommt keine Gegenleistung vom Staat, aber jeder ist irgendwie glücklich) und anstehende Urlaubspläne. Ich hoffe, ich konnte sie überzeugen, irgendwann nach Berlin zu kommen.

Tag 3 – Palazzo Prozzo

Nach zwei Tagen Palermo hieß es an unserem dritten Reisetag Abschied nehmen von der Metropole am tyrrhenischen Meer. Sehr weit sollte es uns gar nicht fortziehen, Castellammare del Golfo hieß unser nächster Aufenthaltsort, beziehungsweise Scopello.

Castellammare del Golfo ist ein kleiner, wahrscheinlich pittoresker 15.000-Einwohner-Ort 40 Kilometer westlich Palermos, Scopello ein klitzekleines Dorf in den Anhöhen Castellammares. In diesen Anhöhen hatte Frank unser nächstes Reisedomizil gebucht. Und es sollte ein traumhaftes Luxusdomizil werden.

Aber Moment. Erst einmal waren wir morgens noch in Palermo und es musste gefrühstückt werden. Das Frühstück  gab es im Café direkt neben unserer Ferienwohnung in der Via Maqueda und dort erwarben wir Espresso, Cappuccino, Café Latte und natürlich ganz viele gefüllte Cornettos. Wir werden sicherlich dick und drall aus dem Urlaub zurückkehren. Aber die Cornettos sind wirklich wohlschmeckend!

Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg zu dem minimal dubios anmutenden Laden, dem wir zwei Tage zuvor unser Auto anvertraut hatten. Dort händigte man uns ohne Murren unseren VW aus und wir konnten uns auf den Weg machen. Dieser Weg führte uns zunächst nach Monreale, einem kleinen Örtchen in den Hügeln vor Palermo. Stephan navigierte uns sicher durch die engen Gassen und den für deutsche Verhältnisse fast wahnsinnig wirkenden Verkehr (Vorfahrt hat, wer hupt), Silke machte uns italienische Musik und wir sangen zu Umberto Tozzi fast lauthals mit. Das macht Spaß, so funktioniert Italien! Zumindest für uns deutsche Touristen.

In Monreale gingen Frank, Stephan und Silke in den Duomo di Monreale, eine große Kirche mit lauter bunten Mosaiken an den Wänden und an der Decke. Ich hatte bereits genügend sakrale Bauten für einen Urlaub gesehen und verweilte mit einem Stück Pizza vor der Türe. Stephan erklärte: “Das war schon echt beeindruckend“. War es wohl:

Das nächste Ziel war die Grotta delle Colombe, eine kleine Bucht, die Silke ausfindig gemacht hatte. Um zu der Grotte zu gelangen, musste man einen kleinen steinigen Weg entlanglaufen. Auf diesem kam uns winkend ein Mann entgegen und wies uns in die rechte Richtung. Wir waren etwas irritiert, denn er wollte gar kein Geld von uns oder uns irgendwas verkaufen. Er wollte nur sichergehen, dass wir die Grotte auch finden. Wir finden sie dann auch – direkt daneben war ein Hochbunker installiert, den ich zeitlich im zweiten Weltkrieg verorten würde. Von da herinnen fand Frank ein wunderschönes Fotomotiv:

Die Grotte war schon am Wasser, aber der Strand war nur bedingt einladend. In Castellammare sollte es einen viel schöneren Strand geben und wir mussten ohnehin in die Richtung. Also fuhren wir an den Peter-Pan-Strand vor den Toren Castellammares. Dort sprangen wir alle einmal in die Fluten, die noch mindestens 23° hatten. So warm wird die Ostsee selbst im Hochsommer fast nie. Und hier hatten wir diese Sommertemperaturen am 25. Oktober. Es hätte uns schlechter treffen können.

User Glück war aber noch nicht ganz perfekt. Wir mussten noch zu unserer Unterkunft. Frank hatte das Haus im Voraus per Überweisung direkt bezahlt und war minimal in Sorge, ob da überhaupt ein Haus stünde oder ob wir einfach im Nirvana landen würden. Die Fahrt fühlte sich auf alle Fälle ein wenig wie eine Fahrt ins Nirvana an. Es ging über zahlreiche Steigungen und enge Kurven in die Hügel vor Castellammare in dem Dörfchen Scopello eine Straße hinauf, die wir bis zum Ende fahren mussten. Da stand dann tatsächlich ein Haus und da drin begrüßte uns eine freundliche Dame auf Deutsch. Sie käme aus Südtirol und dies sei hier das Zweitdomizil, erklärte sie uns. Sie wohne gleich nebenan, das hier sei das Gästehaus.

Zweitdomizil und Gästehaus – so sah die Unterkunft dann aber überhaupt nicht aus. „Palast“ träfe es wesentlich besser. Unser Haus hatte drei Schlafzimmer, drei Bäder, eine große Terrasse, Sportgeräte, Gasgrill, Pool, Blick auf Berge und Meer, mehrere Katzen und der Kühlschrank war prall mit Essen und Getränken gefüllt. Wir wohnten einfach mal mitten in einem kleinen Stückchen Paradies auf Sizilien. Es hätte uns kaum besser treffen können!

In unserem Palazzo Prozzo mischte uns Stephan erst einmal ein paar Aperol und machte uns belegte Brote. Jepp. Paradies. Hier wollen wir gar nicht wieder weg.

Wir machten es uns auf der Terrasse gemütlich und irgendwann machten sich Silke und Stephan daran, uns Abendbrot zu bereiten. Es gab Pasta mit Tomaten – einfach, köstlich und frisch.

Tag 4 – Nebel, Klebstoff, Felicità  

Den Abend des Vortags ließen wir auf der Terrasse bei einem Spiel Doppelkopf ausklingen. Für Frank und mich war es die erste Partie seit über 15 Jahren. Wir waren ein wenig eingerostet und es brauchte ein paar Runden, bis wir in Tritt kamen, aber nach nur einem dutzend Spielen gewann auch Frank seine erste Runde.

Die Betten wurden zeitig besucht und wir mussten bei unserem Palazzo ein paar Abstriche in der B-Note eintragen – die Dusche wird nur lauwarm, das Internet verschwand abends und in der Nachbarschaft bellten unablässig verschiedene Hunde. Kleinigkeiten!

Kurz nach Sieben Uhr morgens stand Stephan schon in der Küche und wurde seiner Vaterrolle in unserer Runde voll gerecht, indem er Brote schmierte. Die brauchten wir auch für unsere anberaumte Wanderung auf den Monte Inci und den Pizzo delle Neviere. Ich sprang noch einmal in den Pool (der war ebenso wie die Dusche lauwarm), wir tranken einen Kaffee, aßen ein paar Stullen und schon kurz nach Acht machten wir uns auf den Weg. Schließlich ist Urlaub und im Urlaub steht man früh auf, um massenhaft Kilometer zu wandern!

Stephan fuhr und Frank navigierte uns zu einer kleinen Seitenstraße in Castellammare, die ein wenig schäbig aussah und vor einem Wald am Bergessaum endete. Wir schnappten uns unsere Rucksäcke und liefen leichtfüßig ein paar hundert Höhenmeter und ein paar Kilometer den Weg entlang. Dabei musste man sich an der einen oder anderen Stelle den tatsächlichen Weg dazu denken – wir liefen eher durch Brombeergebüsche und hohes Gras, aber wir kamen dennoch gut vorwärts. Das lag vor allem an Silke, die eisern voran stiefelte. „Wo Lipecky ist, ist vorn“, merkte Stephan an. Da wollte ich auch sein und so versuchte ich, so gut es ging, mit Silke Schritt zu halten.

Die Reihenfolge stimmt hier noch nicht ganz. In der Regel lautete diese: Silke, Arved, Frank, Stephan

Vom Wegesrand sah man dann und wann die Küstenlinie und den Ort Castellammare. Von den beiden Gipfeln, die wir erklimmen wollten, sah man zumeist weniger, da waren Wolken dazwischen. Wir steuerten trotzdem erst einmal den Monte Inci an. Der hat immerhin eine Höhe von 1.064 Metern und übersieht sowohl das das Meer als auch die Regionen Inci und Borgo Fodera im Hinterland. Schon die alten Griechen waren damals hier und hatten am Berg die Siedlung Inykon angelegt. Von dieser Siedlung sahen wir aber nichts. Eigentlich sahen wir am Gipfel generell nicht sonderlich viel, denn der hing in einer riesigen Wolke. In dieser standen wir und froren ein wenig.

Frank, Silke und Stephan zogen sich lange Klamotten an, ich hatte für die Kälte am Gipfel weniger geplant und fror vor mich hin. Wir liefen den Weg wieder ein Stück hinab und machten uns auf zum zweiten Gipfel, dem Pizzo delle Neviere. Dieser ist ein paar Meter weniger hoch und hing in etwas weniger Wolke. Kühl war es trotzdem. Wir machten geschwind ein paar Fotos und uns hernach an den Abstieg.

Gruppenbild auf dem Gipfel

Mit jedem Höhenmeter, den wir nach unten kamen, wurde es ein wenig wärmer und wir machten uns schnellen Schrittes auf den Rückweg. Auch beim Abstieg konnte ich nur schwer mit Silke schritt halten, die die Speerspitze unserer Wandergruppe bildete. Vielleicht lag das aber auch ein wenig daran, dass ich mit einfachen Chucks durch steiniges Geröll stiefelte. Nur Frank hatte es mit seinem Schuhwerk noch übler getroffen als ich. Seine Schuhe fielen beinahe auseinander und er schaffte es fast, uns davon zu überzeugen, dass die Botten noch DDR-Zeiten waren. Ganz so alt waren sie nicht, aber mit Sicherheit waren sie so zertreten, dass Sizilien ihre letzte Reise sein musste.

Nach gut fünf Stunden, 17 Kilometern und rund 900 Höhenmetern waren wir wieder am Auto und mit unserem Tagwerk ganz zufrieden. Für die Wolken am Gipfel konnten wir nichts, die Wanderung hatten wir in hinreichend schneller Zeit absolviert und die einzigen Verletzungen waren ein paar Ratscher von den stacheligen Brombeersträuchern.

Am Wegesrand fanden wir zahlreiche Blumen, die wir zu dieser Jahreszeit in in Deutschland definitiv nicht finden würden:

In Castellammare streiften wir noch einmal durch die Innenstadt und genehmigten uns ein Eis. Es war gar nicht so einfach, letzteres zu erwerben. In der Stadt herrschte Siesta und diese schloss die meisten Eismanufakturen mit ein. Am Ende fanden wir aber einen Eisladen für uns und auf dem Heimweg erkundschafteten wir sogar einen Heimwerkerladen, in dem Frank Klebstoff erwarb, um damit zu Hause seine ollen Schuhe für eine allerletzte Wandertour notdürftig zu flicken.

Mit Eis und Klebstoff versorgt, fuhr Stephan uns zu unserem Palazzo mit Abzügen in der B-Note. Dabei durfte diesmal ich den DJ spielen. Es gab unter anderem (wir sind immer noch deutsche Touristen) Ricchi e Poveri mit Mamma Maria und Felicità von Albano & Romina Power. Letzteres sang Stephan so begeisternd mit, dass ich überlege, ob man mit ihm Karaoke machen könnte.

Zu Hause gab es ein paar Aperols und wir chillten am Pool, bevor Silke, Frank und Stephan zum Abendbrot luden.

Dinner

Tag 5 – Caraoke

Auch unser fünfter Reisetag begann zeitig um 7:00 Uhr. Zumindest war das die Zeit ab der Papa Stephan in der Küche zu finden war, um Frühstück zuzubereiten und die Spülmaschine zu beräumen. Ich besuchte zunächst die Dusche. Diese war diesen Morgen nicht lauwarm, sondern einfach nur kalt. Noch mehr Abzüge in der B-Note! Zum Haarewaschen reichte es aber irgendwie.

Nach unserem Frühstück machten wir uns auf den Weg nach Trapani. Die Stadt mit rund 50.000 Einwohnern liegt ganz im Westen der Insel und es gab sie, so klärte Frank uns auf, schon vor 3.300 Jahren als die alten Griechen Sizilien unsicher machten. Heute war das Unsicher-Machen unsere Aufgabe. Stephan, der seine Fahrer-Rolle bislang noch kein einziges Mal abgeben wollte, fuhr uns eine Strecke von einer Dreiviertelstunde nach Trapani. Dabei entdeckte er den Vorzug der Hupe auf den Straßen Italiens (wer hupt, hat Vorfahrt) und chauffierte uns hupend und vorfahrend an den Rand der Stadt. Dort verließen wir unser Gefährt und machten uns auf den Weg nach Erice.

Erice ist eine kleine Stadt auf einem Hügel vor Trapani und ist Teil der Vereinigung I borghi più belli d’Italia – das sind die schönsten Orte Italiens. Die Stadt ist auch locker 3.000 Jahre alt und liegt auf einem 750 Meter hohen Berg.

Den Anstieg auf diesen Berg hätte man mit einer Seilbahn bezwingen können. Aber sowas machen wir nicht. Stattdessen liefen wir den hübsch angelegten Römerweg, der sich den Hügel hinaufschlängelt, entlang. Google Maps meinte, wir bräuchten über zwei Stunden für den Aufstieg. Aber Google Maps machte die Rechnung ohne das Duo Lipecky-Klöhn. Mit Silke und mir als Speerspitze erstürmten wir den Berg in weniger als 90 Minuten. Gut, wir waren danach auch klatschnass geschwitzt, aber den Preis zahlten wir gerne für die sportliche Aufstiegszeit. Außerdem sparten wir 5,50 € für die Seilbahn.

Oben angekommen stellten wir fest, dass der Berg und der Ort Erice fest in der Hand von Reisegruppen war, die mit Bussen oder der Seilbahn angekarrt wurden. Hierbei handelte es sich wahrscheinlich größtenteils um Gäste des im Hafen Trapanis liegenden Kreuzfahrtschiffes „Seven Seas Voyager“ – freundliche Touristen aus Asien, die weit weniger verschwitzt waren als wir.

Den Ort Erice selbst fand ich eher so mittelmäßig (keineswegs Teil meiner Liste der schönsten Orte Italiens). Ich konnte die kleinen Gässchen und Touristensouvenirgedönsläden nur bedingt von Gässchen und Gedönsläden anderer touristischer Zentren unterscheiden und einige Etablissements wirkten ein wenig lieblos in den Ort hineingezimmert. Aber glücklicherweise hatte mir meine ehemalige Kollegin Elena im Vorfeld einen kleinen Laden für Gebäck und Café im Vorfeld sehr ans Herz gelegt. Die Pasticceria Maria Grammatico wurde unser zentrales Anlaufziel in Erice und dort bestellten wir ganz viel Gebäck mit Ricotta und Schokolade und dazu verschiedenste Kaffees. Wir verzehrten die vielen Süßigkeiten im Hinterhof der Pasticceria und Stephan merkte völlig korrekt an, dass es uns so schlecht eigentlich gar nicht gehe. Ging es uns auch nicht!

Wir streiften noch ein wenig durch den Ort, machten Fotos von dem tatsächlich fantastischen Ausblick und liefen alsbald Richtung Seilbahnstation. Zum Hinablaufen fehlte uns schlicht die Zeit, wir hatten schließlich noch mehr zu erkunden in der Region. Also musste es für den Rückweg die Seilbahn und wir brauchten so nur ein paar Minuten, um wieder am Auto zu sein.

Alle Jungs in der Gondel

Als nächstes erkundeten wir das Altstadtzentrum Trapanis. Das war alles ganz hübsch, aber für meinen Geschmack ein wenig charakterlos. Jeder Laden lud auf Englisch zum Einkauf ein, es gab reichlich viele Souvenirläden in der Innenstadt und sehr viele Menschen in diesen Läden waren offensichtlich Kreuzfahrtschifftouristen. Aber es gab immerhin leckeres Eis und sogar einen ansehnlichen Stadtstrand mit sauberem, blauem Wasser.

Die Altstadt Trapanis war klein genug, um in einer knappen Stunde hinreichend entdeckt zu sein und so steuerten wir das letzte Tagesziel an – ein Weingut. Wenn Frank und ich Urlaub machen, werden Weine probiert. Das machen wir immer so. Auch wenn wir auf Sizilien jetzt nicht unbedingt die erlesensten Traubensorten vermuten, neugierig sind wir trotzdem und zum Glück hatten Stephan und Silke ebenfalls ein wenig Interesse an einer kleinen Verkostung.

Frank hatte das Weingut Mustazza ganz in der Nähe unserer Unterkunft aufgetan. Dort angekommen begrüßte uns freudig ein netter Mann und wir waren kaum aus dem Auto ausgestiegen, da hatte er uns schon den ersten Wein eingeschenkt. Wir bekamen zwei Weißweine und einen Rotwein zum Probieren. Auf den ersten Weißwein, einen Caterratto (so heißt die Traube) konnten Silke, Stephan und ich uns sofort einigen (sehr leicht, einfach zu trinken, kein großes Chichi), die anderen beiden Weine (ein Grillo, weiß und ein Cabernet Sauvignon, rot) waren etwas anspruchsvoller und sagten vor allem Frank zu.

Silke unterhielt sich mithilfe von Google Translate mit unserem Winzer ausführlich und wir erfuhren, dass er als einer der wenigen hiesigen Weinbauern versucht, in vor allem international und nicht nur auf Sizilien zu verkaufen und er deswegen Probleme mit der „Familie“ habe.  Während des Gesprächs war unser Weinmeister sehr freigiebig mit seinen Weinen und schnell hatten wir alle ein klein wenig einen im Tee. Am Ende kauften wir vier Flaschen Wein (die wir hier auf Sizilien zu leeren hatten), bedankten uns für die Verkostung und Stephan, der nur minimale Probierportionen des Weins zu sich nahm, fuhr uns nach Hause.

Weinverkostung

Wieder durfte ich den DJ spielen und irgendwie landeten wir über Umberto Tozzi ausgerechnet bei Heinz Rudolf Kunze. Prompt wurde aus dem Rest der Fahrt eine Impromptu-Schlagerstunde im Auto. Silke und Stephan sangen bei „Finden sie Mabel“ und ähnlichen Gassenhauern textsicher mit. Der Karaoke-Abend rückt näher!

In unserer Unterkunft sprangen Frank und ich in den Pool, wir alle hatten noch einen Aperol und über ein paar geschmierten Broten und übriggebliebenem Salat vom Vortag ließen wir den Tag entspannt ausklingen.

Vor dem Sprung in den Pool

Tag 6 – Pizza Würstel

Nachdem wir Donnerstag erfolgreich zwischen dem Monte Inici und dem Pizzo delle Neviere wanderten und Freitag die 700 Meter nach Erice bewältigten, musste natürlich auch am Samstag, unserem letzten ganzen Tag in der Region um Castellammare, gewandert werden.

Unser Reiseleiter Frank hatte eine Tour durch den Nationalpark Zingaro geplant. Dieser Park ist an der Nordwest-Spitze Siziliens gelegen und nur ein paar Autominuten von unserer Unterkunft entfernt. Aber erst einmal fuhren wir morgens in Richtung Castellammare, denn Silke und ich hatten am Rande der Stadt ein Café aufgetan, in welchem wir vor unseren letzten beiden Wanderungen unseren morgendlichen Cappuccino und Café Latte erworben hatten. Da mussten wir natürlich auch vor dieser Wanderung wieder hin. Der Mann an der Bar wusste schon nach unserem ersten Besuch, was wir wollten (sogar, wer von uns wie viel Zucker nimmt) und begrüßte stets uns mit ein paar Worten auf Deutsch. Die Erklärung für seine Deutschkenntnisse war sehr einfach. Er hatte vor einiger Zeit für ein paar Jahre in Stendal gearbeitet – im Eiscafé Venezia. Es ist wahrscheinlich notwendig, dass italienische Eiscafés in Deutschland einen solchen Namen haben.

Mit Cappuccino und Latte bewaffnet fuhr uns Stephan zum Eingang des Zingaro Nationalparks und wir wanderten drauf los. Dabei lief – verkehrte Welt! – Reisemeister Frank während der ersten Hälfte des Weges vorweg. Silke und ich waren nur im Grupetto unterwegs.

Unsere Wanderstrecke führte uns entlang der Küste, allerdings stets ein paar hundert Meter über dem Wasser. Nach gut sieben Kilometern ging der Weg endlich auf Meeresniveau hinab an eine Bucht. Es brauchte nur ein paar Sekunden und Frank war im Wasser zu finden, während Stephan, Silke und ich am Strand sitzend Kekse aßen. Ich versuchte mir noch ein wenig daran, Titschersteine zu werfen, hatte aber nur mäßigen Erfolg. Stephan erklärte mir schließlich, dass ich beim Werfen mein Handgelenk nicht hinreichend anwinkle und ich fühlte mich ein wenig an unsere Tennisstunden erinnert. Bei meinen nächsten Würfen sagte ich mir “du musst den Stein werfen, nicht schieben” – meine Ergebnisse wurden ein wenig besser.

Frank schwamm ein paar Runden im Wasser und gesellte sich dann wieder zu uns. Mit unserem Reiseführer im Gepäck machten wir uns auf den Rückweg der Wanderung. Dieser Rückweg führte uns viel näher an der Küste entlang und uns begegneten erstmals bei einer Wanderung hier andere Menschen. Wir kamen an einem weiteren Strand vorbei und hier sprangen nun Stephan und ich in das kühle Nass. Sonderlich kühl war dieses eigentlich nicht – eher so 23 bis 24 Grad. Das ist schon mehr als die Ostsee je im Sommer schafft und wir hatten schon fast November. Nein, es ging uns wahrlich nicht schlecht.

Den Rest des Rückwanderwegs mussten wir uns mit anderen Touristen teilen, die am Samstag die Buchten in dem Zingaro-Nationalpark aufsuchten. Nun bildete wieder Silke die Speerspitze unserer Gruppe und überholte trittfest und kurzentschlossen fast alle anderen auf dem Weg viel zu langsam dahintrottenden Wanderer.

Nach gut vier Stunden war unsere Wanderung beendet und wir fuhren in das Zentrum Scopellos, dem Dorf in dem wir wohnten. Dort fanden wir eine Eisdiele und genehmigten uns je eine Waffel. Mit dem Eis im Bauch wollte unser Reiseoberhaupt nochmals ins Wasser. Ich wollte lieber einen Aperol. Da traf es sich doch ganz gut, dass wir quasi vor unserer Haustür einen kleinen Strand mit einem angeschlossenen Aperol-Geschäft fanden. Stephan spendierte uns allen einen Drink, Frank verschwand für 25 Minuten im Wasser und wir hielten unsere Bäuche in die Sonne.

Unser Dinner sollte diesen Tag festlich werden. In Scopello gibt es die Trattoria Fantasie di Forno di Vannacci – nur samstags geöffnet und laut Google-Bewertung gibt es dort „Exzellente Pizzen“, „Perfektes Essen“ und eine „Unglaubliche 5-Sterne-Erfahrung“. Nunja. Sollte. Es gab Pizzen, ja. Das erste Mal in sechs Tagen Italien bekamen wir in einem Restaurant eine Pizza. Vielleicht hatten wir ob der hochtrabenden Bewertungen zu viel erwartet, vielleicht hatten wir auch einfach die falschen Pizzen, doch das gesamte Essen war reichlich mau. Die Pizzen in unserer heimischen Tennisgastronomie schmecken um Längen besser.  Womöglich hatte sich der Wirt aber auch einfach keine Mühe mit unseren Pizzen gegeben, hatten wir doch unter anderem eine unmöglich deutsch klingende Pizza bestellt, eine „Pizza Würstel“ mit Pommes obendrauf. Leider fehlte bei dieser Pizza jedwede Wurst und kauten nur auf Pizzateig mit Fritten rum. Egal. Zu Hause gab es noch Schokolade & Weintrauben. Diese verzehrten wir mit einem der am Vortag gekauften Weingutweine und spielten noch ein paar Runden Doppelkopf bevor wir uns in unsere letzte Nacht in unserem Palazzo Prozzo verabschiedeten.

Tag 7 – Morso dall’asino

Heute wurde ich von einem Esel gebissen. Das kommt dabei raus, wenn man bei einem Streichelzoo Quartier bezieht und dem Viehzeug zu Nahe kommt. Aber Moment – der Reihe nach.

Diese kleine Katze bewachte täglich unsere Schuhe im Palazzo Prozzo – wir mussten sie leider zurücklassen (die Katze, nicht die Schuhe).

In unserem Domizil bei Casetellammare verlebten wir eine entspannte letzte Nacht und packten all unsere Sachen zusammen. Am mittleren Vormittag verließen wir die Unterkunft in den Bergen und fuhren Richtung Süden Siziliens. Als erstes steuerten wir Segesta an. Diese kleine historische Anlage empfahl Frank als historische Einlage unserer Reise. Die Stadt Segesta in rund 300 Meter Höhe war vor über 2,700 Jahren eines der wichtigsten Zentren der Elymer, einer einheimischen Bevölkerungsgruppe Siziliens. Rund 500 Jahre vor Christus begannen die Elymer einen Tempel zu errichten (im dorischen Stil, wie Historiker Frank anmerkte), allerdings wurde der Tempel nie fertiggestellt, was man unter anderem daran erkennt, dass die Säulen eine mehrere Zentimeter dicke Schutzschicht aufweisen. Diese schützte die Säulen beim Transport und wäre normalerweise bei der Fertigstellung des Tempels abgeschlagen worden. Im Laufe der Jahrhunderte gesellten sich auch Griechen und Römer zu den Elymern und ließen weitere Infrastruktur auf den Hügeln entstehen, unter anderem ein Amphitheater und einen Markt.

Nun gibt es heutzutage keine Elymer und keine antiken Griechen mehr, aber die Bauweise damals war so stabil, dass Teile von Tempel und Amphitheater auch heute noch bestehen. Diese besichtigten wir. Während wir den Tempel nur so mittelaufregend fanden, sorgte das Amphitheater und die Aussicht von selbigem schon für mehr Begeisterung. Man konnte vom Rande des Theaters weit ins Land hinabschauen – unter anderem sahen wir Castellammare und mit ein klein wenig Fantasie auch Erice.

Frank wollte als nächstes gleich eine weitere Tempelanlage, nämlich die in Selinunte ansteuern. Wir anderen drei hatten von ollen, antiken Bauten aber für den Tag genug und so einigten wir uns auf einen Kompromiss – wir besuchten den Strand direkt vor dem Tempel Selinuntes. Frank bekam so den Tempel zwar nur aus der Ferne zu sehen, aber dafür konnte er ausgiebig im Mittelmeer baden. Ich holte vom Strandcafé eine sizilianische Pizza (wahnsinnig dicker Boden mit Sardellen, Zwiebeln und Tomatensoße drauf; in der Mikrowelle warm gemacht und dafür erstaunlich lecker) und wir sonnten uns ein wenig am Strand.

Am späteren Nachmittag machten wir uns auf zu unserer Unterkunft vor den Toren Sciaccas – eine kleine touristische Stadt an der Südküste Siziliens. Dort hatten wir ein Ferienhaus in einem kleinem Appartement-Gut gebucht. Dieses besteht aus acht Ferienwohnungen, einem Pool, einem hübschen Garten und einem Streichelzoo.

Selbiger Streichelzoo – beziehungsweise ein Esel herinnen – wurde mir zum Verhängnis. Auf unserer Entdeckungstour durch die Anlage kamen wir auch bei den Tieren vorbei und wie ich eben so bin, steuerte ich schnurstracks auf die Esel zu, die auch gleich an ihren Zaun kamen, um sich – wie ich irrig vermutete – streicheln zu lassen. Sie ließen sich auch streicheln, waren aber viel mehr an Futter als an Streicheleinheiten interessiert und schwuppdiwupp hatte der Eselvati meinen Arm anvisiert und einmal herzlich hineingebissen. Ich wusste gar nicht, dass Esel so schmerzhaft sein können, und das blöde Vieh ließ sich auch gar nicht vom Beißen abbringen. Zumindest blieb es von meinem Schlag auf seine Nase ganz unbeeindruckt. Zum Glück hatten wir Silke dabei. Sie hatte geistesgegenwärtig einen kleinen Strauß Grünzeug vom Wegesrand abgerupft und hielt es dem Esel vor die Nase. Dieser Strauß interessierte das Tier dann mehr als mein Arm und es ließ von mir ab.

Mit leicht lädiertem Arm machten wir uns auf den Weg zum Strand, den man von unserer Unterkunft fußläufig erreichen können sollte. Irgendwie kamen wir auch durch einen Olivenhain zum Wasser, aber sonderlich schön war es dort nicht. Zwischen lauter Steinen lagen tote Algen und jede Menge Plastikmüll. Rock und Roll sieht anders aus!

Den Rückweg versuchten wir über einen etwas anderen Weg zu finden, dabei schafften wir es beinahe, uns zu verirren. Während es draußen dunkelte, streiften wir durch unwegsames Gelände in der Hoffnung zu unserem Domizil zurückzufinden. Dank Google Maps und den letzten Prozenten Akkuladung in unseren Telefonen fanden wir zum Glück heim, bevor es stockfinster war und konnten noch kurz ein wenig chillen, bevor es zum Dinner nach Sciacca ging.

Unsere Herbergsmutti hatte uns in Sciacca eine Pizzeria empfohlen und nachdem wir tags zuvor mit dem Pizzaladen in Scopello so unglücklich waren, musste nun die Pizzeria Conte luna Sciacca in der das Bild der Pizza auf Siziliens für uns geraderücken. Das gelang dem Laden mit Bravour. Als Starters gab es Arancinis mit allerlei Füllungen. Ein Arancino ist eine kleine sizilianische Speise, und zwar ein frittiertes und gefülltes Reisbällchen. Danach teilten wir uns drei Pizzen und weil wir sie am Nachbartischen sahen und für unwiderstehlich erachteten, bestellten wir uns auch eine Portion Pommes mit Mayo, die in der Mitte des Tisches in Windeseile weggefuttert wurde. Ich suchte die Karte nach einer Pizza mit Eselsalami ab (ich hegte noch leichte Rachegedanken), fand aber keine und nahm mit einer einfachen, pikanten Pizza vorlieb. Mit all unseren Pizzen waren wir am Ende sehr zufrieden und wir nahmen die Reste mit nach Hause. Diese sollten als Fingerfood für den nächsten Tag herhalten.

Beschwingt erkundeten nach dem Abendbrot wir die Nachbarschaft der Pizzeria, den höhergelegenen Altstadtteil Sciaccas in der Nähe des Castellos. Direkt neben einer Kirche fanden wir drei beleuchtete Automaten, die verschiedenste Präservative und Schwangerschaftstests feilboten. Es wird sicherlich Gründe für diese etwas aggressive Bewerbung von Familienplanung geben…

Während wir durch die Gassen ströperten, wurde plötzlich neben uns ein Eimer am Seil aus einem Fenster im zweiten Stock gelassen. Am oberen Ende des Seils hing eine alte Oma und rief uns etwas auf Italienisch zu. Wir hatten keine Ahnung, wonach die Dame trachtete, wollten aber gerne hilfsbereit sein. Silke vermutete, wir müssten den wohl den Eimer von der Strippe abtüdeln und löste den Knoten des Stricks. Daraufhin fing die Oma von oben an zu schimpfen. Also knotete Silke Eimer und Strick wieder zusammen. Oma schimpfte weiter. Vielleicht sollten wir den Inhalt des Eimers herausnehmen? Silke machte den Eimer auf, fand herinnen eine Tüte Müll und stellte diese neben den Eimer. Oma schimpfte nun noch lauter. Silke stopfte den Müll wieder in den Eimer zurück und wir entschieden uns, Oma, Eimer und Strick ihrem Schicksal zu überlassen. Ohne sonderlich hilfreich gewesen zu sein zogen wir von dannen, während Oma oben noch ein wenig vor sich hin schimpfte. Das war das erste Mal, dass wir während des Urlaubs auf eine Sprachbarriere stießen. Es tut uns leid, liebe Oma!

Tag 8 – 11:8

Unsere Unterkunft bei Sciacca war qualitativ lange nicht auf dem Stand unseres Palazzos Prozzos bei Castellemmare. Unser Haus war aus den 60’er oder frühen 70’er Jahren und bei einigen Einrichtungsgegenständen wussten wir nicht so recht, ob es sich um funktionale Dinge oder Deko handelte – etwa bei dem Radio im Wohnzimmer. Es roch hier und da ein wenig muffig und die Küche war nur spartanisch ausgestattet. Dafür gab es warmes Wasser in der Dusche und wir alle schliefen tief und fest eine ganze Nacht durch.

Am frühen Morgen machten Stephan und ich einen Ausflug zum lokalen Lidl, um ein wenig für das Frühstück einzukaufen. Zu Hause wurden die erworbenen Schokocroissants und das Brot vertilgt, nur auf adäquaten Kaffee mussten wir verzichten. Weder fanden wir unterwegs ein Café mit Siebträgermaschine, noch hatten wir in unserer Unterkunft eine funktionale Kaffeemaschine.

Zum Glück schlug Frank eine Tour nach Sciacca vor. Dort sollten Silke und ich Latte Macchiato und Cappuccino bekommen. Sciacca ist eine 40.000-Einwohner Stadt im Südwesten Siziliens und die Geschichte der Stadt reicht bis in die Bronzezeit zurück. Tatsächlich fand man nach dem zweiten Weltkrieg im Wasser vor der Stadt eine inzwischen berühmte Statuette, den Melqart von Sciacca, welcher über 3.000 Jahre alt ist. Wir durchliefen einmal die nicht ganz so alte Altstadt und hegten wir vage Hoffnung, ein wenig shoppen zu können. Doch die einzigen Geschäfte, die geöffnet hatten, waren Keramikläden. Gefühlt war jeder zweiter Laden einer mit bunter Keramik, Kacheln oder Korallenschmuck. Das wirkte auf mich alles eher wie Touristenneppe. Die anderen Läden waren geschlossen (vielleicht ist Montag ja Ruhetag?) und die engen Gassen der Altstadt waren mit Autos überhäuft. Der Charme des Stadtzentrums hielt sich in Grenzen. Dafür war der Blick auf den Hafen und Jachthafen beeindruckend lohnend.

Noch viel lohnender sei der Blick von und auf Caltabellotta, einem kleinen Bergdorf 30 Minuten von Sciacca entfernt, empfahl Frank und so fuhr uns Stephan über geschlungene Serpentinenstraßen zu dem Dorf hinauf. Schon Goethe fand lobenswerte Worte über den Ort und preiste die wunderliche Felsenlage von Calata Bellotta in der Italienischen Reise. Frank war dieser Ort ein Begriff, weil hier im 13. Jahrhundert der Frieden zwischen dem spanischen Aragon und dem französischen Anjou geschlossen wurde. Dass Frankreich und Spanien nun ausgerechnet in einem Bergdorf auf Sizilien einen Friedensvertrag unterzeichneten lag vor allem daran, dass es in den vorangegangenen Konflikten in erster Linie darum ging, wem die Insel Sizilien gehören sollte.

Während unserer Anwesenheit in dem Dorf wirkte es so friedlich, dass man es schon verschlafen nennen könnte. Auf jeden Fall waren wir die einzigen Touristen, die durch die engen Gassen liefen. Trotz der Enge zwischen den Häusern schafften es die Italiener, hier überall mit Autos entlangzufahren. Die beliebtesten Modelle waren Fiat Pandas aus den frühen 90’er Jahren – klein, leicht, rostfrei, unkaputtbar und billig – die perfekten Autos für gedrängte Gassen.

Frank führte uns zur Cattedrale Caltabellotta, welche im 11. Jahrhundert errichtet wurde. Diese war leider geschlossen. Dafür war der Aussichtspunkt daneben, der Pizzo Kràtas di Caltabellotta, geöffnet. Man musste nur gut 200 steile Stufen steigen und schon hatte man eine stattliche Sicht über das Hinterland bis zur See.

Nachdem wir die Sicht genügend bewundert hatten, stiegen wir hinab in das Örtchen und wollten die lokale Wirtschaft unterstützen und uns vier Drinks bestellen. Wir betraten das einzige Café am Ort, wo man uns erst ein wenig verstört musterte und dann auf unsere Bestellung nur das Wort „chiuso“ dahinmurmelte. Die lokale Wirtschaft hatte geschlossen. Mittagspause.

Zum Glück hatten wir auch Drinks zu Hause. Stephan sauste mit uns die Serpentinen durch zahlreiche Olivenhaine wieder hinab und daheim zauberte er uns geschwind vier Aperols, welche wir mit den Resten unserer gestrigen Pizza verzehrten. Ein perfekter Nachmittagssnack!

Anschließend legten Silke, Stephan und ich uns an den Pool, während Frank seinem Drang nach Meerwasser nicht widerstehen konnte und an den nächsten Strand fuhr.

Am späteren Nachmittag wurden die Tiere im Streichelzoo gefüttert. Ich hielt mich nach meinem vortägigen Eselfiasko von den Viechern zurück. Tatsächlich hatte ich inzwischen gelesen, dass vereinzelt Menschen durch Eselbisse zu Tode gekommen waren – das brauche ich nicht, vielen Dank! Dafür kümmerte Silke sich liebevoll um Esel, Pony, Pferd, Hühner und Gänse.

Am späten Nachmittag wurde ein wenig Tischtennis gespielt. Nachdem Frank und ich erst ein wenig mit Bällen und Kellen herumstümperten, zeigten uns Stephan und Silke, wie man richtig spielt. Dabei spielte Silke noch richtiger als Stephan und gewann das Match 11:8. Zur Belohnung musste sie weiter gegen mich spielen und gab mir eine halbe Stunde impromptu Tischtennisunterricht. Danach hatte ich das Gefühl, zumindest Frank jetzt schlagen zu können.

Aber das Schlagen musste warten. Es war inzwischen Abendbrotzeit und wir hatten noch jede Menge Aufschnitt und Brot, welches wir verzehrten. Wir ließen den Abend mit einer Runde Doppelkopf (Stephan gewann haushoch) ausklingen und chillten noch ein wenig auf der Terrasse.

Tag 9 – Keine Termine

Nach einer erholsamen Nacht in unserem Gut wurde das morgendliche Highlight für Stephan und mich der erneute Besuch im lokalen Lidl. Wir stockten unsere Brot- und Schokoladen-Vorräte auf und bewaffneten uns mit ein paar Croissants für das Frühstück. Ich kochte daheim noch ein paar Eier (mutmaßlich von den Hühnern des Streichelzoos) und damit hatten wir ganz im Süden Italiens ein fast deutsches Frühstück: Eier, Nutella, Wurst. (Nicht alles zusammen!)

Nach dem Frühstück war mein Ziel der Pool. Bei strahlendem Sonnenschein drehte ich ein paar Runden und hielt hernach meinen Bauch in Sonne. Heute hatten wir nichts vor, keine Termine. Zum perfekten Tag nach Harald Juhnke fehlte mir nur noch ein Bier und das genehmigte ich mir am späten Vormittag.

Irgendwann machte Frank sich mit dem Auto auf den Weg zum nächstgelegenen Sandstrand. Deroweil konnten Silke und ich nicht mehr ganz stillliegen und wir schlenderten erkundungsfreudig den Weg von unserer Unterkunft hinab. Wir standen unten wieder an dem etwas dreckigen Steinstrand mit Algen. In gewisser Entfernung sahen wir ein Hotel, das irgendwann in den 70’er Jahren erbaut worden sein musste. Da liefen wir entlang der Küste hin und siehe da, nach einer Kurve tat sich vor uns ein halbwegs ansehnlicher Sandstrand auf. Am Ende des Sandstrands gab es sogar eine Bar und in dieser orderten wir Cappuccino und Latte Macchiato. Kein Tag in Italien ohne Milchcafé!

Nun waren wir natürlich auch ein wenig neugierig, wie dieses Hotel wohl aussieht. Immerhin sollte es – so erklärte Google – ein Fünf-Sterne-Hotel sein. Das war es auch, wenn auch schon ein wenig in die Jahre gekommen. Aber hey, das passt zu uns! Zu mir zumindest. Wir stiegen unten im Hotel in einen Lift und fuhren nach ganz oben. Erstaunt stellte ich fest, dass der Lift nicht gerade, sondern schräg nach oben fuhr. Das Hotel war einfach mal an einen Berghang gebaut und da waren alle Etagen auch seitlich versetzt. Schräg oben fanden wir die Sky-Bar und auf dem Tresen stand ein großes Glas mit einem einladend aussehenden, rosa-farbigen Getränk. Das wollten wir auch und so bestellten wir uns je einen Himbeer-Blaubeer-Cocktail. Diese schlürften wir auf der Terrasse aus und danach liefen wir zurück zu unserer Unterkunft.

Dort stand bereits Stephan bereit und bot uns Aperol und Snacks feil. Der Herr Juhnke hätte seine helle Freude an dem Tag gehabt! Ich auch. Wir dösten noch ein wenig am Pool und taten nichts. Irgendwann sagte Silke das Wort „Tischtennis“ ein wenig zu laut und schon stand ich bereit für eine weitere Trainingsstunde. Das Spiel mit Aperol im Blut fühlte sich bei mir etwas unkoordiniert an, machte aber trotzdem Spaß. Frank gesellte sich dazu und ich putzte ihn in zwei Sätzen weg. Darauf nahm sich Stephan Frank zur Brust und spielte mit ihm ein paar Bälle. Ich weiß nicht genau, was dabei passierte, aber als ich anschließend zwei weitere Sätze gegen Frank spielte, verlor ich diese. Ich brauche noch mehr Training!

Aber erst einmal gab es kein Training, sondern Pizza. Diese bestellten wir in der uns bereits bekannten und für gut befundenen Pizzeria Conte luna Sciacca. Vor den Pizzen bestellten wir ganz viele Arancinis und auch wieder eine Ladung Fritten. Wir hatten dabei unseren Hunger wohl ein wenig überschätzt, denn als schlussendlich die Pizzen kamen, waren wir im Grunde schon satt. Zum Glück durften wir die Überbleibsel des Abendessens wieder mit nach Hause nehmen und hatten so gleich einen Vorrat für den nächsten Tag.

Tag 10 – Versöhnung

Vor 20 Jahren waren Frank und ich schon einmal auf Sizilien und besuchten auch das Tal der Tempel in Agrigent. Ich konnte mich an nichts mehr erinnern und Silke und Stephan waren noch nie da. Also fuhren wir da an unserem letzten Tag auf Sizilien noch einmal hin. Kultur!

Vorher durften Stephan und ich noch einmal unserem morgendlichen Ritual frönen und den Lidl in Sciacca besuchen. Wir holten alles für unser Frühstück und das letzte Abendbrot. Zu Hause hatte Silke schon die restlichen Eier von unseren Gastwirten in der Pfanne aufgeschlagen und machte uns Spiegelei mit Speck. Dazu gab es Cornettos, Brötchen und für mich den guten Instant-Kaffee von Nescafé. La Dolce Vita, schon am frühen Morgen.

Für den Rest des Tagesprogramms war weniger Dolce Vita und mehr Kulturprogramm angesagt. Wir fuhren eine knappe Stunde in die Stadt Agrigent, mit 60.000 Einwohnern eine der größeren Städte Siziliens. Die Geschichte der Stadt reicht zurück bis ins 6. Jahrhundert vor Christus als Auswanderer aus Rhodos, die am Felsen eine Stadt anlegten.

Wir fuhren zunächst in die Altstadt (in der die meisten Bauwerke zwischen dem 12. und 16. Jahrhundert gebaut wurden). Die Gassen waren teilweise so eng, dass es keine Autos mehr gab, es war alles ein wenig heruntergewirtschaftet und teilweise standen Häuser einfach leer. Man merkte der Stadt an, dass sie in einer der ärmsten Regionen Italiens liegt. Die Einkaufsmeile der Stadt war ein wenig verwaist – es war der 1. November, Allerheiligen, ein Feiertag in Italien. Immerhin fanden wir ein Café, wo Silke und ich zu unseren Milchkaffees kamen.

Danach ging es zum eigentlichen Ziel des Tagesausflugs, dem Tal der Tempel vor der Stadt Agrigents. Hier hatten sich ab 582 vor Christus griechische Siedler niedergelassen und die Stadt wurde schnell zu einem der wichtigsten Zentren auf Sizilien.

Bis heute sind einige Bauten gut erhalten. Der Concordiatempel in der Mitte der Anlage zählt zu den am besten erhaltenen griechischen Tempeln überhaupt. Der Grund hierfür ist, dass der Tempel ab dem 6. Jahrhundert als christliche Basilika genutzt wurde und so stets ein wenig restauriert wurde. Inzwischen ist die ganze Anlage einer der touristischen Hotspots Siziliens. Für meinen Geschmack war die Gesamteinrichtung jedoch ein wenig lieb- oder geschmacklos. Es gab kaum handfeste Erklärungen zu den einzelnen Ruinen, noch irgendein erkennbares museales Konzept. Vor dem Concordiatempel wurde vor ein paar Jahren eine moderne Statue von Ikarus platziert. Das ist zwar ein schönes Fotomotiv, aber was der Ikarus da aber genau soll, bleibt unklar.

Das nächste Ausflugsziel war die Scala dei Turchi (die Treppen der Türken) ein paar Kilometer westlich von Agrigent. Hierbei handelt es sich um einen Felsen an der Küste, der in strahlendem weiß mit zahllosen Stufen aus dem Wasser ragt. Der Felsen erinnerte ob der Farbe ein klein wenig an den Kreidefelsen auf Rügen, aber anders als beim Kreidefelsen war der Zutritt hier kostenfrei und ein wenig beeindruckender sah die Formation auch noch aus.

Nachdem wir hinreichend viele Fotos von dem Felsen knipsten, hatten wir genügend Kultur und Natur für den Tag. Es war unser letzter ganzer Reisetag und wir wollten uns halbwegs gebührend von der Reise verabschieden. Also fuhren wir in das Fünf-Sterne-Hotel neben unserer Unterkunft, welches Silke und ich tags zuvor erkundet hatten und bestellten uns dort vier Cocktails, mit denen wir auf einen erfolgreichen Urlaub anstießen.

Nun fehlte zu meinem Urlaubserfolg noch eine Versöhnung mit dem bissigen Viehzeug in unserem Streichelzoo. Zur Versöhnung hatten wir bereits am Morgen Möhren besorgt und diesen bewaffnet stellte ich mich den Eseln ein weiteres Mal. Die Esel fraßen mir artig aus der Hand (und nicht die Hand ab). So ganz traue ich Eseln nun immer noch nicht, aber nehme erst einmal an, dass der vorige Biss in meinen Arm nur ein Versehen war.

Nachdem die Esel ihr Abendbrot hatten, versorgten wir uns mit den übriggebliebenen Pizzastücken vom Vortag und verzehrten dazu allerlei weitere Reste der Küche. Den Tag und Abend ließen wir mit einer weiteren Partie Doppelkopf ausklingen (schon wieder gewann Stephan deutlich; immerhin brachte Frank jedoch ein Solo durch uns sicherte sich so den zweiten Platz).

Tag 11 – Schweres Schaf

Unser elfter Reisetag war gar kein richtiger Reisetag mehr. Unsere einzige Aufgabe war es, das Auto von Sciacca zum Flughafen Palermo zurückzufahren und dort in unseren Flieger zu steigen.

Zu Hause räumten wir all unsere Dinge zusammen, frühstückten ein letztes Mal und besuchten mit unseren Lebensmittelresten ein letztes Mal den Streichelzoo. Die Hühner schauten Wurst und Käse erst etwas skeptisch an, fraßen es dann aber trotzdem. Die Esel, das Pferd und die Ziegen bekamen unsere überzähligen Brote.

Kurz vor Neun machten wir uns auf die Fahrt. Auch diesmal ließ sich Stephan die Rolle des umsorgenden Fahrers nicht nehmen und er brachte uns zügig zum Flughafen.

Dort tranken wir ein letztes Mal Cappuccino und Latte Macchiato und hatten etwas Wehmut. Wie Roger Whittaker in den 80’er Jahren schon feststellte: Abschied ist ein schweres Schaf. Wir nahmen Abschied von Sizilien und machten uns auf in unsere Ryanair-Maschine, die uns direkt nach Berlin flog. Es war ein schöner, harmonischer Urlaub mit viel Entspannung und Sonne im Herbst.

Ein letzter Abschiedsselfie am Flughafen

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