Tag 7 – Morso dall’asino

Heute wurde ich von einem Esel gebissen. Das kommt dabei raus, wenn man bei einem Streichelzoo Quartier bezieht und dem Viehzeug zu Nahe kommt. Aber Moment – der Reihe nach.

Diese kleine Katze bewachte täglich unsere Schuhe im Palazzo Prozzo – wir mussten sie leider zurücklassen (die Katze, nicht die Schuhe).

In unserem Domizil bei Casetellammare verlebten wir eine entspannte letzte Nacht und packten all unsere Sachen zusammen. Am mittleren Vormittag verließen wir die Unterkunft in den Bergen und fuhren Richtung Süden Siziliens. Als erstes steuerten wir Segesta an. Diese kleine historische Anlage empfahl Frank als historische Einlage unserer Reise. Die Stadt Segesta in rund 300 Meter Höhe war vor über 2,700 Jahren eines der wichtigsten Zentren der Elymer, einer einheimischen Bevölkerungsgruppe Siziliens. Rund 500 Jahre vor Christus begannen die Elymer einen Tempel zu errichten (im dorischen Stil, wie Historiker Frank anmerkte), allerdings wurde der Tempel nie fertiggestellt, was man unter anderem daran erkennt, dass die Säulen eine mehrere Zentimeter dicke Schutzschicht aufweisen. Diese schützte die Säulen beim Transport und wäre normalerweise bei der Fertigstellung des Tempels abgeschlagen worden. Im Laufe der Jahrhunderte gesellten sich auch Griechen und Römer zu den Elymern und ließen weitere Infrastruktur auf den Hügeln entstehen, unter anderem ein Amphitheater und einen Markt.

Nun gibt es heutzutage keine Elymer und keine antiken Griechen mehr, aber die Bauweise damals war so stabil, dass Teile von Tempel und Amphitheater auch heute noch bestehen. Diese besichtigten wir. Während wir den Tempel nur so mittelaufregend fanden, sorgte das Amphitheater und die Aussicht von selbigem schon für mehr Begeisterung. Man konnte vom Rande des Theaters weit ins Land hinabschauen – unter anderem sahen wir Castellammare und mit ein klein wenig Fantasie auch Erice.

Frank wollte als nächstes gleich eine weitere Tempelanlage, nämlich die in Selinunte ansteuern. Wir anderen drei hatten von ollen, antiken Bauten aber für den Tag genug und so einigten wir uns auf einen Kompromiss – wir besuchten den Strand direkt vor dem Tempel Selinuntes. Frank bekam so den Tempel zwar nur aus der Ferne zu sehen, aber dafür konnte er ausgiebig im Mittelmeer baden. Ich holte vom Strandcafé eine sizilianische Pizza (wahnsinnig dicker Boden mit Sardellen, Zwiebeln und Tomatensoße drauf; in der Mikrowelle warm gemacht und dafür erstaunlich lecker) und wir sonnten uns ein wenig am Strand.

Am späteren Nachmittag machten wir uns auf zu unserer Unterkunft vor den Toren Sciaccas – eine kleine touristische Stadt an der Südküste Siziliens. Dort hatten wir ein Ferienhaus in einem kleinem Appartement-Gut gebucht. Dieses besteht aus acht Ferienwohnungen, einem Pool, einem hübschen Garten und einem Streichelzoo.

Selbiger Streichelzoo – beziehungsweise ein Esel herinnen – wurde mir zum Verhängnis. Auf unserer Entdeckungstour durch die Anlage kamen wir auch bei den Tieren vorbei und wie ich eben so bin, steuerte ich schnurstracks auf die Esel zu, die auch gleich an ihren Zaun kamen, um sich – wie ich irrig vermutete – streicheln zu lassen. Sie ließen sich auch streicheln, waren aber viel mehr an Futter als an Streicheleinheiten interessiert und schwuppdiwupp hatte der Eselvati meinen Arm anvisiert und einmal herzlich hineingebissen. Ich wusste gar nicht, dass Esel so schmerzhaft sein können, und das blöde Vieh ließ sich auch gar nicht vom Beißen abbringen. Zumindest blieb es von meinem Schlag auf seine Nase ganz unbeeindruckt. Zum Glück hatten wir Silke dabei. Sie hatte geistesgegenwärtig einen kleinen Strauß Grünzeug vom Wegesrand abgerupft und hielt es dem Esel vor die Nase. Dieser Strauß interessierte das Tier dann mehr als mein Arm und es ließ von mir ab.

Mit leicht lädiertem Arm machten wir uns auf den Weg zum Strand, den man von unserer Unterkunft fußläufig erreichen können sollte. Irgendwie kamen wir auch durch einen Olivenhain zum Wasser, aber sonderlich schön war es dort nicht. Zwischen lauter Steinen lagen tote Algen und jede Menge Plastikmüll. Rock und Roll sieht anders aus!

Den Rückweg versuchten wir über einen etwas anderen Weg zu finden, dabei schafften wir es beinahe, uns zu verirren. Während es draußen dunkelte, streiften wir durch unwegsames Gelände in der Hoffnung zu unserem Domizil zurückzufinden. Dank Google Maps und den letzten Prozenten Akkuladung in unseren Telefonen fanden wir zum Glück heim, bevor es stockfinster war und konnten noch kurz ein wenig chillen, bevor es zum Dinner nach Sciacca ging.

Unsere Herbergsmutti hatte uns in Sciacca eine Pizzeria empfohlen und nachdem wir tags zuvor mit dem Pizzaladen in Scopello so unglücklich waren, musste nun die Pizzeria Conte luna Sciacca in der das Bild der Pizza auf Siziliens für uns geraderücken. Das gelang dem Laden mit Bravour. Als Starters gab es Arancinis mit allerlei Füllungen. Ein Arancino ist eine kleine sizilianische Speise, und zwar ein frittiertes und gefülltes Reisbällchen. Danach teilten wir uns drei Pizzen und weil wir sie am Nachbartischen sahen und für unwiderstehlich erachteten, bestellten wir uns auch eine Portion Pommes mit Mayo, die in der Mitte des Tisches in Windeseile weggefuttert wurde. Ich suchte die Karte nach einer Pizza mit Eselsalami ab (ich hegte noch leichte Rachegedanken), fand aber keine und nahm mit einer einfachen, pikanten Pizza vorlieb. Mit all unseren Pizzen waren wir am Ende sehr zufrieden und wir nahmen die Reste mit nach Hause. Diese sollten als Fingerfood für den nächsten Tag herhalten.

Beschwingt erkundeten nach dem Abendbrot wir die Nachbarschaft der Pizzeria, den höhergelegenen Altstadtteil Sciaccas in der Nähe des Castellos. Direkt neben einer Kirche fanden wir drei beleuchtete Automaten, die verschiedenste Präservative und Schwangerschaftstests feilboten. Es wird sicherlich Gründe für diese etwas aggressive Bewerbung von Familienplanung geben…

Während wir durch die Gassen ströperten, wurde plötzlich neben uns ein Eimer am Seil aus einem Fenster im zweiten Stock gelassen. Am oberen Ende des Seils hing eine alte Oma und rief uns etwas auf Italienisch zu. Wir hatten keine Ahnung, wonach die Dame trachtete, wollten aber gerne hilfsbereit sein. Silke vermutete, wir müssten den wohl den Eimer von der Strippe abtüdeln und löste den Knoten des Stricks. Daraufhin fing die Oma von oben an zu schimpfen. Also knotete Silke Eimer und Strick wieder zusammen. Oma schimpfte weiter. Vielleicht sollten wir den Inhalt des Eimers herausnehmen? Silke machte den Eimer auf, fand herinnen eine Tüte Müll und stellte diese neben den Eimer. Oma schimpfte nun noch lauter. Silke stopfte den Müll wieder in den Eimer zurück und wir entschieden uns, Oma, Eimer und Strick ihrem Schicksal zu überlassen. Ohne sonderlich hilfreich gewesen zu sein zogen wir von dannen, während Oma oben noch ein wenig vor sich hin schimpfte. Das war das erste Mal, dass wir während des Urlaubs auf eine Sprachbarriere stießen. Es tut uns leid, liebe Oma!

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Karla
Karla
30. October 2023 11:24

Was für ein erlebnisreicher Tag. Aber ich mach mir Sorgen um mein gebissenes Kind (beeindruckendes Bild), hoffentlich ist es gegen Tetanus geimpft und wird jetzt nicht tollwütig.
Außerdem sehr interessant, dass auch die sizilianischen Katzen eine Schwäche für getragene Schuhe haben. Sowas kannte ich von unseren Katzen auch.

Tammo
Tammo
30. October 2023 12:50

Kaum vorstellbar, dass dieser unschuldig dreinblickende Asinus zu so einer heimtückischen Attacke fähig war. Dem Wurstdieb eures letzten Südtirol-Urlaubs konnte man böse Absichten schon viel eher ansehen!

Euer Reisequartett mutet übrigens auch mit erstaunlich wenig Tennis sehr harmonisch an. Mich würde noch eure Doppelkopf-Spielstatistik und die bisherige Weinbilanz interessieren 🙂