Immer noch Tag 10 – Catarata

Den Nachmittag unseres neunten Reisetags taten wir größtenteils gar nichts. Wir spazierten ein wenig durch die Straßen der Altstadt und schauten in das eine oder andere Touristengeschäft. Tags zuvor fuhren wir mit Yuli an der lokalen Brauerei vorbei. In über einer Woche hatten wir auf Cuba nur importiertes Bier bekommen. Hier in dieser Brauerei solle es lokales Bier geben, erklärte uns Yuli. Allerdings fehle es seit zwei Jahren an mehreren Zutaten für Bier und man behelfe sich durch Verwendung irgendwelche Ersatzstoffe. In Konsequenz schmecke das Bier wie Essig, versicherte uns Yuli.

Ein bisschen neugierig auf das lokale Essig-Bier waren wir schon, weswegen wir unseren nachmittäglichen Spaziergang bis zur Brauerei ausdehnten. Vor der Brauerei stand eine Traube Menschen und wartete in einer Schlange, von drinnen Drang Musik und auf dem Platz davor standen mehrere große Busse, die offenbar Personen herangekarrt hatten. Wie wir später lernten, ist jeden Samstag in der Brauerei ein Fest. Wir sahen uns das Treiben ein wenig an, ich entschied dann jedoch, den Besuch des Brauerei-Festes ausfallen zu lassen – in erster Linie, weil ich nicht verstand, was am Eingang der Brauerei genau passierte. Dort stand ein offiziell aussehender Mann und öffnete oder verschloss die Türe alle paar Minuten und ich fürchtete man könne nur nach Abschluss eines kleinen bürokratischen Hürdenlaufes die Brauerei samt Fest besuchen. Gewundert hätte mich dies auf jeden Fall nicht. Wir aßen stattdessen vor der Brauerei ein kleines Stück Kuchen, dass uns unser Herbergsvati vormittags auf den Weg gab.

Die Brauerei Trinidads
Hinter der Kirchruine spielen Kinder Baseball
Frank mit der bunten Maison-Taskin-Hose
Samstägliche Gassen der etwas ärmeren Altstadt

Vögel gassi führen

Ein wenig später liefen wir zurück durch die ärmeren Straßen der Altstadt. Hier war es angenehm ruhig und man konnte die Haustiere der Menschen bestaunen. In Trinidad halten sich viele Menschen kleine Vögel, die sie in Käfigen vor oder in den Häusern haben.

Häufig sieht man auch Menschen mit den Käfigen durch die Straßen laufen. Zunächst dachten wir, die Leute würden die Vögel eventuell verkaufen oder schlicht transportieren. Nein. Man erklärte uns, die Menschen würden mit ihren Vögeln spazieren gehen. Das erscheint mir ein wenig verrückt. Hunde lässt man einfach so vor die Tür und lässt sie freiumherlaufen. Vögel jedoch werden täglich ausgeführt und in Käfigen vor den Häusern aufbewahrt.

Vögel in Käfigen mit Henkeln zum Gassigehen
Nachmittags genossen wir Erdbeer und Schokoladeneis
Zum Eis gab es eine grüne Wiese – Curacao und Orangensaft

Dinner zu Haus

Das Abendessen nahmen wir diesen Tag in unserer Herberge ein. Unser Gastgeber hatte uns bereits zuvor angeboten, für 10 Euro pro Person für uns zu kochen und das Angebot nahmen wir gerne an.

Es gab Kürbissuppe als Vorspeise und Ropa Vieja als Hauptgang. Ropa Vieja hatten wir bereits mehrfach zuvor gegessen – hierbei handelt es sich um gekochtes Fleisch (meistens Rindfleisch) mit ein wenig Gemüse und Reis und häufig einer weiteren Sättigungsbeilage. Zum Nachtisch servierte man uns eine Eiscreme.

Ropa Vieja mit Reis und Kartoffeln

Während unseres Dinners und gut zwei Stunden über dies hinaus unterhielten wir uns mit unserem Gastgeber über Kuba. Er hatte viel zu sagen. Sehr viel. Er sprach wie eine Catarata – also wie ein großer Wasserfall.

Wir sprachen vor allem über sein Land. Dabei hatte über seine Regierung wenig Gutes zu sagen. Mafiosi seien die Verantwortlichen, die machen mit den Bürgern was sie wollen und seien vor allem gut darin, Dinge zu nehmen, es mangele jedoch an dem Zurückgeben.

Er beklagte sich unter anderem, dass es ihm zwar gestattet sei, sein eigenes kleines Hostel zu betreiben, er aber Angst haben müsse, zu viel Geld zu verdienen, da ihn der Staat dann enteignen könne. Jederzeit können Staatsbeamte sein Heim überprüfen, seine Bücher inspizieren und Gründe finden, warum man ihm eine Strafe aufbrummen könne.

Außerdem verlange der Staat zu viel Geld, zum Beispiel für Wasser, das er für umgerechnet 30 Euro pro Kubikmeter von staatlichen Trucks liefern lassen muss, da die 80 Jahre alten Wasserleitungen seit langer Zeit kaputt sind.

Außerdem sei das monetäre System in Kuba ein Witz. Für die einheimische Währung Pesos bekäme man nur die wenigsten Dinge. Wolle man etwas Brauchbares kaufen, ginge dies nur mit harter Währung, also Euro. Tatsächlich gibt es in Trinidad mehrere Läden, die man hier als „Museumsläden“ bezeichnet – nur schauen, aber nicht mitnehmen. Hier gibt es alles Mögliche zu kaufen – Wurst, Käse, Bier, gute Kleidung, Süßigkeiten. Aber man zahlt alles in Euro und zwar mit europäischen Preisen. Wir hatten uns tags zuvor ausversehen einmal dorthin verirrt und waren etwas kirre, als man uns tatsächlich 4 Euro für 5 Flaschen Wasser abnahm. Für uns sind diese Preise kein Problem, aber für Kubaner ist das gerne ein Fünftel des Monatslohns.

An seinem Präsidenten ließ unser Gastgeber auch nur wenige gute Worte – er predige Wasser und saufe Wein. Im Fernsehen träte er auf und fordere ein, die Bevölkerung müsse den Gürtel enger schnallen, doch gleichzeitig trage er eine teure Schweizer Uhr am Handgelenk.

Außerdem sei der Staat inkompetent – er zahle den Ärzten und Lehrern Hungerlöhne. Da müsse man sich nicht wundern, wenn diese lieber Taxi führen oder versuchten, das Land zu verlassen.

Alles in allem ließ unser Gastgeber an der gesamten Führung seines Landes nur wenige gute Worte, wurde aber nie müde zu betonen, dass Kuba und die kubanischen Menschen stets versuchten und es auch schafften, das beste aus der Situation zu machen. Das Land funktioniert teilweise einfach als Tauschwirtschaft – man braucht seine Mitmenschen und deswegen funktioniert die Gesellschaft, auch wenn vieles ein wenig mühselig ist. Aber, so unser Herbergsvati, die Kubaner verlören nie ihr gutes Gemüt, denn nur damit sei das Leben hier zu meistern.

Ich hätte initial gedacht, dass unser Gastgeber zu der wohlhabenden Schicht des Landes gehört. Er hat ein Hostel in einem touristischen Hotspot mit drei Zimmern, die er für je 30 Euro pro Nacht vermietet. Er hat dadurch vergleichsweise einfachen Zugriff auf harte Währung (i.e. Euro) und ein Einkommen, das um ein Vielfaches höher ist als das eines durchschnittlichen Arbeiters. Tatsächlich haben er und seine Familie es sicherlich besser als die meisten anderen Kubaner. Aber ich merkte auf, als er uns erzählte, dass er in seinem Leben noch fast gar nicht gereist sei. Er ist jetzt 50 Jahre alt und war in seinem Leben nur zweimal in Havanna, einmal in Viñales und noch nie im Osten des Landes. Sein großer Traum ist es, einmal ganz Kuba zu bereisen und eventuell, wenn es irgendwie Wege zu einem Visum gibt, eine Reise nach Europa anzutreten.

Frank und ich saßen in seinem Innenhof und ich dachte mir, dass für uns Kuba dieses Jahr nur eine von mehreren Reisen ist – zwar die größte und teuerste, aber eben keineswegs die einzige. Wir waren auf allen Kontinenten und haben gefühlt jeden Winkel Deutschlands besucht und dieser Mann erzählt uns, dass es einer seine Träume ist, einmal die 500 Kilometer östlich gelegene Stadt Santiago zu besuchen. Das Wohlstandsgefälle zwischen der westlichen Welt und Kuba ist enorm, auch wenn das Land an vielen Stellen sehr modern und westlich ausgerichtet ist.

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