Tag 11 – Drachen im Paradies

Wir wurden in unserem Urlaub betrogen. Um eine Stunde wurden wir betrogen. Die Kubaner stellten in der Nacht auf unseren elften Reisetag einfach so die Uhren um eine Stunde vor. Auch hier gibt es Sommerzeit. Warum bloß? Hier ist doch immer Sommer!

Wegen der fehlenden Stunde war unsere Nacht ein wenig kurz, denn wir mussten zeitig aufstehen. Ziel des heutigen Ausflugs war die kleine Insel Cayo Blanco 20 Kilometer vor dem Strand Trinidads.

Wir fuhren zunächst zur Marina hinaus, wo uns am Morgen eine Art Kapitän begrüßte. Zusammen mit vier Franzosen, die aus einem angrenzenden Ressorthotel angereist waren, bestiegen wir einen Katamaran und dieser legte kurz nach 9 Uhr mit uns ab.

Marina Trinidad mit Katamaran

Selfie vor den Mangroven auf dem Katamaran

Wir hatten kaum den Hafen verlassen, da blies uns eine steife Brise um die Nase. Die See war garstig an diesem Morgen, meine Freunde. Der Katamaran schaukelte mächtig hin und her und einer der französischen Exkursionsteilnehmer sah so aus, als wolle er jeden Moment sein Frühstück den Fischen zum Fraß anbieten. Frank und ich saßen auf dem Deck und ließen uns den Wind um die Ohren sausen, bis sich eine Welle am Bug brach und uns einmal von oben bis unten bewässerte. Den Rest der gut einstündigen Fahrt verbrachten wir halb nass, während wir unsere Wäsche zum Trocknen in den Wind hingen.

Noch waren wir trocken
Nach einer Welle müssen die Shirts trocknen

Wir erreichten die Südseite der kleinen Insel Cayo Blanco und dort schnallten sich die meisten der Touristen auf dem Boot Flossen an die Füße, setzten sich Taucherbrillen auf sprangen ins Wasser. Wir ankerten über einem Korallenriff und dort konnte man so einige Korallen und auch Fischchen besichtigen. Frank besichtigte. Ich besichtigte nicht, sondern hielt Wacht an Deck. Ich habe schließlich seit dem vorletzten Jahr ein Kapitänspatent und man hat mir beigebracht, dass Kapitäne das Boot nicht verlassen sollen. Außerdem ist mir zu viel Wasser nichts. Frank hingegen tollte sich über eine halbe Stunde im Nass und machte mit der eigens eingeführten Unterwasserkamera ganz viele Fotos.

Frank besteigt das Wasser
Auf der Suche nach Korallen

Drachen!

Nachdem Frank und die Franzosen wieder an Bord waren, fuhren wir zu der Anlegestelle der Insel, wo wir zu einem kleinen Restaurant geführt wurden.

Das erste was uns dort begrüßte war eine Art Bisamratte, die uns neugierig anschaute. Ich war grade noch dabei meine Kamera zu zücken, um das niedliche Nagetier abzulichten, da juchzte Frank hinter mir auf: „Drachen!“. Auf dem Boden der Veranda fanden sich zahlreiche Leguane ein, die uns neugierig musterten und fast schon handzahm auf uns zukamen. Eine Bisamratte und kleine Drachen, die man Streicheln konnte! Das musste eine Art Paradies sein. Tatsächlich fand ich einen Leguan, der sich den Kiefer kraulen ließ und dabei die Augen schloss.

Handzahmer Leguan
Ja, man konnte sie anfassen!

Ich wusste bislang noch nicht, dass „Drachen streicheln“ auf meiner Liste der Dinge ist, die man im Leben einmal gemacht haben muss, bin aber froh diesen Punkt der Liste hinzugefügt und abgehakt zu haben. Die schuppige Haut der Tiere ist knochentrocken und die spitzen Schuppen am Schwanz und auf dem Rücken sind sehr spitzkantig. Beißen können die Tiere nicht, dafür aber hochspringen. Beim Essen fütterte Frank die Leguane mit Kartoffeln und einer der kleinen Drachen sprang zu seinem erschreckten Erstaunen an ihm hoch und wollte eine Kartoffel aus seiner Hand stibitzen.

Die Leguane zeigen Interesse an unserem Lunch
Die Bisamratte war beim Essen auch dabei

Vor Ort bekamen wir nicht nur eine Paella zum Lunch, sondern auch noch eine gute Menge Rum mit Limo verabreicht – alles inklusive. Dabei waren wir mit den vier Franzosen die einzigen Touristen auf diesem wunderschönen Fleckchen Erde. So viel Glück muss man erst einmal haben! Zu Zeiten vor Corona müssen sich hier dutzende Leute getummelt haben, jetzt hatten wir die kleinen Drachen und den malerischen Strand ganz für uns. Nach dem Lunch gingen wir ein wenig ins Wasser, legten uns zum Trocknen auf die Liegen und erfreuten uns an der Rum-Limo.

Ein ganzer Strand fast für uns allein und dazu eine gute Menge Rum

Am Nachmittag holte uns der Katamaran wieder ab und auf dem Rückweg war die See wesentlich entspannter. Ich bin an Deck dank des Rums gar eingeschlafen. Zu Hause angekommen, schlief Frank eine Stunde in unserer Kammer, während ich auf der Terrasse die Sonne genoss und ein wenig Cola trank.

Entspannte Rückfahrt

Der Hahn ist tot!

Zum Abendessen kehrten wir in das wenige Tage zuvor von unserer Reiseführerin empfohlene Restaurant La Botija ein. Dies war im 19. Jahrhundert eine Sklavenwerkstatt und die Legende besagt, dass der Besitzer ein jähzorniger, rachsüchtiger Mensch war. Eines Tages versuchte seine Frau, eine offenbar ähnlich ungezügelte Person, ihn umzubringen, um an seinen Reichtum zu gelangen. Der Mord misslang und um sich gegen weitere Attentate zu schützen, nahm der Besitzer der Sklavenwerkstatt all sein Geld und ließ es von Sklaven in einem großen Tontopf (auf Spanisch „Botija“) vergraben. Dann brachte er die Sklaven um, so dass nur er wusste, wo sein Geld vergraben ist. Er dachte, dass man ihn schon nicht umbringen würde, wenn nur er wüsste, wo sein Schatz liegt. Der Versuch war jedoch zwecklos, der Mann wurde trotzdem umgebracht. Die Legende besagt, dass sein Schatz immer noch irgendwo in den Wäldern vor Trinidad vergraben ist.

Die Sklavenwerkstatt ist inzwischen ein Restaurant und Frank und ich verzehrten dort Hühnchen und Lasagne. Frank war von seinem Hühnchen ganz begeistert und meine Lasagne mundete ebenfalls.

Während wir so da saßen und an unserem Essen kauten, tauchte auf einmal an dem offenen bodentiefen Fenster neben unserem Tisch ein merkwürdig aussehender alter Mann auf und hielt uns ein lebendes Huhn vor die Nase. Dazu wetzte er eine Machete und schaute erst uns, dann andere Gäste im Laden auffordernd an. Wir hatten nicht ganz verstanden, was da vor sich ging. Wollte er uns das Huhn verkaufen? Wollte er das Huhn für uns schlachten? Wollte er Lösegeld für das Huhn erpressen? Oder war das einfach nur eine merkwürde Performance-Show?

Er hielt sich bestimmt 15 Minuten dort auf und hielt wahlweise Huhn oder Machete in die Höhe. Schließlich kam einer der Mitarbeiter des Restaurants und drückte dem Alten eine Tüte mit ein wenig Essen in die Hand. Die nahm er und zog ab zur gegenüberliegenden Straßenseite, wo er das Essen verdrückte.

Frank und ich verdrückten uns ebenfalls, tranken in einer anderen Kneipe noch einen Canchánchara (Schnaps mit Honig, Zitrone und Wasser) und ein wenig Piña Colada. Danach erklärten wir den Tag für beendet und fanden uns in unseren Betten ein.

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Tammo
Tammo
14. March 2022 22:53

Hat der ärmste Hahn das Schauspiel überlebt? 🙁