Tag 5 – Auf vier und auf zwei Rädern

Der hinreichende Schlaf blieb zumindest mir in dieser Nacht irgendwie verwehrt. Es war schwül, ich schwitzte und im Zimmer fanden sich zahlreiche Mücken, die mich augenscheinlich sehr faszinierend fanden. Nicht dass sie mich stechen wollten, sie sausten einfach nur ständig um mein Ohr und machten dabei so viel Krach, dass sie mich ein ums andere Mal aufweckten. Egal, schlechten Schlaf im Urlaub bin ich gewöhnt und immerhin ein paar Stunden Schlaf kamen am Ende der Nacht heraus.

Wir fanden uns zum letzten Mal zum Frühstück bei unserer Vermieterin ein, packten all unsere Sachen zusammen und verfrachteten Koffer und Rucksäcke ins Auto. Wir verabschiedeten uns und bedankten uns für die Gastfreundschaft und Hilfe, machten noch ein Abschiedsfoto zu dritt und stiegen dann ins Auto. Uns stand eine aufregende Fahrt bevor.

Typisches kubanisches Frühstück - Guaven, Melonen und Bananen (Eier und ein wenig Brot kamen später dazu)
Typisches kubanisches Frühstück – Guaven, Melonen und Bananen (Eier und ein wenig Brot kamen später dazu)
Abschiedsbild mit unserer Herbergsmutti Sara
Abschiedsbild mit unserer Herbergsmutti Sara

Fahrt nach Viñales

Gut drei Stunden hatten wir für unsere Fahrt in das Viñales-Tal eingeplant. Erst einmal mussten wir aus Havanna herausfinden. In diversen Reiseführern wurde vor Fahrten durch Havanna gewarnt – zu enge Straßen, zu viele Fußgänger auf den Straßen, zu undurchsichtige Straßenführung. Unfug! Vielleicht lag es an Franks professioneller Navigation, doch wir fanden ohne Probleme aus der Stadt heraus auf die Autobahn. Die anderen Verkehrsteilnehmer sind rücksichtsvoll, niemand drängelt oder fährt zu schnell und generell gibt es nicht übermäßig viel Verkehr.

Auf der Autobahn fuhren wir zwischen Oldtimern und Bussen gen Westen. Je weiter wir uns von Havanna entfernten, desto weniger Oldtimer waren um uns herum und desto mehr Pferdefuhrwerke teilten sich mit uns die Straße. Auch Fahrradfahrer, Fußgänger und Ochsengespanne waren auf der rechten Spur unterwegs. Teilweise waren die Straßen lange Abschnitte auch komplett leer. Die Straßenverhältnisse waren besser als befürchtet – ja, es gab viele Schlaglöcher, aber mit ein wenig Vorsicht konnte man mit Tempo 80 bis 90 entspannt fahren.

Teilweise war die Autobahn sehr leer
Teilweise war die Autobahn sehr leer
Fahrräder auf der Autobahn
Fahrräder auf der Autobahn
Pferdefuhrwerke auf dem Seitenstreifen
Pferdefuhrwerke auf dem Seitenstreifen

Nach gut zwei Stunden verließen wir die Autobahn und fuhren auf engeren Straßen weiter. Im erstbesten Ort, den wir durchfuhren, brachte ich das Kunststück fertig, eine rote Ampel zu ignorieren. Sowas ist mir auch schon in Berlin passiert. Nur hier stand direkt hinter der Ampel auch gleich ein Polizist (oder etwas Vergleichbares, jedenfalls sah der Mann offiziell aus). Er winkte uns heraus. Oh nein! Zu meinem Erstaunen sprach er ein bisschen Englisch und wies uns nur freundlich darauf hin, dass dieses etwas unscheinbar aussehende Blinklicht eine Ampel gewesen sei. Alles gut!

Dann fragte er uns, ob wir nach Viñales führen und ob wir eventuell eine Person mitnehmen könnten. Konnten wir. Ein Mann stieg ins Heck und stellte sich als Felix vor. Felix arbeitet in Viñales auf einer Tabakfarm und sprach auch ein wenig Englisch. Während der halbstündigen Wegstrecke unterhielten wir uns über Kuba, Tabak, das Viñales-Tal und das Wetter in Deutschland („Frio!“). Felix stellte uns als Dank für die Fahrt einen Kaffee auf seiner Farm in Aussicht und empfahl uns ein gutes Restaurant in Viñales. Dort hielten wir auch gleich und reservierten einen Tisch für den Abend. Wir setzten Felix ab, verzichteten aber vorerst auf den Kaffee, denn wir mussten noch in unser Haus einchecken und ich wollte ganz gerne noch eine halbe Stunde Mittagschlaf machen, bevor um zwei Uhr unserer Tagesprogrammpunkt, ein Fahrradausflug anstand.

Unser Haus war in der Karte verzeichnet und wir fanden es auf Anhieb. Auch hier begrüßte uns eine freundliche Dame und wies uns zu unserem Zimmer. Diesmal hatten wir tatsächlich nur ein Zimmer und keine ganze Wohnung für uns. Egal, das sollte auch reichen!

Auf zwei Rädern durch den Tabak

Wir hatten Zeit für eine kurze Siesta in unserem Zimmerchen, welche ich auch durchaus nötig hatte. Kurz nach zwei Uhr kam unser heutiger Guide – Mario. Er hatte drei Fahrräder im Schlepptau, eines für ihn, zwei für Frank und mich. Auf diesen Rädern fuhren wir zunächst durch den Ort, dann durch Tabakfelder und Wiesen. Dabei hatten wir einen grandiosen Blick über das Viñalestal und Mario erklärte uns allerlei Details über die lokalen Pflanzen. Wir machten kurz Stopp auf einer kleinen Lodge, dann ging es weiter über eine etwas beschwerliche Holperstrecke zu einer Tabakfarm.

Mit Fahrrad durch Schlaglöcher
Mit Fahrrad durch Schlaglöcher
Gruppenbild mit unserem Guide Mario
Gruppenbild mit unserem Guide Mario
Straßenrand im Vinalestal
Straßenrand im Vinalestal
Felsbild zur Evolution im Vinalestal
Felsbild zur Evolution im Vinalestal
Ich fand ein Schwein zum Streicheln
Ich fand ein Schwein zum Streicheln
Blick über das Vinalestal
Blick über das Vinalestal
Das Ochsengespann ersetzt hier den Traktor
Das Ochsengespann ersetzt hier den Traktor
Frank inspiziert die Umgebung
Frank inspiziert die Umgebung

Auf dieser Farm saß ein etwa 30-jähriger Tabakfarmer mit einem großen Sonnenhut und begrüßte uns begeistert. Er stellte sich mit Namen vor, wobei ich mir beim besten Willen keinen Reim auf die zwei spanischen Silben machen konnte, die seinen Namen bildeten. Unser Guide erklärte uns später, der Name des Farmers sei in etwa „Johnny“.

Johnny führte uns durch seine Farm und erklärte uns, wie man Tabak anbaut und daraus Zigarren rollte. Er sprach nur Spanisch, das allerdings so langsam und ausdrucksstark mit Händen und Füßen, dass ich die meisten seiner Ausführungen verstehen konnte. Was ich nicht verstand, übersetzte unser Guide.

Insgesamt bewirtschaftet Johnny knapp 9 Hektar, wobei er Tabak, Kaffee, Zucker und mehrere Früchte anbaut. Das wichtigste Gut auf der Farm ist der Tabak, der dort gesät, gezogen, geerntet, getrocknet und fermentiert wird.

Einschub: So baut man Tabak an

Die Tabakpflanze wird mit winzig kleinen Samen gesät und verbringt die ersten Tage im Dunklen im Haus. Erst wenn ein kleiner Spross gewachsen ist, kann dieser ausgepflanzt werden. Innerhalb einer Woche müssen hunderte, wenn nicht tausende Tabakpflanzen händisch ausgepflanzt werden. Die Pflanze wächst dann knapp drei Monate, wobei man darauf achten muss, die Blüte abzuschneiden, da ansonsten die Blätter der Pflanze nicht groß genug werden.

Nach drei Monaten werden die Pflanzen geerntet und die Blätter werden über lange Stöcker gehängt, auf denen sie im Trockenhaus trocknen. Dabei muss man darauf achten, die Blätter zu sortieren. Je höher ein Blatt an der Pflanze wächst, desto mehr Nikotin enthält es. Beim Rollen einer Zigarre ist es wichtig, dass man die richtigen Blätter in der richtigen Reihenfolge rollt, ansonsten ist die Zigarre zu stark oder schmeckt gar nicht.

Nachdem die Blätter mehrere Monate im Trockenhaus hingen, sind sie knochentrocken und würden zerbröseln, wenn versuchte, sie zu rollen. Deswegen werden die Blätter im nächsten Schritt fermentiert. Dafür werden sie mit Honig, ein bisschen Zitronensaft und Wasser eingesprüht und in riesengroße Pakete verpackt. Der Prozess des Fermentierens dauert mehrere Wochen und erst danach ist der Tabak bereit, gerollt zu werden.

Kubanische Tabakfarmer verkaufen 90 Prozent ihres Tabaks an den Staat. Die Preise sind reglementiert und – so vermute ich – minimal. Die restlichen 10 Prozent des Tabaks verbleiben dem Farmer und damit macht er sein Geschäft.

Nach der Erklärung rollte Johnny uns eine Zigarre und drückte sie Frank in die Hand. Der zierte sich erst, ließ sich dann aber doch breitschlagen, einmal zu probieren. Er zog ein bisschen dran, Johnny erklärte uns, wie man die Zigarre richtig hält und dass es wichtig ist, beim Rauchen die Zigarre beständig zu drehen. Kurzerhand drückte Frank mir das Gerät in die Hand. Seit Ende 2014 habe ich nicht mehr geraucht, aber wenn man denn schon in Kuba ist, müsse man auch eine Zigarre rauchen, erklärte unser Guide. Also verbrachte ich die nächste halbe Stunde mit dem Ding und hatte danach einen völligen Nikotin-Flash.

Wie geht das mit der Zigarre
Wie geht das mit der Zigarre
Ein Profi mit dem Gerät
Ein Profi mit dem Gerät

Johnny drückte ein Zuckerrohr aus und servierte uns den Saft. Der schmeckte erstaunlich gut. Dazu gab es einen Rum. Johnny erklärte uns, dass er die knapp 9 Hektar nur zusammen mit seiner Mutter und seinem Bruder bewirtschaftet – ganz ohne elektrische oder motorisierte Geräte. Es gibt ein Pferd und zwei Ochsen, einen Hund und die Farm besteht seit über 100 Jahren. Johnny hat Viñales noch nie verlassen und er machte den Eindruck, dass er das auch nie ändern möchte. Havanna und den Rest kenne er nur aus dem Fernsehen. Das Großstadtleben sei nichts für ihn, auf seiner Farm ist er glücklich und zufrieden, hier habe er alles, was er brauche und er will an diesem Fleck 95 Jahre alt werden. Das trug Johnny so überzeugt vor, dass ich ihm das direkt glaube.

Zum Abschluss erwarben wir allerhand Souvenirs: Honig, Kaffee und ein kleines Bündel Zigarren. Nicht, dass ich jetzt wieder mit dem Rauchen anfangen wollte, doch eventuell finden wir ja den einen oder anderen Abnehmer in Berlin. Angeblich halten die Zigarren sich gut zwei Jahre. Schauen wir mal!

Trockenhaus für den Tabak
Trockenhaus für den Tabak
Zuckerrohr wird gepresst
Zuckerrohr wird gepresst

Manocho

Unser Guide Mario führte uns wieder zurück zu unserer Unterkunft, wo wir uns verabschiedeten. Wir verschnauften noch ein wenig, dann machten wir uns auf zu dem Restaurant, dass wir mit Felix zuvor reserviert hatten.

Dort wurden wir freudig begrüßt und man brachte uns an einen Platz mit Hund. Die Hundedame des Hauses mit dem Namen Manocho (wenn ich den Namen recht verstand) leistete uns Gesellschaft und zeigte sich sehr interessiert an unseren Speisen. Ich bestellte Zerrfleisch und Frank hatte ein Schweinesteak. Vorher gab es eine Suppe und zu den Speisen jede Menge Reis, Gemüse und Salat.

Ich glaube, mein Zerrfleisch war großartig. Ich konnte allerdings nur bedingt viel davon essen, denn Manocho schaute mich immer wieder mit ihren großen Augen an und wackelte mit den Ohren, in der Hoffnung etwas abzubekommen. Und sie bekam eine gute Menge ab. Wie praktisch alle Tiere hier auf Kuba war auch dieser Hund sehr ausgemergelt. Tiere scheinen hier nur Reste und Abfälle zu bekommen.

Manocho wartet geduldig ihre Portion
Manocho wartet geduldig ihre Portion
Wer kann da schon nein sagen
Wer kann da schon nein sagen

Die Karte in diesem Restaurant hatte die spezielle Eigenart, keine Preise zu haben. Die Betreiber rufen wahrscheinlich unterschiedliche Beträge ab, je nachdem, ob ein Einheimischer oder ein Tourist kommt. Wir löhnten am Ende über 50 Euro – ein erstaunlich hoher Preis. Viñales scheint sich in den letzten 20 Jahren zu einem der touristischen Zentren Kubas entwickelt zu haben. Entsprechend viele Touristen gibt es und entsprechende Preise werden abgerufen.

Zurück in unserer Unterkunft setzten wir uns noch ein wenig auf die Terrasse, wo eine andere Reisegruppe aus dem deutschsprachigen Raum Rum trank und Zigarren rauchte. Wir schnackten ein wenig mit der Gruppe (zwei Schweizer Mädchen, ein Kriminalkommissar aus Brandenburg mit seinem Sohn und eine Globetrotterin aus dem südwestdeutschen Dreiländereck), bekamen etwas Rum ab und gingen gegen Mitternacht nach einem sehr langen Tag ins Bett.

Subscribe
Notify of
guest
1 Comment
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
Karla
Karla
9. March 2022 13:18

Fein, diesem Blick hätte ich auch nicht widerstehen können. Ein Bild von eurem Transportgefährt wäre nicht schlecht.
Ach ja, das mit dem Plural von Stock üben wir zu Hause noch einmal.