Tag 9 – Coco Loco

Wir nahmen unser Frühstück im Innenhof unserer Unterkunft ein. Dort saßen wir gemütlich bei Kaffee, Früchten und Spiegeleiern im Schatten, während die Temperaturen in der Sonne schnell die dreißig Grad erreichten.

Trinidad und das Tal der Zuckermühlen

Kurz vor neun begrüßte uns Yulieska (kurz Yuli), unsere Führerin der heutigen Tour. Yuli ist 38, kommt aus Trinidad, arbeitet seit knapp zehn Jahren als Fremdenführerin und spricht fließend Englisch. Und sie spricht sehr viel.

Yuli nahm uns auf eine zweistünde Tour durch Trinidad, zeigte uns verschiedene Gebäude, Geschäfte, kleine Museen und erklärte uns viel zur Geschichte der Stadt. Trinidad wurde vor mehreren hundert von Nachfahren spanischer Kolonisten gegründet und die Stadt hat bis heute einen starken kolonialen Einschlag. Das heißt, die Häuser haben hohe Zimmer und Türen (das Erdgeschoss der meisten Wohnungen hier ist fünf oder gar sechs Meter hoch), vor den Fenstern haben alle Häuser durchgehend verzierte Metallgitter und an jeder Ecke gibt es kleine und große katholische Kirchen – einige davon halb verfallen, weil die Kirche in Kuba keine besondere Rolle spielt und der Staat nur ausgewählte Sakralbauten zu pflegen und restaurieren scheint.

Einer der Plätze der Stadt, mit Kirche
Einer der Plätze der Stadt, mit Kirche
Manche Gassen waren menschenleer
Manche Gassen waren menschenleer
Das Beatles Cafe liegt genau gegenüber unserer Unterkunft
Das Beatles Cafe liegt genau gegenüber unserer Unterkunft
Öffentliche Bibliothek Trinidads
Öffentliche Bibliothek Trinidads
Blick von einem der Glockentürme auf Trinidad
Blick von einem der Glockentürme auf Trinidad

Yuli half uns, neue Internetkarten zu kaufen, führte uns in ein kleines lokales Café, in dem sie uns Eiskaffee kaufte und erklärte uns viel darüber, wie der kubanische Bürger mit der Regierung klarkommt. Man hat hier offenbar einen seit Jahrzehnten halbwegs funktionierenden Modus Oprandi gefunden. Die Regierung garantiert den Bürgern eine Grundsicherung und kümmert sich um alle Belange der Menschen, erzwingt dafür aber ein enormes Maß an Bürokratie und über eine minimale Grundsicherung hinaus ist jeder auf sich gestellt.

Der Zusammenbruch der Sowjetunion und der Wegfall der sozialistischen Absatzmärkte muss Kuba in den frühen Neunzigern ungeheuer zugesetzt haben. Den Erzählungen Yulis nach, muss die Zäsur der Krise von 1990 bis 92 vergleichbar sein mit der der Revolution von 1958/59 in Kuba.

Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks funktionierten viele sozialistische Systeme nicht mehr. So produzierte man in die späten 90‘er zum Beispiel in der Region Trinidads Zucker mit teilweise hundert Jahre alten Maschinen. Die Produktion war mühselig und nicht effektiv. Aber die sozialistischen Bruderstaaten kauften den Zucker jahrelang für hohe Freundschaftspreise ab und deswegen funktionierte das System.

Nach dem Zusammenbruch der SU pfiffen die ehemaligen Bruderstaaten auf diese Freundschaftspreise und kauften ihren Zucker in billigeren Ländern. Auf einmal saßen die Zuckerbauern Kubas auf ihren Produkten, die der Weltmarkt nicht haben wollte. Im Laufe der 90’er Jahre schloss der Staat fast alle Zuckerproduktionen in der Umgebung Trinidads und ließ nur die wenigen effizient arbeitenden Betriebe offen.

Änderungen dieser Natur betrafen nicht nur die Zuckerproduktion in der Region Trinidads, sondern alle möglichen Produktionszweige im ganzen Land. Kuba versuchte, sich dem Westen etwas weiter zu öffnen, fand Tourismus als Einnahmequelle und begann so, in den letzten 20 Jahren eine Neuausrichtung des sozialistischen Realismus.

Zucker-, Tabak- und Kaffee-Bauern sind immer noch verpflichtet, 90 Prozent ihrer Produktion an den Staat zu verkaufen. Yuli erklärte uns hierzu die kubanische Mathematik: 90 Prozent für den Staat, 20 Prozent für den Bauern. Mit anderen Worten: Jeder weiß, dass man hier und da die Zahlen zu seinem eigenen Vorteil manipuliert. Der Staat erlaubt es den Bauern, etwas mehr privat (und damit hochprofitabel) zu verkaufen und die Bauern nehmen im Gegenzug hin, dass der Staat ihnen schlechte Preise zahlt und mehrere Monate für die Bezahlung benötigt. Dafür rechnet man dem Staat an, dass er den Bürgern kostenlos Bildung bis zum Uniabschluss bezahlt (inklusive Unterkunft für Studenten), allen Bürgern eine hervorragende Krankenversorgung garantiert und dass der Staat im Falle des Falles immer einspringt, wenn Not am Mann ist.

Nachdem wir den Vormittag und frühen Nachmittag mit Yuli verbrachten, sie uns Trinidad gezeigt hatte und wir einen Ausflug zu verschiedenen Zuckerrohrplantagen machten, verabschiedeten wir uns von ihr und hatten den späten Nachmittag zu unserer freien Verfügung.

Viele dieser Felder waren früher einmal Zuckerrohrplantagen
Viele dieser Felder waren früher einmal Zuckerrohrplantagen
Unser Guide erklärt uns das Leben auf einer Zuckerrohrfarm
Unser Guide erklärt uns das Leben auf einer Zuckerrohrfarm
Jede Farm hatte einen eigenen Glockentrurm, um Signal zu geben und um die Skalven zu überwachen - dies ist der höchste Turm mit 171 Stufen
Jede Farm hatte einen eigenen Glockenturm, um Signal zu geben und um die Skalven zu überwachen – dies ist der höchste Turm mit 171 Stufen
Gruppenbild vom Turm
Gruppenbild vom Turm
Abschiedsfoto mit Yulieska
Abschiedsfoto mit Yulieska

Kokosnüsse am Strand

Wir schafften es diesen Tag erstmals im Urlaub an den Strand. Mit Handtüchern bewaffnet, machten wir uns auf den Weg zur Ancón-Halbinsel im Süden Trinidads. Dort sollen – so wurde uns von unserem Herbergsvati versichert – die besten Strände der Südseite Kubas sein.

Also fuhren wir dorther, parkten unser Gefährt und wurden von laut schallender Musik begrüßt. Am Strand sind zahlreiche Resort-Hotels aneinandergereiht. Davor stehen Liegen, Sonnenstühle und es gibt Strandbars mit unnötig lauter Beschallung. Wir suchten uns ein paar Liegen abseits der Musik. Sonderlich voll war der Strand nicht – die meisten Hotels schienen bestenfalls halb voll zu sein. Kaum hatten wir auf den Liegen Platz genommen, kamen nacheinander zwei Typen auf uns zu. Der eine wedelte mit einem bürokratisch aussehenden Block und erklärte uns, wir müssen für die Nutzung der Liegen bezahlen: 100 Pesos pro Person, umgerechnet einen Euro. Tatsächlich füllte er einen umfangreichen Schriebs aus, bevor er das Geld in Empfang nahm und händigte uns eine Quittung aus.

Der andere Typ war der erste dicke Kubaner, den ich kennenlernte. Er bot uns verschiedene Getränke an. In der Auflistung seines Angebots hörte ich den Begriff „Coco Loco“ heraus. Unsere Führerin hatte uns den Begriff am Vormittag bereits erklärt. Wortwörtlich bedeutet das „verrückte Kokosnuss“. Hierbei handelt es sich um eine Kokosnuss mit einem Schuss Rum. Davon bestellten wir zwei Stück. Der dicke Kubaner wackelte umgehend zu einem Baum, wo er aus einer Tragetasche zwei Kokosnüsse hervorholte , diese aufschlug und einen guten Schwupps aus einer Flasche Havanna Club hineingoss.

Ich mit meiner Coco Loco
Ich mit meiner Coco Loco
Ein recht leerer Strand
Ein recht leerer Strand
Manchmal spenden auch Bäume Schatten
Manchmal spenden auch Bäume Schatten

Wir hatten kaum die verrückten Nüsse in Empfang genommen, da kamen in kurzer Folge mehrere weitere Gestalten auf uns zu. Der erste wollte uns eine Katamaranfahrt zum Schnorcheln andrehen, der nächste drückte uns aus Zuckerrohrblättern geflochtene Grashüpfer in die Hand (für die Familie zu Hause!) und erwartete im Gegenzug ein paar hundert Pesos und der nächste wollte uns verschiedenes Essen verkaufen. Das war etwas anstrengend.

Grashüpfer für doofe Touristen
Grashüpfer für doofe Touristen

Zum Glück ließen uns die ganzen Jungs schnell in Ruhe und wir konnten ungestört auf unseren Liegen in der Sonne chillen und im Wasser planschen. Nur der dicke Kubaner schlawenzelte immer mal wieder um uns herum, in der Hoffnung, uns weitere Getränke verkaufen zu können. Ich war sicherlich auch das perfekte Opfer, kann ich doch in solchen Dingen so schlecht „nein“ sagen. Am Ende schaffte er es, mir noch eine weitere verrückte Nuss und einen Becher Rum anzudrehen. Frank meldete sich glücklicherweise freiwillig zum Fahrdienst an.

Als der dicke Getränkeverkäufer mir am Ende unseres Strandbesuchs den Preis nannte, fühlte ich mich das erste mal in Kuba ein wenig übers Ohr gezogen. 20 Euro wollte er für vier Drinks in Summe haben. Auf meine Anmerkung, dass dies ganz schön viel sei, verwies er darauf, auch etwas für seine Freunde und Familie zu benötigen. Ich konnte ihn auf 15 Euro runterhandeln, entschied aber, an diesen Strand so schnell nicht zurückzukommen. Nichtsdestominder muss ich anmerken, dass Coco Loco ein ganz famoses Strandgetränk ist.

Abends kehrten wir in das Café Real ein, dass wir am Vortag bereits spätabendlich auf ein paar Cocktails besucht hatten. Diesmal dinierten wir hier – Frank mit Lamm und Fischsuppe vorweg, ich mit Calzone (das ist eine zusammengeklappte Pizza). Es gab wieder Live-Musik – das scheint hier in Kuba Standard-Programm von Bars und Restaurants zu sein. Wir schlürften noch ein paar Cocktails, machten anschließend einen kleinen nächtlichen Stadtrundgang und fielen alsdann müde und zufrieden in unsere spanischen Betten.

Kürbissuppe und Meeresfrüchtesuppe als Vorspeise
Kürbissuppe und Meeresfrüchtesuppe als Vorspeise
Franks Lamm mit ein wenig Gedöns
Franks Lamm Gemüse und mit ein wenig Gedöns
Gasse Trinidads am Abend
Gasse Trinidads bei Nacht
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Tammo
Tammo
14. March 2022 18:20

Coco Loco … So einen sollte es für warme Sommerabende auch bei Aci geben! 😀